Donnerstag, 8. April 2010

So muss es sein

Der Mensch neigt dazu, sein Weltbild als das richtige anzusehen. Wird Toleranz zwar gross geschrieben und jeder spricht sich diesen Wert zu, so zeigt sich doch in kleinen Dingen - die dann Auswirkungen bis in die grossen haben -, dass es damit nicht weit her ist.

Nun kann man sagen, dass es logisch ist, dass die eigene Meinung als richtig gesehen wird, da man sie ansonsten nicht vertreten würde oder könnte, also gute Gründe und Argumente dafür hat. Nur: wer sagt, dass diese wirklich stimmen? Kann ich davon ausgehen, die Wahrheit gefunden zu haben, wenn die andern meiner Wahrheit widersprechen? Wann ist Wahrheit als solche gesetzt und wann nur eine Meinung? Wann ist Meinung wahr oder richtig und nicht nur eine Momentaufnahme oder subjektive Betrachtungsweise?

Der Wandel der Zeit und damit der Wandel der Gesellschaft inklusive der sie ausmachenden Individuen zeigt, dass kaum etwas als gesetzt ansehen kann. Das Zusammenleben von Menschen hat sich in den letzten 100 bis 200 Jahren komplett verändert, was vor 200 Jahren noch gang und gäbe war, gilt heute als veraltet, nicht mehr zeitgemäss. Man nennt das Weiterentwicklung und Fortschritt. Ist der in technischer Hinsicht unbestritten, ist er ab und an in geistiger fragwürdig. Wieso gibt es heute keine Universalgenies wie Goethe oder Kant mehr? Sind die Menschen heute glücklicher mit ihrer gross geschriebenen Selbstverwirklichung und dem Hang zu "alles ist möglich"? Sind die Menschen heute ausgefüllter mit den freien Entscheidungen, die sie treffen dürfen oder sind die gar nicht so frei, wie man meinen darf? Sind wir heute durch das Möglichkeitsdenken nicht neuen und fast noch stärkeren Zwängen unterworfen, indem wir gezwungen werden, ein Modell zu wählen, einfach weil es möglich ist? Sind Beziehungen heute glücklicher, weil man sie aus Liebe (die noch dazu für jeden etwas anderes ist und sich selber auch wieder wandelt mit der Zeit) eingehen kann und bei mangelnder wieder auflösen darf?

Der Mensch wird zum autarken Wesen, jeder soll alles können und dürfen. Jeder ist gleich, jeder hat die gleichen Möglichkeiten. Das klingt gut, klingt gerecht, der Grundgedanke ist es sicherlich auch. Nur was der Mensch draus macht, ist eine andere Geschichte - wie wohl bei allen Grundgedanken. Der Mensch schafft es, die eigentlich guten Modelle durch seine Menschlichkeit ins Negative zu verkehren. So haben sich Kommunismus, Nationalismus und auch Kapitalismus zu Negativa verkehrt. Die Gerechtigkeit hinter der Gleichheit wird es ihnen gleich tun, denn man wird irgendwann merken müssen, dass der Mensch als einzelner gleicher unter anderen einzelnen gleichen, unter denen er frei nach Gefühl und momentaner Laune wählen und abwählen darf nicht auf Dauer glücklich wird, sondern seinen Momentanlaunen ausgeliefert von einem Unglück ins nächste rennt, dabei die Konstanz im Leben vermissen lässt und am Schluss haltlos herumirren wird, sich wünschend, es gäbe etwas, das ist, wie es ist, weil es ist, wie es ist, weswegen er es nicht einfach umstossen könnte.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Unumstössliche Wahrheiten gibt es nur wenige, auch wenn es viele Menschen gibt die meinen, im Besitz genau dieser unumstösslichen Wahrheit zu sein. Überzeugungen - ja! Die gibt es. Selbst "Tatsachenwahrheiten" sind nur wahre oder falsche Aussagen. Was eigentlich kritisch ist, ist die *Bewerbung* von dem, was als Wahrheit empfunden wird.

Frage ist, wie frei wir heute wirklich entscheiden können - und wie sich das im Vergleich zu vor 200 Jahren verhält.

Der Individualismus, also die Idee, ein Einzelwesen in den Mittelpunkt zu stellen halte ich persönlich für sehr fragwürdig. Der Mensch ist von seiner Anlage her soziales Wesen. Das Individuum alleine ist vergleichsweise schwach, so dass ich bösartigerweise ein Interesse gewisser Kreise unterstelle, die Mitglieder der Gesellschaft möglichst zu vereinzelnen. Dadurch sind sie für Manipulationen vielfältiger Art empfänglicher. Dazu kommt, dass der Mensch mit Verstand gesegnet ist - der Quelle des Individualismus. Diese Dichotomie ist wohl eine Konstante in menschlichen Gesellschaften.

Eine weitere Widersprüchlichkeit scheint mir zwischen dem Wunsch nach Freiheit und dem Wunsch nach Sicherheit zu bestehen. Absolute Freiheit verunmöglicht sich selbst, Regeln schnüren ein. Regeln geben Sicherheit, nehmen sowohl die Freiheit als auch den Zwang sich zu entscheiden.

Ich weiss nicht, ob die heutige Gesellschaft wirklich anderen Gesellschaftsmodellen überlegen ist oder die erstrebenswerteste Form ist, eine gesellschaft zu organisieren. Aber es gibt zur Zeit keine gangbare Alternative im Grossen - im Kleinen lässt sich da aber gut experimenteren.