Dienstag, 28. Februar 2012

Emanzipation, Auslaufmodelle und verlorene Träume

Früher hatte ich immer einen Traum, wie mein Leben aussehen sollte: ich wollte Ehefrau, Mutter und Hausfrau sein. Daneben meine vielen kreativen Projekte verfolgen, aber grundsätzlich hätte ich einfach gerne für meine Familie gesorgt und wäre für alle da gewesen. Das Leben kam anders, gewisse Träume muss man im Leben wohl mal loslassen, vor allem, wenn der Zug dafür abgefahren ist. Das ist nicht immer einfach, da gewisse Träume ja doch tief sitzen, vielseitig begründet sind und dem eigenen Wesen entsprechen.

Für viele wurde ich durch die Nichtlebbarkeit des Traumes aber quasi gerettet, denn mit dem Traum war ich ein Auslaufmodell. Wie viele Frauen hätten dafür gekämpft, dass Frauen endlich arbeiten können, gleichberechtigt wären (sind sie es??)? Wie viele Frauen hätten sich eingesetzt für die Rechte der Frau, die ich nun mit meinem Wunsch mit Füssen trete - so hiess es. Tat ich das? Heisst Emanzipation wirklich, Frau muss nun arbeiten, darf gar nicht mehr anders wollen? Ich denke nicht, denn so verstanden wäre Emanzipation die Umkehr das vorherigen Zustands, Frau wäre nun einfach von den Zielen der dafür Kämpfenden bestimmt, noch immer nicht frei in der Wahl. Und darum ging es ja schliesslich und endlich: Die Möglichkeit zu haben, zu tun, was man will, im Arbeitsleben, im Miteinander. Gleiche Rechte (der Wahl, der Möglichkeiten) zu haben und nicht aufgrund des eigenen Frauseins diskriminiert sein. Das deckt sich auch mit dem ersten Gerechtigkeitsprinzip von John Rawls:

1. "Jede Person soll ein gleiches Recht auf das umfassendste Gesamtsystem gleicher Grundfreiheiten haben, das mit einem entsprechenden System der Freiheit für alle vereinbar ist."

Das zweite würde dann nachlegen:

2. "Soziale und ökonomische Ungleichheiten sollen so beschaffen sein, dass sie zum größten Vorteil der am schlechtesten Gestellten sind, und an Ämter und Stellungen geknüpft sind, die allen offen stehen unter Bedingungen fairer Chancengleichheit."

Da hapert es noch stark, nicht nur bei der Emanzipation, sondern generell in der heutigen Wirtschaft, glaubt man den entsprechenden Kritiken, welche bemängeln, dass es immer den Obersten besser geht bei Änderungen, kaum je den Unteren. Das mag oft stimmen, positive Ausnahmen gibt es zum Glück auch. Und die Hoffnung bleibt, dass irgendwann ein Umdenken hin zu einem wirklich sozialeren Miteinander entsteht, welches weitere und breitere Kreise zieht - Stück für Stück.

Und nachdem nun der Bogen geschlagen ist von persönlichen, zu verabschiedenden Auslaufmodellträumen hin zu politischer Gerechtigkeit, stellt sich die Frage: Ist das Leben immer gerecht? Müsste ich im Leben nicht auch die grösstmögliche Freiheit auf alles haben? Gerade kürzlich las ich, dass wir alle frei wären, wenn wir es nur erkennen würden. Wir könnten alles tun, was wir wollten, hielten uns aber selber wie Käfigvögel. Ist das wirklich so? Kann ich in die Welt hinaus gehen und nur noch machen, wonach mir der Sinn steht, ohne Rücksicht, ohne Gewissen, ohne Einschränkung? Rawls grenzt die absolute Freiheit immerhin ein, indem er sagt, die persönliche Freiheit müsse mit dem System, in dem man lebt, vereinbar sein, so dass auch die anderen dieselbe Freiheit hätten wie ich selber. Das ist dann eine Gleichheit der Freiheiten, die wiederum fair ist. Lebte ich alles frei aus, was ich gerade möchte, wäre ein anderer eingeschränkt durch mein Ausleben - oder ich durch seines. Das Miteinander in Fairness greift dem vor. Zu recht, wie ich finde. Und dabei gilt es dann wohl auch dann und wann, einen Traum zu begraben, weil entweder andere davon betroffen wären.

Es gibt aber sicher auch noch andere Gründe, Träume zu begraben. Wenn der Preis, den Traum zu leben, zu hoch ist. Dann beginnt das Abwägen, was wirklich zählt im Leben, was man bereit ist, zu zahlen für das Erreichen eines Traums und ob ein Kompromiss möglich und vielleicht gar besser wäre. Theoretisch klar, praktisch nicht immer einfach - Träume sitzen tief.

Lebe deinen Traum - das wünsche ich mir und allen.

3 Kommentare:

Thomas hat gesagt…

Danke für Deinen interessanten Blog!

Zu dem Thema Emanzipation habe ich mir natürlich auch meine Gedanken gemacht, doch kommt es oft schräg, wenn man als Mann seine Gedanken zu dem Thema äussert.
Was ich allerdings sicher sagen kann ist, dass ich finde, bei dem gesamten Themenkomplex muss man unterscheiden zwischen einer juristischen Gleichberechtigung und dem, wie es in der Gesellschaft gelebt wird. Letzteres wäre dann nochmal zu unterscheiden in einen institutionellen (die „Wirtschaft“) und den privaten Bereich. Da kann ist auf einer abstrakten Ebene vielleicht ein paar Gedanken beisteuern:

Rein juristisch ist die Gleichberechtigung erreicht. Punkt.
Nachdem Frauen sogar im Appenzell wählen dürfen und es ein Anti-Diskriminierungsgesetz gibt ist sie de jure vollzogen.
Im institutionellen Bereich wird daran gearbeitet. Meiner Erfahrung nach sind die Firmen und Behörden sehr daran interessiert, hier eine echte Gleichbehandlung zu implementieren. Dass es Unterschiede gibt und immer geben wird liegt zum einen an statistischer Ungenauigkeit und zum anderen daran, dass der letzte Bereich, der Private, in Wechselwirkung zum institutionellen steht. Ausserdem befinden wir uns in der quasi paradoxen Situation, Gleichberechtigung zu überwachen und sie durch die Überwachung zu implementieren. Dadurch, dass wir unser Augenmerk darauf richten wird schliesslich der Unterschied zwischen den Geschlechtern betont und vielleicht sogar erst hergestellt. Ich denke auch, es gilt nicht, den Unterschied zwischen den Geschlechtern zu ignorieren (es gibt nun mal biologische Unterschiede und Unterschiede in der Sozialisation), sondern eine echte Chancengleichheit herzustellen. Damit Entscheidungen frei getroffen werden können.
Und an dieser Stelle kommt der private Bereich ins Spiel. Die Freiheit, Dich für ein traditionelles Familienmodell zu entscheiden hast Du de jure – und eigentlich auch de facto. Die Einstellung, wonach Frauen heutzutage sich selbst in einem Beruf verwirklichen müssen, ihr eigenes Geld verdienen und nach Möglichkeit Karriere machen ist meiner Ansicht nach ein selbst auferlegter, gesellschaftlicher Druck. Die Frauen, die sich dem beugen, fallen meiner Meinung nach auf eine Art Werbegag herein. Natürlich hast Du recht in Deiner Analyse, dass das einer Umkehrung des lange gültigen Lebensmodells für Frauen gleichkommt. Eher ein anstrengenderes Modell als das der Vergangenheit, denn häufig kommt dann Doppelbelastung Familie-Beruf und die ganze begleitende Thematik mit einher. Ich kann mir diesen Unsinn nur mit dem Wunsch nach einem geregelten, definierten, planbaren Lebensentwurf erklären. Dem Drang, dass sein Leben „in geordneten Bahnen“ verläuft.

Thomas hat gesagt…

Es ist allerdings nicht einzusehen, warum man dem Aussteiger, der irgendwo auf die Alp geht und dort Kühe hütet, oder dem Weltumsegler oder anderen „alternativen Lebensmodellen“ mehr Recht zur Selbstverwirklichung zugestehen sollte als Dir, die gerne ein traditionelles Familienmodell leben möchte. Ich vermute, Du leidest hier genauso wie auch andere solcher Personen darunter, dass der Mainstream eben andere Lebensentwürfe bevorzugt und Du damit ein Kuriosum darstellst. Im Gegensatz zu anderen, bei denen der Mut anerkannt wird, sich ausserhalb des Mainstreams zu stellen wird Dir jedoch vorgeworfen, gegen die gesellschaftliche Entwicklung zu planen. Das tun andere Menschen mit alternativem Lebensentwurf auch. Das ist deren gutes Recht. Somit sehe ich das Problem derer, die Dich wegen Deines Lebensentwurfs angreifen eher bei denen, die Dich angreifen als bei Dir.
Dein Problem dürfte eher praktischer Natur sein. Das traditionelle Familienbild braucht ein entsprechendes Zusammenspiel aller Beteiligten, Mann, Frau, Kind etc., um lebbar zu sein.

„Wir könnten alles tun, was wir wollten, hielten uns aber selber wie Käfigvögel.“ Ist durchaus zutreffend. Allerdings sollte man die ordnenden Kräfte gesellschaftlicher Konvention nicht unterschätzen. Ich würde hier die Hippie-Bewegung als Beispiel heranziehen wollen, die nicht zuletzt daran gescheitert ist, alles zu hinterfragen. Freiheit zwingt uns nämlich dazu zu entscheiden. Ständig und immer wieder. Folgen wir der Konvention wird uns diese Entscheidung abgenommen. . Je mehr Konventionen es gibt desto mehr reiben wir uns an ihnen, je weniger, desto mehr müssen wir entscheiden. Wo hier die Grenze ziehen? Was möchten wir in unserer Entscheidungsgewalt haben und wo folgen wir bereitwillig der Konvention? ist für mich eine entscheidende Frage. Unsere heutige Gesellschaft ist frei genug, uns selbst zu überlassen, wo wir diese Grenze ziehen (wobei ich die Manipulationsversuche seitens Werbung etc. mal aussen vor lassen mag – dann würde ich gar nicht mehr fertig ).

Cosima hat gesagt…

Thomas, ich danke dir für deine ausführlichen Zeilen. Ich kann mich deinen Gedanken vollumfänglich anschliessen.