Montag, 23. April 2012

Heutige Welt

Irgendwie bin ich noch zu jung für die Aussage, dass früher alles besser war und so absolut stimmt das bestimmt auch nicht. Wenn ich an die Zeit meiner Grosseltern oder die Jugend meines Vaters denke, mit den Weltkriegen, der Wirtschaftskrise, vielen anderen Beschwerlichkeiten, dann war das bestimmt nicht einfacher als heute. Die eigene Kindheit und Jugend war da wohl schon um einiges ruhiger, nur hat man da auch nur einen Bruchteil mitgekriegt, weil man gar nicht wirklich in den Ernst des Lebens involviert war, sondern, wenn überhaupt, höchstens in der Manier der beiden Alten bei der Muppet Show kommentierte, was man so mitkriegte, es aber selber nicht wirklich durchlebte.

Trotzdem überkommt mich ab und an ein wenig Wehmut. Oft in meinem erwachsenen Leben überkam mich das Gefühl, viele Baustellen offen zu haben. Mal stand ich privat vor Umbrüchen, wusste nicht, wie weiter, ob allein, zu zweit, überzeugt allein, überzeugt zu zweit, mal abwartend, was sich entwickelt. Dann wieder sah ich beruflich kein Land, fühlte mich wie ein Segler im Nebel bei Windstille. Ab und an wusste ich, wo ich gerne hin möchte, sah den Weg nicht, dann wieder war sogar das Ziel undefiniert. Projekte hatte ich immer viele, kreativer Geist schläft nie, allerdings haperte es oft auch an der Umsetzung. Und selbst wenn diese klappte - irgend ein Eisberg trat immer auf, selbst in der Südsee. Und wenn eigentlich alles mal gut war - dann trat sicher sonst etwas in mein Leben, das wieder vieles umstiess, Dinge vage machten, Unsicherheiten brachte. Und ich haderte und überlegte, zappelte wie ein Frosch im Milchtopf, doch der Butter liess oft auf sich warten und ich war noch nie geduldiger Schwimmer.

Blickt man kurz nach aussen, sieht man überall Leben, die viel gemächlicher verlaufen als das eigene. Man denkt, die Sonne scheint dort heller und es ist einfacher. Man sieht die Oberfläche und wünscht sich, auch da zu stehen und besonnt zu werden. Bei einem näheren Blick tun sich aber oft auch bei anderen Menschen Untiefen auf. Das hilft zwar nicht bei den eigenen, die sind nach wie vor da. Auch wünscht man es den anderen nicht. Trotzdem hat es den einerseits beruhigenden Aspekt, dass das Leben vielleicht einfach so ist, wie es ist. Hat aber andererseits den beunruhigenden Aspekt: Vermutlich ist das Leben wirklich so, wie es ist.

Heute scheint nichts mehr in Stein gemeisselt. Waren Paare früher ein Leben lang zusammen, hatten Arbeiter von der ersten Arbeitsstunde bis zur letzten dieselbe Stelle in derselben Firma inne, machten Menschen eine Ausbildung und arbeiteten danach selig bis zur Pension, so hat sich das doch sehr gewandelt. Der erste Partner ist selten je der letzte, sondern der erste einer langen Kette von Irrtümern, Lebensabschnittspartnern, Interimsfreunden und Etappenbegleitern. Die erste Stelle ist selten die letzte. Sie zu behalten macht eher den Anschein, nichts besseres mehr gekriegt zu haben als Durchhaltewillen zu zeigen. Und die erste Ausbildung ist meist nur ein Startschuss für viele noch zu folgende. Der Mensch scheint zur Ware verkommen, die in jedem Lebensbereich nach Belieben ausgetauscht wird, abserviert, ersetzt, entsorgt. Es scheint, man sitzt beständig auf einem Schleudersitz. Der Hebel zum Abflug kann durchaus jederzeit betätigt werden.

Nette Lebensphilsophien von positiven Menschen besagen, dass man das Leben immer selber in der Hand hat und die eigenen Gedanken das Leben prägen, man kriegt, was man denkt. Der Gedanke ist nett. Und so beruhigend. Und wenn man ihn ganz fest glaubt, geht man fortan mit einem seligen Lächeln durchs Leben. Und selbst wenn es mal nicht so eintritt - dann musste das ganz ganz ganz sicher so sein und ist nur zum Besten des Denkenden. Ich finde das nett - ich teile die Philosophie trotz heftigem Bemühen und wirklich viel Lektüre, in mich gehen, mich selber überzeugen nicht. Ich denke, ich könnte noch so oft sagen, dass ich morgen mit George Clooney aufwachen werde und auch wirklich dran glauben. Die Chance wäre doch relativ klein, dass das eintrifft. Auch Richard Gere wird nicht vor meiner Tür stehen, der schwarze Hengst nicht vor dem Gartentor warten und mein Auto wird sich auch nicht in einen XXX (eigentlich mag ich mein Auto und es wollte mir schlicht kein anderes, das ich unbedingt haben möchte, in den Sinn kommen) verwandeln.

Ergo: Alles ist doch nicht möglich. Auch bei Menschen. Mein Partner wird wohl nie in allen Belangen genau so sein, wie ich ihn genau dann haben will. Schliesslich und endlich ist er ein Mensch mit eigenen Gedanken und Wünschen, Bedürfnissen und Einstellungen. Das Leben ist trotz allem kein Wunschkonzert. Das heisst nicht, dass man fortan nur noch negativ denken soll, weil eh alles keinen Sinn hat. Ich denke durchaus, dass positive Gedanken einen Einfluss haben, da sie positive Energien freisetzen und man so einfach anders durchs Leben geht, anderes anzieht, als wenn der Mief schon aus dem Gesicht scheint. Trotzdem finde ich das Leben ab und an ganz schön anstrengend und beunruhigend. Was ich daraus mache? Weiter strampeln und mich freuen, wenn ich doch immer wieder ein Butterstückchen zum ausruhen finde. Und irgendwann - ja irgendwann - wird alles Butter sein. Dann fehlt nur noch das Brot drunter zum Glück ;)

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