Sonntag, 1. Juli 2012

Freiheit und Einsamkeit




Udo Jürgens singt "du sagst, du bist frei und meinst dabei, du bist alleine". Ist der Preis für Freiheit Einsamkeit? Ist die Suche nach Freiheit ein Weg, der in die Einsamkeit führt? Führen muss?
Ich bin ein Mensch, der immer viele Freiheiten suchte im Leben, Zwänge mied, Druck auswich. Ich liebte die Freiheit, das zu tun, was ich tun wollte, suchte die Unabhängigkeit, weil sie mir genau das ermöglichte. Das Gefühl der Einsamkeit ist mit wohlvertraut. Es kommt immer mal wieder hoch. Wie eine Welle schwappt es über mich. Nimmt mich ein. Ist das der Preis, den ich zahle für meinen Lebensweg?

Rousseau schrieb, der Mensch sei frei geboren, liege aber überall in Ketten. Woher rühren diese Ketten? Sie sind, so Rousseau, dem Umstand geschuldet, dass Menschen widersprüchliche Bedürfnisse haben,  die sich gegenseitig stören. Das macht aus dem von Natur aus guten Menschen böse Menschen in der Mehrzahl, weil sie anfangen, sich sowohl gegenseitig als auch selber zu hassen. Die Ketten, welche der Staat errichtet, dienen dazu, das Zusammenleben so zu regeln, dass es friedlich sein kann. Dazu bedarf es einiger Ketten, denn die Bedürfnisse und Interessen des Einzelnen sollen zum Wohle des Kollektivs (und damit auch des Einzelnen) im Zaume gehalten werden.

Was bedeutet nun also, wenn einer Freiheit will? Er muss sich aus dem Kollektiv entfernen, weil er sich mit der absoluten Freiheit von allen Ketten, Zwängen und Regeln nicht mehr ins Gefüge einpassen lässt. Und er will sich ja nicht einpassen, er will die Ketten sprengen. Beim Sprengen muss er sich bewusst sein, dass er damit auch die Gemeinschaft sprengt. Und dann ist der Preis die Einsamkeit.

Gibt es einen Mittelweg? Ein bisschen Freiheit für weniger Einsamkeit? Oder ist man am Schluss immer alleine? Vermisst man als Individualist in den Ketten die Freiheit und in der Freiheit die Gemeinschaft? Um in der Gemeinschaft ein wenig Sehnsucht nach der Einsamkeit zu spüren, die doch auch ihre schönen und guten Seiten hat? Ist das die ewige Suche nach dem, was fehlt? Oft spüren wir das, was fehlt, deutlicher als das, was ist.

Östliche Philosophien werden nicht müde, zu propagieren, dass man diese Sicht umkehren solle. Im Jetzt leben, das sehen, was ist, das geniessen, was ist, dafür dankbar sein. Der Ansatz ist sicher gut und richtig, doch was, wenn der Mangel schreit? Wenn er drückt und presst und manchmal fast erdrückt? Kann ich das einfach abstellen und mich dem Sein zuwenden? Wäre das nicht auch eine Art Selbstverleugnung, die mich von mir weg brächte? Wäre ich dann wirklich zufrieden, wäre ich dann wirklich ich? Oder gehört es einfach zu meinem Naturell, zu sehnen?

Goethe schrieb:

Nur wer die Sehnsucht kennt,
Weiß was ich leide!
Allein und abgetrennt
Von aller Freude,
Seh ich ans Firmament
nach jener Seite.
Ach! Der mich liebt und kennt,
Ist in der Weite.
Es schwindelt mir, es brennt
Mein Eingeweide
Nur wer die Sehnsucht kennt
Weiß was ich leide!

Er spricht von Sehnsucht und damit verbundenem Leiden, er spricht von Einsamkeit, weil der Geliebte weg ist. Er spricht vom Brennen in ihm drin, das die Sehnsucht entfacht. Und ich könnte wetten, er spürte genau diese Sehnsucht, dieses Brennen, als er dieses Gedicht schrieb. Und hätte er die Sehnsucht nicht, hätte er das Leiden nicht, wäre uns ein Gedicht (und wohl so manches andere Gedicht und Werk) verloren. Es wäre schade drum. Und so hat wohl auch die Sehnsucht ihr Gutes, auch wenn der Preis das Leiden und damit nicht gering zu schätzen ist.

Alles im Leben hat seinen Preis, man ist immer selber in der Lage, zu entscheiden, ob man ihn zahlen will. Diese Entscheidung zeigt auch, wie wichtig einem etwas ist - je nachdem, ob man sich dafür oder dagegen entscheidet, den Preis zahlt oder verzichtet.

2 Kommentare:

Thomas hat gesagt…

Freiheit versus Einsamkeit impliziert schon eine Einschränkung des Freiheitsbegriffs. Was da als Freiheit gemeint ist, ist wohl das Single-Dasein. Und die mit Einsamkeit gleichzusetzen passt auch nicht so wirklich, finde ich.
Beides sind Gefühle – und wie oft fühlen sich auch Paare, die eigentlich sehr eng zusammenhängen, einsam. Das Problem ist doch eher, dass wir es nicht schaffen, unsere Gefühle zu teilen. Wenn wir das können, wenn wir Gefühle teilen können und die, mit denen wir es teilen uns das Gefühl geben, uns zu verstehen fühlen wir uns nicht einsam. Das ist unabhängig vom „Beziehungsstatus“ (wie das in Facebookzeiten wohl heisst). Um diese Nähe zu erreichen ist eine Beziehung hilfreich, aber nicht zwingend notwendig, denke ich.
Und Freiheit? Bedeutet das „tun können, was ich will“? Dann gibt es keine Freiheit.
Kurz: Ich finde diese Gegenüberstellung nicht sehr sinnvoll, weil sie sich selbst bzw. eine ganze Reihe von Annahmen darüber, was „Freiheit“ und was „Einsamkeit“ meint voraussetzt.

Cosima hat gesagt…

Du unterstellst mir und dem Text Hypothesen, die da nicht stehen. Du liest sei rein und folgerst daraus. Das sehe ich so nicht.

Absolute Freiheit gibt es wohl nicht, nein, sie wäre eine Freiheit von allem und damit ein Recht auf nichts, ein luftleerer Raum. Freiheit landläufig ist wohl wirklich der Gedanke, das zu tun, was man gerade will, dem zu folgen, was einen gerade treibt.

Einsamkeit habe ich nie mit Singlesein gleichgesetzt. Ich denke, EInsamkeit ist immer nur mit dem verbunden, der sie spürt, unabhngig von seinem Status. Wie du auch sagst, kann man sowohl als Single wie auch als in einer Beziehung lebender Mensch einsam sein, sich so fühlen. Oft ist es auch nur ein momentanes Gefühl, das aus eigenen Gedanken entsteht.

ich denke nicht, dass man ständig und immer in Verbindung mit einem anderen Menschen sein kann, so harmonisch und toll die Beziehung auch sein mag. Man bleibt immer ein eigenes Wesen mit eigenen Träumen und eigenen Wünschen. Und die können einen auch ab und an in Gedankenwelten entführen, die einen einsam fühlen lassen. Der andere kann da wenig dazu beitragen, das sind die Dinge, die man selber mit sich klären kann. Er kann da sein, aber nicht die Einsamkeit nehmen, das kann man immer nur selber.

Ob die Gegenüberstellung sinnvoll ist oder nicht, war nicht die Frage. Es war eine Gegenüberstellung, die ich aus einem Gefühl heraus gewählt habe und worüber ich geschrieben habe. Für mich stimmte sie so, Wertungen finde ich überheblich, Meinungen sind willkommen und gerne gelesen, denn sie regen an.