Donnerstag, 2. Februar 2012

Niemand tut es, alle machen mit

Kürzlich in einem Elternforum kam es zur Frage, wie oft und wie lange kleine Kinder anderer Mütter fernsähen. Die Antworten kamen wie aus einem Munde: Kaum bis nie. Wenn, dann höchstens kurz und das auch nur alle Schaltjahre mal. Ich frage mich, wieso es ein so ausgedehntes Kleinkinderprogramm im Fernsehen gibt, wenn niemand das schaut. Oder schauen die Eltern heimlich Teletubbies, während die Kinderchen sich mit Holzklötzchen und Holzpuppen die Zeit vertreiben? Ich fragte mich dann, wo in der Realität all diese Vorzeigemütter versteckt sind, denn in der freien Wildbahn sind mir diese ach so pädagogisch wertvollen Mütter nie untergekommen.

Ich habe ja den starken Verdacht, dass diese Mütter die Frauen der Männer sind, die nie Blick lesen und auch noch nie einen Playboy in der Hand hatten. Die beiden Medien werden ja auch nie gekauft, haben aber reissenden Umsatz. Die Welt ist verrückt. Ich frage mich, wie die Konzerne das machen, dass die nicht reihenweise Konkurs anmelden müssen mit all ihren nicht berücksichtigten Produkten.

Oder - ich trau es mich fast nicht zu sagen: sollte das vielleicht doch nicht die ganze Wahrheit sein und die Kinder sitzen doch vor dem TV? Und sollten vielleicht all die NZZ-Leser unter dem Deckmantel der NZZ-Frontseite etwa den Blick versteckt haben? Und wo hält sich wohl der Playboy versteckt? Im Schutzumschlag von "Schöner Wohnen"? Oder "Leichte Küche frisch gekocht"? Sollte es wirklich sein, dass Menschen sich so darstellen, wie sie sich gerne sähen? Arte schauend, über Quantenphysik und Epikuräer diskutierend statt über das Wetter und die nächste WM? Und: was bringt das den Menschen, die das (hypothetischer Weise, das ist ja alles blosse Theorie und nie nie nie nie nie nie Realität) so täten? Sind sie mehr Wert? Für wen? Die andern? Sich selber? Sich selber ja kaum, denn sie wissen ja (sorry, wüssten) um die Lüge. Sie wüssten, dass alles nur eine Vertuschung von Tatsachen ist.

Nehmen wir an, sie lügen sich ein in ihren Augen ehrwürdigeres Ich zusammen: Wieso schämen sie sich für ihr eigenes? Was lässt sie denken, nicht geliebt, nicht geachtet zu werden, wenn sie zu sich stünden? Eigentlich traurig, wenn man sich selber als nicht Wert genug achtet, sich nicht so geben kann und zu geben traut, wie man wirklich ist, mit all seinen Seiten, Facetten, Schwächen und Stärken. Sie sind es doch, die den Menschen ausmachen, ihn zu dem machen, was er ist, wie er ist. Und die erst offen legen, mit wem man es zu tun hat. Wen soll man lieben, wenn nicht den wirklichen Menschen? Ein Bild? Und was, wenn die Farbe abblättert?

Drum stehe ich dazu, ich höre nie nie nie Schlager, nie nie nie Schnulzen, ich höre Rammstein, Wagner und Stan Getz. Immer. Lese nur Goethe und habe noch nie den Blick Online gelesen. Nein, Pfui. Ich schaue nur hochstehende B-Movies und lache eigentlich selten, es gibt keine philosophisch hochstehenden Witze und alles drunter geht gar nicht. Und nun liebt mich. Nun müsst ihr mich lieben, denn ich bin doch nun gut.

Vielleicht ist ja alles auch ganz anders und ich liebe alles, was das Herz zum Schmelzen bringt, seien es rührende Komödien, dazu passende Musiktitel, die - ich lernte es vor Kurzen - alle gleich anfangen, lese täglich meinen Blick und fühle mich pudelwohl. Also ich liebe mich so.

Keine Kommentare: