Donnerstag, 26. April 2012

Tod und Leben

Kürzlich sassen mein Sohn und ich am Küchentisch und sprachen über den Tod. Wir sprachen darüber, wie es ist, jemanden zu verlieren und ich erzählte ihm die Geschichte meines Wellensittichs, der von Tag zu Tag immer schwächer wurde und an einem Tag, als ich aus der Schule kam, am Käfigboden sass, nicht mehr hochkam. Ich hob ihn auf, nahm ihn in meine Hand. Er schaute mich an - und starb. Beim Erzählen kullerten mir ein paar Tränen übers Gesicht. Mein Sohn stand auf, holte ein Taschentuch und brachte es mir. Das tut er immer. Er ist ein toller Sohn. Mit einem riesengrossen Herzen.

Sohnemann meinte, dass man, wenn man ein Haustier haben möchte, auch bereit sein muss, es loszulassen. Dass man dankbar für die Zeit sein soll, die man mit ihm hatte und dies das Wichtige sei. Dasselbe, so meinte er, sei auch mit Menschen. Beerdigungen sollten nicht traurig sein, sondern voller Freude. Man müsste an all die schönen Momente mit dem Menschen, der starb denken, und nicht nur den Verlust beweinen. Eine schöne Sicht. Ich hoffe, er kann sie sich bewahren.

Wie oft ertappen wir uns auch sonst im Leben dabei, das Negative zu sehen statt das Positive? Statt dankbar zu sein für all das Gute, das uns im Leben passiert ist und gerade passiert, hadern wir mit all dem, was nicht passt, das wir gerne anders hätten, sehnen uns nach den Dingen, die fehlen, statt die zu geniessen, die wir haben. Wie viel froher wäre das Leben, würden wir diese Perspektive ändern? Dabei müsste gar nichts im Aussen ändern, es wäre nur unsere eigene Haltung dazu, die diese Umkehr bewirken würde.

Etwas nicht zu haben, das man gerne hätte, ist immer doof. Je wichtiger das Gewünschte wäre, desto doofer. Aber oft kann man es nicht ändern, zumindest selten sofort. Was also hilft es, dem Mangel noch schlechte Gefühle hinterher zu schicken? Verbessern wird das nie. Würde man stattdessen sich an dem freuen, was schon gut ist, wäre dem Mangel ein viel geringeres Gewicht gegeben. Das Unervänderliche wäre weniger schlimm in seiner Tragweite. Und durch die positive Haltung setzt man vielleicht auch positive Energien frei, die man dazu nutzen kann, dem Mangel entgegen zu wirken. Und ab und an stellt sich heraus, dass das Leben auch ohne das gewünschte Gut schön ist.

Loslassen ist auch da die Devise. Wie man im Leben Menschen loslassen muss, muss man ab und an auch Vorstellungen und Wünsche loslassen. Viel Leid resultiert aus dem festhalten an Menschen, an Gefühlen, an Wünschen, an Situationen. Man will sich gegen das Unausweichliche stellen und hält alles fest, was man haben will. Wenn es geht, leiden wir. Wir leiden, weil wir uns dagegen sträuben, anzunehmen, was ist. Wir leiden, weil wir krampfhaft etwas haben wollen, das nicht ist oder nicht mehr sein wird. Wir leiden, weil wir enttäuscht sind in unseren eigenen Vorstellungen, weil wir nicht das haben, was wir haben wollen, weil etwas von uns geht, das wir nicht gehen lassen wollen. Aber wir können den Gang der Zeit nicht ändern. Vieles ist nicht planbar, nicht steuerbar. Das Festhalten wird das nicht ändern, es wird uns nur Leiden bringen. Drum sollte man geniessen, was man hat, denn irgendwann wird es aufhören und dann wird die Erinnerung an den Genuss bleiben. Und diese wird das Wegfallen übertreffen.

Wer etwas haben will, muss bereit sein, es gehen zu lassen.

Dienstag, 24. April 2012

Menschlichkeit oder Sein und Wollen

Oft hört man den Wunsch nach einer menschlicheren Welt. Die Frage ist: was ist eine menschlichere Welt? Was ist Menschlichkeit? Dem Wortlaut nach wäre es eine Welt nach der Art des Menschen. Doch wie ist ein Mensch? Wäre eine menschlichere Welt eine bessere Welt?

Schaut man im Alltag, kommen mir da Zweifel. Wie oft sieht man Menschen, die ein wenig Macht in die Hände kriegen und diese gleich ausnutzen, sich daran erfreuen? Ist der Mensch nicht immer sich selbst am nächsten und versucht, seine eigenen Interessen möglichst gut durchzubringen? Ganz im Zeichen der Evolution und ihrem Survival of the fittest? Oft ist es auch eine Kompensationshandlung, indem man, endlich ein wenig Macht spürend, bewusst oder unbewusst, diese nützt, um all die machtlosen Situationen, die man in der Vergangenheit erleiden musste, ausbügeln will. Alles, was einem selber an Machlosigkeit zuteil wurde, lebt man nun an einem anderen aus. Der Beamte in einer Amtsstelle weiss genau, dass jeder, der zu ihm kommt, von ihm abhängig ist und der ganze Bürokratiewahn scheint eine Ausgeburt genau dieses Wissens zu sein.

Geht man in der Geschichte zurück, wird das noch viel augenscheinlicher. Wie oft werden die Machenschaften in Kriegen als barbarisch, als grausam bezeichnet, welche Superlative des Bösen wurden gebraucht, die Machenschaften im Zweiten Weltkrieg zu beschreiben. Hannah Arendt setzte dem den Begriff "Banalität des Bösen" gegenüber. Es waren keine Ungeheuer, die am Werk waren, keine Entarteten, es waren Menschen. Familienväter, ehemalige Kaninchenzüchter, Beamte, ganz normale Menschen, welche in die Position kamen, Macht leben zu können - und es taten. Rädchen im Getriebe. Und zusammen ergab das eine unbeschreibbare Ausgeburt an Grauen.

Was also ist Menschlichkeit? Ist das wirklich gut und lieb, sozial und mitfühlend? Oder doch nur ein Kampf jeder gegen jeden - liesse man den Menschen nach seiner Natur handeln? Ich bin überzeugt, der Mensch will gut sein. Er möchte mitfühlend sein, den anderen lieben. Aber wäre er es wirklich von Natur, bräuchte es dann Gebote und ständige Ermahnungen, es auch wirklich zu sein? Wäre er es dann nicht von Natur und bedürfte keiner Aufforderungen dahingehend? Ich habe meine Zweifel. Ich denke, das Soziale ist eine Forderung der Gemeinschaft, weil nur so ein Zusammenleben möglich ist. Damit dieses Zusammenleben funktioniert, braucht es Regeln, braucht es Werte, braucht es Grundsätze. Diese entspringen nicht der Menschlichkeit, sondern der Vernunft. Menschlichkeit an sich wäre animalisch und selbstbezogen. Macht, Kampf und Sieg wären ihre Ziele. Eine solche Welt wäre (und ist es wohl  leider, da trotz Vernunft das Menschliche immer durchdrückt, wenn es die Chance dazu kriegt) nicht die, welche man sich herbei sehnt. Von daher wäre es wohl sinnvoller, eine vernünftige Welt des Miteinanders statt eine menschlichere Welt zu wünschen.

Montag, 23. April 2012

Heutige Welt

Irgendwie bin ich noch zu jung für die Aussage, dass früher alles besser war und so absolut stimmt das bestimmt auch nicht. Wenn ich an die Zeit meiner Grosseltern oder die Jugend meines Vaters denke, mit den Weltkriegen, der Wirtschaftskrise, vielen anderen Beschwerlichkeiten, dann war das bestimmt nicht einfacher als heute. Die eigene Kindheit und Jugend war da wohl schon um einiges ruhiger, nur hat man da auch nur einen Bruchteil mitgekriegt, weil man gar nicht wirklich in den Ernst des Lebens involviert war, sondern, wenn überhaupt, höchstens in der Manier der beiden Alten bei der Muppet Show kommentierte, was man so mitkriegte, es aber selber nicht wirklich durchlebte.

Trotzdem überkommt mich ab und an ein wenig Wehmut. Oft in meinem erwachsenen Leben überkam mich das Gefühl, viele Baustellen offen zu haben. Mal stand ich privat vor Umbrüchen, wusste nicht, wie weiter, ob allein, zu zweit, überzeugt allein, überzeugt zu zweit, mal abwartend, was sich entwickelt. Dann wieder sah ich beruflich kein Land, fühlte mich wie ein Segler im Nebel bei Windstille. Ab und an wusste ich, wo ich gerne hin möchte, sah den Weg nicht, dann wieder war sogar das Ziel undefiniert. Projekte hatte ich immer viele, kreativer Geist schläft nie, allerdings haperte es oft auch an der Umsetzung. Und selbst wenn diese klappte - irgend ein Eisberg trat immer auf, selbst in der Südsee. Und wenn eigentlich alles mal gut war - dann trat sicher sonst etwas in mein Leben, das wieder vieles umstiess, Dinge vage machten, Unsicherheiten brachte. Und ich haderte und überlegte, zappelte wie ein Frosch im Milchtopf, doch der Butter liess oft auf sich warten und ich war noch nie geduldiger Schwimmer.

Blickt man kurz nach aussen, sieht man überall Leben, die viel gemächlicher verlaufen als das eigene. Man denkt, die Sonne scheint dort heller und es ist einfacher. Man sieht die Oberfläche und wünscht sich, auch da zu stehen und besonnt zu werden. Bei einem näheren Blick tun sich aber oft auch bei anderen Menschen Untiefen auf. Das hilft zwar nicht bei den eigenen, die sind nach wie vor da. Auch wünscht man es den anderen nicht. Trotzdem hat es den einerseits beruhigenden Aspekt, dass das Leben vielleicht einfach so ist, wie es ist. Hat aber andererseits den beunruhigenden Aspekt: Vermutlich ist das Leben wirklich so, wie es ist.

Heute scheint nichts mehr in Stein gemeisselt. Waren Paare früher ein Leben lang zusammen, hatten Arbeiter von der ersten Arbeitsstunde bis zur letzten dieselbe Stelle in derselben Firma inne, machten Menschen eine Ausbildung und arbeiteten danach selig bis zur Pension, so hat sich das doch sehr gewandelt. Der erste Partner ist selten je der letzte, sondern der erste einer langen Kette von Irrtümern, Lebensabschnittspartnern, Interimsfreunden und Etappenbegleitern. Die erste Stelle ist selten die letzte. Sie zu behalten macht eher den Anschein, nichts besseres mehr gekriegt zu haben als Durchhaltewillen zu zeigen. Und die erste Ausbildung ist meist nur ein Startschuss für viele noch zu folgende. Der Mensch scheint zur Ware verkommen, die in jedem Lebensbereich nach Belieben ausgetauscht wird, abserviert, ersetzt, entsorgt. Es scheint, man sitzt beständig auf einem Schleudersitz. Der Hebel zum Abflug kann durchaus jederzeit betätigt werden.

Nette Lebensphilsophien von positiven Menschen besagen, dass man das Leben immer selber in der Hand hat und die eigenen Gedanken das Leben prägen, man kriegt, was man denkt. Der Gedanke ist nett. Und so beruhigend. Und wenn man ihn ganz fest glaubt, geht man fortan mit einem seligen Lächeln durchs Leben. Und selbst wenn es mal nicht so eintritt - dann musste das ganz ganz ganz sicher so sein und ist nur zum Besten des Denkenden. Ich finde das nett - ich teile die Philosophie trotz heftigem Bemühen und wirklich viel Lektüre, in mich gehen, mich selber überzeugen nicht. Ich denke, ich könnte noch so oft sagen, dass ich morgen mit George Clooney aufwachen werde und auch wirklich dran glauben. Die Chance wäre doch relativ klein, dass das eintrifft. Auch Richard Gere wird nicht vor meiner Tür stehen, der schwarze Hengst nicht vor dem Gartentor warten und mein Auto wird sich auch nicht in einen XXX (eigentlich mag ich mein Auto und es wollte mir schlicht kein anderes, das ich unbedingt haben möchte, in den Sinn kommen) verwandeln.

Ergo: Alles ist doch nicht möglich. Auch bei Menschen. Mein Partner wird wohl nie in allen Belangen genau so sein, wie ich ihn genau dann haben will. Schliesslich und endlich ist er ein Mensch mit eigenen Gedanken und Wünschen, Bedürfnissen und Einstellungen. Das Leben ist trotz allem kein Wunschkonzert. Das heisst nicht, dass man fortan nur noch negativ denken soll, weil eh alles keinen Sinn hat. Ich denke durchaus, dass positive Gedanken einen Einfluss haben, da sie positive Energien freisetzen und man so einfach anders durchs Leben geht, anderes anzieht, als wenn der Mief schon aus dem Gesicht scheint. Trotzdem finde ich das Leben ab und an ganz schön anstrengend und beunruhigend. Was ich daraus mache? Weiter strampeln und mich freuen, wenn ich doch immer wieder ein Butterstückchen zum ausruhen finde. Und irgendwann - ja irgendwann - wird alles Butter sein. Dann fehlt nur noch das Brot drunter zum Glück ;)

Samstag, 21. April 2012

Berlin

Eindrücke unserer Berlinreise - eine tolle Stadt!

Literatur

Wann ist Literatur gut und wann nicht? Wer entscheidet das? Und wieso wird Literatur, die von vielen gelesen wird oft als Schund betitelt und eher abfällig beäugt? Welchem Anspruch muss Literatur genügen, um in die gute Literatur aufgenommen zu werden?

Ich habe da meine eigenen Kriterien: Was ich gerne lese, was mich packt, mitreisst, was ich lesen will, weil es mir Spass macht, das ist für mich gute Literatur. Literatur ist Kunst und welchem anderen Anspruch sollte diese genügen, als zu gefallen? Natürlich hat Kunst auch immer eine Botschaft, doch was nützt die Botschaft, wenn niemand es auf sich nehmen will, sie zu erfahren, weil das Kunstwerk so daher kommt, dass man es lieber weit von sich weist? Manchmal habe ich das Gefühl, dass viele denken, Kunst sei dann unglaublich wertvoll, wenn man sie nur mit grosser Mühe (oft schon Not) aufnimmt. Ich erachte das als eher masochistische Kunstsicht. Und ich sehe den Sinn hinter diesem Anspruch nicht. Nöte und Pflichten zeigen sich schon im alltäglichen Leben genug, wieso also sollte ich mich in meiner Freizeit auch noch damit plagen? Wieso sollte ich mich Dingen widmen, die mir keine Freude bringen, die mir nichts sagen, durch die ich mich nur kämpfe, weil sie einem wie auch immer gearteten Anspruch genügen? Und wer hat diesen Anspruch definiert? Und wieso sollte ich mich einem Anspruch beugen, von dem ich nicht mal weiss, woher er kommt und wie er genau aussieht? Oder sollte ich etwas verpasst haben? Ich lasse mich gerne eines Besseren belehren und würde mich dann gegebenenfalls auch einem neuen Kunstverständnis öffnen.

Bis dahin bleibe ich dabei: Lesen muss Spass machen und es muss mich packen. Tut ein Buch das nicht, landet es zurück im Regal. Nach wenigen Seiten. Ich bin da rigoros und unbarmherzig. Dabei interessiert mich auch nicht, wie gross der Name ist, der auf dem Umschlag prangt. Ab und an gibt es auch Bücher, die mehrere Anläufe brauchen, um wirklich gelesen zu werden. Gewisse Bücher und auch Autoren scheinen ihre Zeit zu haben. Zur richtigen Zeit gelesen, öffnen sie einem neue Welten, Welten, für die man genau zu dem Zeitpunkt bereit ist, die man genau zu dem Zeitpunkt braucht, sucht, während sie zu anderen Zeiten eben nicht passten. Auf diese Weise habe ich mich durch unzählige Bücherregale gelesen, mit Freude, mit Begeisterung, mit Hingabe. Literatur ist etwas grossartiges, das mir manche Erkenntnis brachte, manche Stunde versüsste, Emotionen weckte, besänftigte, mitleben liess, bewegte. Seit ich denken kann.

Schön in diesem Zusammenhang:

Irgendwann
braucht jedermann
ein Buch mit dem er
reden,
lachen,
weinen,
träumen
reisen
kann.

Hartmut Kulick

Mittwoch, 18. April 2012

Wenn eine eine Reise tut...

...macht sie viele Bilder. Diese habe ich wieder einmal in einem Video verarbeitet, untermalt mit einem wunderschönen Lied von Yiruma.

Samstag, 14. April 2012

Es ist gut, wie es ist

Oft sieht man im Leben zurück und denkt sich, man hätte doch besser anders entschieden. Oft denkt man im Leben, durch einen Fehlentscheid sei etwas anders gekommen, als man es sich eigentlich wünscht, hofft, haben möchte. Bei mir war es mein Studium. Ich haderte dann und wann mit meinem Philosophie- und Literaturstudium. Dachte, das Studium sei brotlos, sei für nichts, sei in der heutigen Gesellschaft mit ihrer einzig zählenden Geldmacht unnütz.

Heute fragte mich mein Sohn: "Wenn du nochmals studieren könntest, was würdest du studieren wollen?" Die Antwort? Ich würde nochmals genau das studieren, was ich studiert habe. Denn es war einfach nur gut. Es gibt nichts Schöneres als genau das, was ich studiert habe - für mich. Und ich hatte das Glück, es zu können. Hatte die Möglichkeit, es zu tun. Und ich tat es mit Freude. Und liebe es noch. Ich bin, wie ich bin, weil ich denke, wie ich denke. Ich studierte, was ich tat, weil ich in die Tiefe wollte. Weil denken mein Leben ist, ich ohne denken nicht mehr bin - Descarte hatte recht: Ich denke, also bin ich. Denken ist nicht immer angenehm. Es schmerzt ab und an. Es zermürbt. Es lässt Achterbahn fahren. Es macht kompliziert - einen selber und das Leben. Aber es ist genial. Weil so weit führend. Von einem zum andern. Das Denken der Gedanken. Ich bin. Ich denke. Drum bin ich. Und ich denke weiter. Mal prägnant. Mal poetisch. Mal verworren. Mal klar. Immer auf den Punkt.

Es ist gut, wie es ist. Ich mache weiter. Danke!

Wir müssen lieben oder sterben

All I have is a voice
To undo the folded lie,
The romantic lie in the brain
Of the sensual man-in-the-street
And the lie of Authority
Whose buildings grope the sky:
There is no such thing as the State
And no one exists alone;
Hunger allows no choice
To the citizen or the police;
We must love one another or die.
(W.H.Auden)

Auf dieses Gedicht stiess ich durch ein Buch und einen Film: Thursdays with Morrie. Ein schwer kranker Soziologieprofessor, der dem Tod ins Auge sieht, lehrt seinen Studenten von früher, Mitch Albom, zu leben. Zusammen reden sie über die wichtigen Dinge im Leben, die, welche das Leben lebenswert machen. Und gerade die Dinge sind es, die uns oft Angst machen.

Über allem steht die Liebe. Was wäre ein Leben ohne Liebe - sagt auch Morrie - ich bin also nicht alleine damit. Und obwohl er - wie es aussieht - ein Mensch war, der die Liebe lebte, Liebe gab, Liebe hochhielt (wohl, weil er als Kind zu wenig davon kriegte), so sah er auch das Risiko in der Liebe - die Angst, genau das zu verlieren, was man liebt. Da erscheint einem - Mitch tut das im ersten Teil seines Lebens erfolgreich - die Flucht vor der Liebe der sicherere Weg - der schmerzfreiere. Und doch sagt Morrie im Angesicht des Todes: Was wäre dieses Leben wert, wäre da keine Liebe? Wie könnte er durchstehen, was er durchsteht, wären da nicht die Menschen, die ihn lieben, die für ihn da sind, allen voran auch seine Frau, seine Kinder? Und wo wären die, hätte er nicht sein Leben lang Freundschaften gepflegt, Liebe gelebt?

Oft rasen wir durchs Leben, denken, dies und das erledigen zu müssen, vernachlässigen dabei die, welche uns am nächsten wären, die uns wichtig wären, weil wir alles über sie stellen, all die kleinen und grossen Pflichten des Alltags, all die Aufgaben, die wir noch erledigen wollen, die Ziele, die wir glauben, erreichen zu müssen. Und sehen dabei nicht, dass wir damit auch am Leben vorbeirasen. Und dann, wenn das Leben eine Wende nimmt, es vielleicht auch schwerer wird, sind wir alleine, auf uns zurück geworfen, und suchen einen Halt, wünschen uns all die herbei, die wir vorher in sunserem Schnelldurchgang auf der Strecke liessen.

Es wäre falsch, Liebe nur zu leben, um dann, wenn man sie braucht, nicht alleine zu sein. Es ist aber gut, sich dann, wenn man denkt, der Schnellzug wäre spannender als der Umgang mit Menschen, vor Augen zu führen, was man wäre, wären da die Menschen nicht, die einen umgebenen. Der Mensch ist nicht geschaffen, alleine zu sein. Er kommt hilflos zur Welt, wird im Alter wieder hilflos - und mittendrin ist er alleine genau so hilflos - weil ihm das Wesentliche fehlt.

Das Buch hat mir die Augen iin vielerlei Hinsicht geöffnet, es hat mich nachdenklich gemacht, hat mich innehalten lassen, hat mich Entscheidungen treffen lassen. Und Zuversicht fassen. Der Film stand dem Buch in nichts nach. Wirklich sehr empfehlenswert. Auf der ganzen Linie.

Wir müssen lieben oder sterben. Und auch wenn wir lieben, müssen wir irgendwann sterben, lieben wir aber nicht, sind wir längst tot.

Donnerstag, 12. April 2012

Entscheidungen über richtig und falsch

Wir zaudern oft bei Entscheidungen, weil wir uns fürchten, die falsche zu treffen und dann etwas für immer verloren zu haben, was vielleicht besser gewesen wäre als das, wofür wir uns dann im Endeffekt entscheiden. Bei kleinen Dingen mag das nicht so tragisch sein, ob meine Schuhe nun braun oder schwarz sind führt zu keinen Weltuntergang, höchstens zu einem kleinen gefühlten, wenn sie am Tag des Tragenwollens nicht zum Rest passen. Bei den grossen Entscheidungen wird es schon schwerer, da sie in unseren Köpfen eine grössere Tragweite für unser Leben haben und ein Fehlentscheid schlimmere Folgen hätte.

Wenn wir uns denn entscheiden und wirklich nicht alls so läuft, wie wir das gerne hätten, ertappen wir uns oft dabei, zurück zu schauen und uns für den damals getroffenen Entscheid zu tadeln, uns zu hintersinnen, zu denken: Hätte ich doch... Nur: wer sagt, dass es dann besser gekommen wäre? Vielleicht anders, vielleicht nicht mal. Vielleicht noch schlechter? Wir haben im Rückblick nur das im Blick, was wir uns damals als mögliche Wirkungen des damals verworfenen Entscheides vorstellten, nie aber, was wirklich daraus resultiert wäre. Der Rückblick in einer unliebsamen momentanen Situation führt noch dazu meist zu einer Verklärung der ausgemalten Wirkungen, selten zu einer wirklich rationalen Analyse. Und selbst die wäre, wie gesagt, reine Vorstellung, nie Realität.

Nun gibt es zwar Theorien, die die gesamte Welt als reines Produkt menschlicher Vorstellung darstellen. Das hat sogar was für sich in einer gewissen Weise, denn alles, was man heute auf der Welt sieht, zumindest das, was nicht unberührte Natur ist, entsprang irgendwann mal menschlicher Vorstellung. Jemand dachte, ein Haus zu bauen, heute sehen wir das Haus. Was wir heute sehen, entstand irgendwann einmal einem menschlichen Geist. Und so haben auch wir das Potential, in unserem Geist die Zukunft zu erschaffen.

Aber zurück zur Entscheidung: Selbst wenn wir einmal einen Weg eingeschlagen haben, der vielleicht nicht zu dem Ziel führte, das wir uns erhofft, erträumt haben, so hat uns der Weg doch zu neuen Erkenntnissen gebracht, er hat uns was gezeigt, er hat uns fortbewegt. An einen neuen Standpunkt. Und erst von dem Standpunkt aus können wir sehen, dass das Ziel, das wir nun erreicht haben, eben nicht das ist, welches wir haben wollen. Beim Ausgangspunkt konnten wir das so nicht wirklich wissen. Deswegen war der damalige Entscheid nicht falsch. Falsch wäre gewesen, stehen zu bleiben, denn dann wären wir nicht weiter gekommen, würden uns noch im Hin und Her unserer Entscheidungsfindung drehen und an Ort treten.

Nicht mal das Ziel ist falsch, es ist nur nicht so, wie gewünscht. Wir haben aber die Möglichkeit, eine neue Entscheidung zu treffen und einen neuen Weg auf uns zu nehmen. Einen, der von dem Standpunkt, den wir heute innehaben, weiter geht. Mit allen neuen gesammelten Erkenntnissen im Rucksack.

Manchmal entscheiden wir uns im Leben gegen etwas, das wir im Nachhinein bereuen, weil wir erst dann, wenn es weg ist, sehen, wie wichtig es in unserem Leben war. Vielleicht sind wir durch Ängste, Enttäuschungen, Probleme blind, das im Moment zu sehen und suchen einen anderen Weg. Wenn dann die Ängste schwinden, die Enttäuschungen wegfallen, die Probleme gelöst sind, öffnet sich der Blick auf das, was nun fehlt. Und wir bereuen, das aufgegeben zu haben. Selbst dann war das wohl der richtige Weg, denn die Ängste haben uns am Leben gehindert, haben den Blick verstellt. Und wenn es wirklich zu uns gehörte, in unserem Leben einen Platz haben soll, dann gibt es vielleicht irgendwann eine neue Chance.

Und selbst wenn nicht, hat es uns eines gelehrt: versuche immer zu sehen, was du hast, selbst wenn die Ängste gross sind, du mal enttäuscht wirst, auch mal Probleme da sind. Versuche den Blick für das Gute nie zu verlieren, denn genau das wird dir fehlen, wenn es nicht mehr ist. Oft neigen wir dazu, dem Unliebsamen viel mehr Gewicht zu geben, viel mehr Raum zu geben. Eigentlich schade. Es ist unsere Entscheidung, in jedem Moment, was wir wie gewichten wollen, worauf wir den Schwerpunkt in unserem Leben legen wollen. Am besten fangen wir gleich damit an.

Freitag, 6. April 2012

Günter Grass und die Bösen

Günter Grass dichtete. Zu aktuellen Themen, hochaktuell, breit gestreut, prominent publiziert:

http://www.focus.de/kultur/buecher/was-gesagt-werden-muss-das-umstrittene-gedicht-von-guenter-grass-im-wortlaut_aid_732817.html

Im Wortlaut:
„Warum schweige ich, verschweige zu lange, was offensichtlich ist und in Planspielen geübt wurde, an deren Ende als Überlebende wir allenfalls Fußnoten sind.

Es ist das behauptete Recht auf den Erstschlag, der das von einem Maulhelden unterjochte und zum organisierten Jubel gelenkte iranische Volk auslöschen könnte, weil in dessen Machtbereich der Bau einer Atombombe vermutet wird.
Doch warum untersage ich mir, jenes andere Land beim Namen zu nennen, in dem seit Jahren – wenn auch geheimgehalten – ein wachsend nukleares Potential verfügbar aber außer Kontrolle, weil keiner Prüfung zugänglich ist?

Das allgemeine Verschweigen dieses Tatbestandes, dem sich mein Schweigen untergeordnet hat, empfinde ich als belastende Lüge und Zwang, der Strafe in Aussicht stellt, sobald er mißachtet wird; das Verdikt „Antisemitismus“ ist geläufig.

Jetzt aber, weil aus meinem Land, das von ureigenen Verbrechen, die ohne Vergleich sind, Mal um Mal eingeholt und zur Rede gestellt wird, wiederum und rein geschäftsmäßig, wenn auch mit flinker Lippe als Wiedergutmachung deklariert, ein weiteres U-Boot nach Israel geliefert werden soll, dessen Spezialität darin besteht, allesvernichtende Sprengköpfe dorthin lenken zu können, wo die Existenz einer einzigen Atombombe unbewiesen ist, doch als Befürchtung von Beweiskraft sein will, sage ich, was gesagt werden muß.

Warum aber schwieg ich bislang? Weil ich meinte, meine Herkunft, die von nie zu tilgendem Makel behaftet ist, verbiete, diese Tatsache als ausgesprochene Wahrheit dem Land Israel, dem ich verbunden bin und bleiben will, zuzumuten.

Warum sage ich jetzt erst, gealtert und mit letzter Tinte: Die Atommacht Israel gefährdet den ohnehin brüchigen Weltfrieden? Weil gesagt werden muß, was schon morgen zu spät sein könnte; auch weil wir – als Deutsche belastet genug – Zulieferer eines Verbrechens werden könnten, das voraussehbar ist, weshalb unsere Mitschuld durch keine der üblichen Ausreden zu tilgen wäre.

Und zugegeben: ich schweige nicht mehr, weil ich der Heuchelei des Westens überdrüssig bin; zudem ist zu hoffen, es mögen sich viele vom Schweigen befreien, den Verursacher der erkennbaren Gefahr zum Verzicht auf Gewalt auffordern und gleichfalls darauf bestehen, daß eine unbehinderte und permanente Kontrolle des israelischen atomaren Potentials und der iranischen Atomanlagen durch eine internationale Instanz von den Regierungen beider Länder zugelassen wird.

Nur so ist allen, den Israelis und Palästinensern, mehr noch, allen Menschen, die in dieser vom Wahn okkupierten Region dicht bei dicht verfeindet leben und letztlich auch uns zu helfen.“
...
„Was gesagt werden muss“: Das umstrittene Gedicht von Grass im Wortlaut - weiter lesen auf FOCUS Online: http://www.focus.de/kultur/buecher/was-gesagt-werden-muss-das-umstrittene-gedicht-von-guenter-grass-im-wortlaut_aid_732817.html


Der Begriff Gedicht ist ja in heutigen Tagen sehr weit gefasst. Trotz aller zugesprochenen Weite und Breite fehlt mir in dem Schreiben der Gedichtscharakter, ich sehe das Dichterische nicht. Für mich wirkt es wie ein in etwas gehobenere Sprache verfrachtete Stammtischpolemik. Soviel zur Form, der Inhalt ist im letzten Satz angespreochen und wird es in der Folge noch mehr.

Was bewegt Herrn Grass zu diesem Schreiben? Was will er bezwecken? Geht es ihm wirklich um die ach so angespannte politische Lage, um den Weltenfrieden, um drohende Gefahren desselben? Ich kann es kaum glauben. Wäre dem so, hätte er verständlicher geschrieben und das geschriebene besser untermauert. Er schreibt von der Gefahr Israels, unterschlägt dabei aber, dass es Irans Machthaber war, der allen, die ihm nicht lieb und nett waren, die Ausrottung androhte, welcher Reden hielt, welche an seiner geistigen Gesundheit mehr als zweifeln liessen.

Man kann Israel seine Haltung Palästina gegenüber vorwerfen und ja, was da abgeht, ist mehr als unschön, ist eine Schande, ist gerade vor dem Hintergrund der Israelischen Juden unverständlich. Würde man doch denken, gerade mit der Vergangenheit wäre ein wenig mehr Sensibilität der Menschlichkeit gegenüber angebracht. Aus diesem Unrecht aber nun die allegmeine Gefahr für die ganze Welt abzuleiten, finde ich etwas weit gegriffen. Dass diese Gefahr von einem Ehemaligen der Waffen-SS ausgesprochen wird, welcher über lange Jahre über die eigene Vergangenheit schwieg, aber nicht still war, gegen andere zu schiessen, macht es wohl nicht besser.

Ich sage nicht, Israel sei ein Unschuldslamm, das über jeden Zweifel erhaben sei. Welches Land ist das schon. Im Zusammenhang mit dem Iran aber Israel als die vorherrschende Gefahr zu sehen, finde ich undurchdacht, unabgestützt und überhöht. Die ganzen von Herrn Grass propagierten eigenen Kenntnisse über die atomare Lage in Israel und im Iran lässt die Frage offen, was ihn zu diesen Aussagen bringt, da sie weder von ihm selber abgestützt sind noch wirklich erwiesen, nur erahnt. Selbstüberhöhung? Geltungsdünkel?

Grass stellt sich in seinem sogenannten Gedicht dar als Menschen mit Gewissen, der es nicht mehr erträgt, zu schweigen vor all dem Unrecht in der von ihm dargestellten Welt. Zu lange hätte er geschwiegen, aus Angst vor den Reaktionen, vor allem der, des Antisemitismus bezichtigt zu werden. Damit nimmt er natürlich ein sehr berechnend gewähltes Argument in den Mund. Er macht quasi alle gegenteiligen Meinungen mundtod. Es ist ein häufig erwähntes Argument, man könne nichts gegen Isreal sagen, ohne des Antisemitismus angeklagt zu werden. Das mag in gewissen Punkten stimmen, die Sensibilität in diesem Bereich ist immer noch sehr gross, die Vorsicht auch. Teilweise zu recht, teilweise einfach als eingeprägtes Muster, welches Zeit braucht, sich zu normalisieren. Dass dem bei Lichte betrachtet aber nicht so ist, liegt auf der Hand. Israel ist genau so zu Unrecht fähig wie andere Staaten und diese dürfen auch erwähnt werden. Und sie werden es auch in den Nachrichten, wenn es um Vorstösse gegen Palästina geht, welche in den letzten Monaten doch sehr abgenommen haben, kaum mehr in den Medien vorherrschen.

Grass wird nicht möde, die Deutsche Vergangenheit noch mehr ins Zentrum zu rücken, in einem Nebensatz, bevor er auf die U-Boot-Lieferungen eingeht. Ist das nötig? Dient das der Sache? Eigentlicht nicht. Es hat mit dem momentanen Geschehen nichts zu tun. Insofern kann man es nur noch der Wirkung zusprechen, die die Weltkriege noch heute haben. Wenn das Thema zu wenig Pfeffer hat, zu wenig auffällt, erwähnen wir die Nazizeit und wumms, das Interesse ist da. Alles, was allein zu schwach ist, wird mit dieser Geschichte spannender gemacht, eindrücklicher gemacht. Ist das gerechtferitgt? Wertet man damit diese Zeit nicht mehr und mehr ab, indem man sie der eigenen Propagandawut unterordnet und sie dazu instrumentalisiert? Bereichert man sich damit nicht insgeheim und indirekt am Leid der damaligen Opfer, indem man ihr Leid wieder und wieder zur eigenen Stimmungsmache benutzt. Selbst wenn man es als Negativbeispiel benutzt, wird das Ereignis immer mehr abgestumpft, weil es zum allgemeinen Argument verkommt, das bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit aufgerufen wird.

Herr Grass ist der Heuchelei überdrüssig. Hört hört. Alle andern heucheln, nur er nicht. Er schreibt nun Gedichte dagegen. Und er dichtet gegen Staatsfeind Nummer 1, Israel, ein wenig gegen den Iran, und setzt den ganzen Rest, Palästina und uns, den beiden gegenüber. Eine eigenartige Polarisierung. Iran und Israel gegen den Rest der Welt. Wo genau liegen Syrien, Lybien, Afghanistan, Irak, die afrikanischen Unruhestaaten in diesem Bild? Wenn wir schon bei Atomwaffen sind: Iran und Israel als einzige Besitzer von solchen, der Westen soll kontrollieren? Ist Herr Grass sich sooo sicher, dass kein westliches Land Atomwaffen hat? Ich würde dafür nicht die Hand ins Feuer legen. Wer also will nun kontrollieren? Und wer heuchelt nun wirklich? Wirklich alle andern oder vielleicht doch Herr Grass? Um den es doch eher ruhig wurde in letzter Zeit?!

Donnerstag, 5. April 2012

Ich darf das

Bin ich normal? Was ist normal? Wer legt fest, was normal ist, wie man normal sein soll, wie nicht? Und wenn es eine solche Norm gäbe, muss man sie befolgen? Wozu? Wem würde das helfen? Ich bin, wie ich bin. Manchmal schräg, manchmal grad, manchmal eigenbrötlerisch, manchmal gesellschaftsfähig, ab und an grummlig, oft fröhlich, manchmal nachdenklich, manchmal drauflos plaudernd. Ich bin gerne allein, ab und an einsam, ich bin gern unter Menschen, ab und an überflutet von ihnen. Ich mag Ordnung, räum nicht gern auf, mag es sauber, hasse zu putzen, ab und an packt mich aber die Aufräum- und Putzwut. Ich bin kreativ und spielerisch, dabei aber gerne organisiert. Ich mag keine festen Termine, weiss aber gerne, was mich erwartet. Ich bin spontan, aber mag selten Änderungen. Ich bin - einfach ich. Und ich darf so sein. Das ist die Erkenntnis von heute. Keine bahnbrechende, keine grosse, eigentlich eine banale. Aber ich finde sie wichtig.

Wie oft denken wir:
- Das kann ich so nicht machen.
- Ich kann das nun so nicht sagen, das ist falsch.
- Ich muss mich nun zusammenreissen, das gehört sich so.
- Wieso habe ich mich bloss verhalten, wie ich es tat, ich bin einfach komisch.
- Das war mal wieder typisch - alle machen, nur ich nicht.
- ....

Und so verstricken wir uns in unser Gedankenkino, schimpfen mit uns, trauen uns oft nicht, zu unseren Bedürfnissen zu stehen, weil wir denken, den/dem anderen quasi zu schulden, dass wir uns so verhalten, wie er das von uns erartet oder wie wir auch bloss denken, dass er es erwartet. Und wir geben dabei immer ein Stück von uns selber auf, weil wir uns nicht ernst nehmen, uns selber nicht den Wert zugestehen, zu uns zu stehen. Doch wer soll es tun, wenn wir es selber nicht tun? Können wir erwarten, dass die anderen immer zu uns schauen und dafür sorgen, dass wir nicht zu kurz kommen, nicht untergehen?

Ich propagiere keinen Egoismus auf Gedeih und Verderb. Egoismus hat in meinen AUgen die Komponente drin, dass man etwas aus eigennützigen Motiven heraus will, die meist mit einem eigenen Profit zu tun haben, die den anderen weniger wertschätzen, als er es verdient hat, weil wir ihn aus leiter Eigensucht gar nicht wirklich wahrnehmen. Es geht mir mehr darum, dass man sich auch selber ernst nehmen soll, wie man den anderen auch ernst nimmt. Und gerade in Beziehungen, seien es Freundschaften, Liebesbeziehungen, aber auch Geschäftsbeziehungen sollte man versuchen, sich selber treu zu bleiben. Wenn man das nicht kann, muss man die Beziehung hinterfragen und hinschauen, wieso es nicht geht.

Wenn ich nicht zu mir und meinen Bedürfnissen stehe, dann ordne ich diese ja quasi dem anderen unter. Wieso? Ist das DU mehr Wert als das ICH? Woher kommt diese Sicht? Wäre nicht ein Miteinander anzustreben, bei dem beide denselben Stellenwert haben und beide für sich einstehen dürfen, weil sie wissen, genau so getragen zu sein, geliebt zu sein? Klar gehören auch mal Zugeständnisse dazu, aber diese dürfen eine gewisse Grenze nie überschreiten, die, bei der es wirklich ans eigene geht, die Grenze, bei der man für sich sagen muss: Das ist meine persönliche Grenze, die kann nicht überschritten werden, weil es für mich sonst nicht stimmt. Und wenn ich dieses Gefühl für mich ernst nehme und dazu stehe, dann nimmt der andere das auch nicht als Abfuhr gegen sich wahr, sondern sieht es als meine Grenze und kann damit umgehen. Alles andere wäre nicht ehrlich. Und wer möchte schon eine unehrliche Beziehung führen? Die würde für beide nicht stimmen.

Und drum: Ich darf das. Ich darf genau so sein, wie ich bin. Und wenn ich selber bei mir Dinge sehe, Muster, die für mich nicht stimmen, dann darf ich die auch angehen und damit arbeiten. Kann meine Grenzen erweitern. Für mich. Weil ich es will, weil es für mich stimmt. Und weil es mich auch weiter bringt auf meinem Weg. Und doch bin ich dann immer noch ich, wie ich bin. Schön eigentlich.

Mittwoch, 4. April 2012

Vorpreschen und zurückkrebsen

Es gibt die seichten Bäche, welche dahinplätschern, gleichmütig, ohne Höhen und Tiefen, einfach ruhig, besinnlich fast, beruhigend, still. Dann gibt es die Flüsse, die ziehen, ausbrechen, hochspritzen, Gischt produzieren, wieder zur Ruhe kommen, um bald wieder loszuströmen. Ich gehörte - wäre ich ein Gewässer - wohl zu der zweiten Sorte. Ich bin so ein himmelhochjauchzend-zutodebetrübt Wesen, welches sehr schnell begeistert ist von Dingen, um bald darauf zu merken, dass sie doch nicht so toll sind. Dabei stürze ich mich meist auf Dinge, die mir eigentlich gar nicht entsprechen, die aber wohl durch ihre Fremdartigkeit doppelt verlockend scheinen. Beispiel? Beispiel:

Ich bin ein sehr beweglicher, ausdauernder, aber nicht sehr kraftvoller Menschentyp. Vom Muskeltyp - so erklärte mir mal ein Fachmann - bräuchte ich viel mehr Aufwand, Muskeln aufzubauen, als andere Muskeltypen. Was also liegt näher, als mich für Asthanga Yoga, den kraftvollsten, kraftmässig herausforderndsten Yogastil zu interessieren? Nichts natürlich.

Fortan sah man mich nur noch waghalsige Videos von Handstandvariationen und anderen Kraftakten schauen, wehmütig blickend und im Kopf die Jahre kalkulierend, die es bräuchte, dahin zu kommen - feststellend, dass es wohl keine Jahre, sondern mehrere Leben wären. Ich haderte dann eine Weile mit dem Schicksal, fand es ach so unfair, dass ich nicht so kräftig gebaut bin wie die demonstrierenden (und wirklich wundervollen) Yogis aus den Videos, und ignorierte dabei, dass mir der Stil eigentlich auch sonst gar nicht entspräche, da er für meinen kreativen Geist zu strikt, zu festgelegt, zu wenig persönlich ist. Statt also zu sehen, dass ich einfach ein anderer Typ Mensch bin mit anderen Fähigkeiten und auch Bedürfnissen an meinen Yogastil, konzentrierte ich mich darauf, was mir fehlte, genau diesen auszuüben. Statt mich mit Freude dem zuzuwenden, in dem ich gut bin, haderte ich mit meinen Schwachstellen. Eigentlich schade.

Noch ein Beispiel? Beispiel:
Ich hatte die Möglichkeit, eine Woche ans Meer zu fahren, für quasi nichts, hätte da eine Woche lang Yoga bei vegetarischer Vollpension geniessen können und Ferienfeeling auskosten. Ich, die ich immer Meerbilder anhimmle, die ich immer denke "da will ich auch mal hin", wenn ich Ferienfotos sehe. Und ich, die ich, wenn es hart auf hart kommt, nie weg will, weil mir verreisen eigentlich meist zu viel Stress ist und es dazu noch sehr viel zu organisieren gäbe. Ich haderte also mit meinem ach so komplizierten Wesen, welches nicht verreisen mag, welches diese Chance nicht packt, die jeder gerne hätte, verfluchte meine Art, entschuldigte meine Absage vor Freunden mit meinem komplizierten Wesen, der Abneigung gegen sture Strukturen, wie sie auf dem Retreat geherrscht hätten. Und fühlte mich dabei immer schlechter. Bis ich aufgeweckt wurde (Merci an dieser Stelle!). Bei Lichte betrachtet: Was hätte mir der Retreat gebracht? Ich kannte weder die Yogalehrerin, hätte mühselig Vertretungen für meine Stunden organisieren müssen, den Flug selber zahlen für eine Woche, die ich eigentlich so nicht wirklich für mich nutzen könnte. Worüber genau haderte ich also? Wieder über meine mir zugesprochenen Schwächen und Fehler. Ich erachtete mich als zu unflexibel, zu wenig ferienfreudig, als komisch, weil ich nicht himmelhochjauchzend im Hinblick auf eine Meerreise war(dass ich eigentlich auch fast lieber in den Bergen bin als am Meer hatte ich noch nicht erwähnt?). Dass eigentlich gute und rationale Gründe gegen die Reise sprachen, habe ich dabei völlig ausser Acht gelassen.

Und schliesslich und endlich: wieso denke ich ständig, ich müsse so sein wie andere? Wieso denke ich, wenn ich etwas nicht mag, das man - gemeinhin - mag, dass ich dann komisch, weniger liebenswert, weniger gut bin? Bin ich nicht gut, wie ich bin? Genau so? Eigentlich finde ich ja schon. Genau so. Wie jeder andere auch genau so gut ist. Auf seine eigene Weise. Mit seinen Stärken und Schwächen. Mit seinen Vorlieben und Abneigungen. Wenn ich etwas nicht mag, heisst das nicht, dass es nicht gut ist. Wenn jemand anders etwas mag, heisst das auch nicht, dass es gut ist. Er mag es, ich nicht. Punkt. Und beide sind wir gut und es ist, was es ist. Ein Ding. Wir machen es gut oder schlecht, indem wir es bewerten. Und wir haben die Wahl, wie wir die Bewertung vornehmen. Und damit auch die Wahl, wie wir uns fühlen dabei.

Das erinnert mich an meine heutige Zensho-Lektüre, welcher sagte, dass Leiden nicht von aussen kommt, sondern immer von innen. Was wir denken steuert, was wir fühlen. Wir machen unsere Welt und wir haben die Wahl. Es ist die Art, wie wir auf die Dinge reagieren, es sind nie die Dinge an sich, welche zu den Gefühlen führen.

Dienstag, 3. April 2012

Neue Welt - alles besser heute?

Aus meinen Boxen klingt Leonard Cohen mit I'm your man... Er will alles für mich machen, singt er, mein Lover sein, sich für mich maskieren, mir die Hand reichen, wenn ich ihn als Partner will und liesse sich sogar aus Wut niederstrecken. Das klingt gut - überhaupt klingt das Lied gut. Diese Stimme, diese dahin schlendernde Musik, dieser Rhythmus, der einen mitwippen lässt, ein tolles Lied, tief, voller Gefühl und doch mit einer gewissen Leichtigkeit. Wenn ich da an die heutige Musik denke, wird mir ganz anders. Retortenmist gesungen von hergerichteten, auf Optik und Image getrimmten Sternchen am Himmel des Starrummels.

Ich stelle mir vor, wie Leonard Cohen vor Dieter Bohlen tritt, um beim Superstar mitzumachen. Wie er seine Gitarre nimmt, auf den Stuhl sitzt, anfängt zu singen. Eher ein Brummeln als ein Singen eigentlich, wenn ich genau hinhöre. Ob der in den Recall käme? Ob nicht die Höhen zu unsauber gesungen wären? Die Töne nicht exakt getroffen? Die Stimme nicht tragfähig genug, der ganze Mann nicht Mainstream genug wäre? Und wenn er die Hürde noch schaffen würde, dann in die Castingshows käme und Whithney Housten oder Abba singen müsste? Ob er nicht spätestens da rausfiele? Ich stelle mir Leonard vor, wie er einen Disco Mix sänge, tanzte dazu... und sehe ihn spätestens da rausfliegen. Da würden auch keine nett zusammengeschnittenen Stories über eine wilde Jugend, Drogen und dergleichen helfen, um den Mitleidsbonus zu kriegen.

Und dann? Was wäre dann? Gewinnen würde ein fahles Licht, das einigermassen richtig verschiedene Liedchen nachträllern kann. Diesem Lichtchen würde ein Image aufgepeppt, das in die neue Bravo passt, und fertig ist der neue Musikstar. Und nie würden wir Lieder wie "I'm yor Man" hören.

Schade eigentlich. Zum Glück haben sich die alten gehalten, so dass ich die neuen getrost an mir vorbeisausen lassen kann. Und dann und wann findet sich auch heute eine Perle. Und schliesslich und endlich ist der Musikgeschmack verschieden, was auch gut ist. Und mit diesen Gedanken gehe ich wieder mit Leonard mitbrummeln, stelle mir dabei Elvis, die Beatles und Joe Cocker vor der Jury vor und finde, dass meine Tage doch recht abwechslungsreich und weit fassend sind, spannt man den Bogen von Goethe über Leonard Cohen zu Dieter Bohlen. Was würde Bohlen wohl zu Beethoven sagen?

Von Ost nach West

Die Frühstückslektüre bei Cosimas ist von Osten nach Westen gezogen. Waren vorher Zensho W. Kopps Aphorismen Teil des Morgenessens, sind wir nun zu deutschen Gedichten übergegangen und befanden einstimmig, dass auch die sehr erbaulich sind. Heute durften wir mit Herrn Goethe frühstücken und sinnierten über dessen gemaltes Band.

Mit dem Gedicht liegen wir natürlich gut in der Zeit, spricht es doch den Frühling an und die damit verbundenen Gefühle. Goethe baut in seinem Gedicht eine Atmosphäre auf, welche malerischer nicht sein könnte. Junge Frühlingsgötter streuen Blumen auf ein Band, welches noch luftig ist. Damit soll das Band wohl gesegnet werden, das Bild erinnert an Blumenkinder bei einer Hochzeit. Alles ist noch klein und luftig, noch nicht gefestigt. Die Blätter sind klein, das Band ist luftig, die Frühlingsgötter jung. Das lässt auf eine noch junge Liebe schliessen, vielleicht erst eine Schwärmerei? Das passt zum Frühling, in welchem alles erwacht, Blumen und Liebe.

Das Gedicht geht nun weiter und die Geliebte wird zum ersten Mal erwähnt. Der Windgott Zephyr soll ihr Kleid dem Blumenband umschlingen, so dass sie, munter und jung wie sie ist, so geschmückt vor den Spiegel treten kann. Dort sieht sie, selber einer Rose gleich, sich mit andern Rosen umgeben. Die Rose als Königin der Blumen kann hier als Metapher gelesen werden, indem sie ihre Schönheit, ihre Würde an die Geliebte abgibt. Diese ist die Königin des Herzens des Verliebten, welcher nur schon durch einen Blick auf sie Glück empfindet und dem Leben dankt dafür.

Nach dem Frühling, den Göttern, den Rosen und mittendrin der rosenhaften Königin des Herzens spricht Goethe nun die Geliebte selber an und fordert sie auf, zu sehen, was er für sie fühlt. Er bittet sie um ihre Hand und wünscht sich ein Band, das stärker ist als dieses erst hingeworfene Rosenband, welches luftig, schön, jung ist. Diese Strophe zeigt die Ernsthaftigkeit der Gefühle, die Tiefe, zeigt den Wunsch nach Bestand, nach Fortdauer. Was im Frühling beginnt, soll das Jahr erleben, in den Sommer, Herbst und Winter gehen.

Schön, den Tag mit so wunderschönen, poetischen Gedanken zu beginnen. Danke, Herr Goethe!

Zum nachlesen:


Mit einem gemalten Band

Kleine Blumen, kleine Blätter

Streuen mir mit leichter Hand

Gute junge Frühlingsgötter

Tändelnd auf ein luftig Band.



Zephyr, nimm's auf deine Flügel,

Schling's um meiner Liebsten Kleid!

Und so tritt sie vor den Spiegel

All in ihrer Munterkeit,



Sieht mit Rosen sich umgeben,

Selbst wie eine Rose jung.

Einen Blick, geliebtes Leben!

Und ich bin belohnt genung.



Fühle, was dies Herz empfindet,

Reiche frei mir deine Hand,

Und das Band, das uns verbindet,

Sei kein schwaches Rosenband!

(J.W. von Goethe, 1749 - 1832)

Montag, 2. April 2012

Cosima goes Yoga



Erster Videoversuch - weitere folgen :)