Dienstag, 3. April 2012

Von Ost nach West

Die Frühstückslektüre bei Cosimas ist von Osten nach Westen gezogen. Waren vorher Zensho W. Kopps Aphorismen Teil des Morgenessens, sind wir nun zu deutschen Gedichten übergegangen und befanden einstimmig, dass auch die sehr erbaulich sind. Heute durften wir mit Herrn Goethe frühstücken und sinnierten über dessen gemaltes Band.

Mit dem Gedicht liegen wir natürlich gut in der Zeit, spricht es doch den Frühling an und die damit verbundenen Gefühle. Goethe baut in seinem Gedicht eine Atmosphäre auf, welche malerischer nicht sein könnte. Junge Frühlingsgötter streuen Blumen auf ein Band, welches noch luftig ist. Damit soll das Band wohl gesegnet werden, das Bild erinnert an Blumenkinder bei einer Hochzeit. Alles ist noch klein und luftig, noch nicht gefestigt. Die Blätter sind klein, das Band ist luftig, die Frühlingsgötter jung. Das lässt auf eine noch junge Liebe schliessen, vielleicht erst eine Schwärmerei? Das passt zum Frühling, in welchem alles erwacht, Blumen und Liebe.

Das Gedicht geht nun weiter und die Geliebte wird zum ersten Mal erwähnt. Der Windgott Zephyr soll ihr Kleid dem Blumenband umschlingen, so dass sie, munter und jung wie sie ist, so geschmückt vor den Spiegel treten kann. Dort sieht sie, selber einer Rose gleich, sich mit andern Rosen umgeben. Die Rose als Königin der Blumen kann hier als Metapher gelesen werden, indem sie ihre Schönheit, ihre Würde an die Geliebte abgibt. Diese ist die Königin des Herzens des Verliebten, welcher nur schon durch einen Blick auf sie Glück empfindet und dem Leben dankt dafür.

Nach dem Frühling, den Göttern, den Rosen und mittendrin der rosenhaften Königin des Herzens spricht Goethe nun die Geliebte selber an und fordert sie auf, zu sehen, was er für sie fühlt. Er bittet sie um ihre Hand und wünscht sich ein Band, das stärker ist als dieses erst hingeworfene Rosenband, welches luftig, schön, jung ist. Diese Strophe zeigt die Ernsthaftigkeit der Gefühle, die Tiefe, zeigt den Wunsch nach Bestand, nach Fortdauer. Was im Frühling beginnt, soll das Jahr erleben, in den Sommer, Herbst und Winter gehen.

Schön, den Tag mit so wunderschönen, poetischen Gedanken zu beginnen. Danke, Herr Goethe!

Zum nachlesen:


Mit einem gemalten Band

Kleine Blumen, kleine Blätter

Streuen mir mit leichter Hand

Gute junge Frühlingsgötter

Tändelnd auf ein luftig Band.



Zephyr, nimm's auf deine Flügel,

Schling's um meiner Liebsten Kleid!

Und so tritt sie vor den Spiegel

All in ihrer Munterkeit,



Sieht mit Rosen sich umgeben,

Selbst wie eine Rose jung.

Einen Blick, geliebtes Leben!

Und ich bin belohnt genung.



Fühle, was dies Herz empfindet,

Reiche frei mir deine Hand,

Und das Band, das uns verbindet,

Sei kein schwaches Rosenband!

(J.W. von Goethe, 1749 - 1832)

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