Montag, 7. November 2011

Wahrheiten

Wieso lügt der Mensch? Und wieso ist Wahrheit so wichtig?

Die zweite Frage ist wohl einfacher zu beantworten: Wahrheit ist eine Art Sicherheit. Wenn man die Wahrheit weiss, weiss man - denkt man - woran man ist und kann Wege finden, damit umzugehen. Der Mensch strebt nach Wissen, blosser Glaube ist zu unsicher und Nichtwissen kaum auszuhalten oft. Klar gibt es unbequeme Wahrheiten - Wahrheiten, die sowohl für einen selber wie auch für den anderen schmerzhaft sind und die man lieber vermeiden würde. Man denkt, wenn man dem anderen etwas sagt, tut man ihm damit weh und lässt es drum lieber bleiben. Man denkt, den anderen beschützen zu können, wenn man die Wahrheit für sich behält. Ist das wirklich so?

Thomas Mann sagte mal, eine schreckliche Wahrheit sei besser als eine Lüge. Ich stimme dem zu. Denn die Wahrheit ist das, was ist. Selbst wenn man sie verschweigt, ist sie trotzdem noch da. Weiss man sie, kann man sie lernen zu akzeptieren, kann lernen, damit umzugehen, kann sich überhaupt überlegen, was man mit dieser Wahrheit anfangen will, wie damit umgehen. Diese Möglichkeit fehlt, weiss man die Wahrheit nicht. Dann hängt man in einer Luft aus Wolken, die nicht tragen. Man wägt sich in einer Scheinsicherheit, die nicht existiert und der Fall am Ende ist um Welten grösser, als wenn man die Wahrheit gleich gewusst.

Wenn man das nun aber weiss, wieso lügt man doch? Wieso setzt man den anderen einer Unwahrheit aus, im Wissen, wie das auf einen selber wirkt und was man selber sucht? Die Welt scheint aus Lug und Betrug zu bestehen. Menschen machen sich grösser, schöner, besser, betrügen ihre Partner, gehen Nebenbeziehungen ein. Natürlich immer mit den notwendigen Rechtfertigungen dafür, so dass sie in ihrem Tun nicht ganz so schlecht dastehen. Gründe gibt es immer. Man ist eigentlich unschuldig, der andere hatte vorher schon - drum darf man ihn nun belügen und betrügen. Man hat Angst, eine schlimme Kindheit, Wünsche, die sonst zerbrechen würden... Gründe für Lügen gibt es viele, meist sind sie vordergründig und dahinter steht purer Egoismus. Und Verantwortungslosigkeit. Man will die Konsequenzen für das, was ist oder was man tut, nicht tragen und greift zur (Not)Lüge. Wieso aber tut man das jemandem an, wenn man doch weiss, wie es sich anfühlt, belogen zu werden? Wieso verletzt man Menschen so? Hintergeht sie? Denn schützen tut man sie nie mit einer Lüge - meist nur sich selber und die eigene Feigheit.

Bin ich nun Moralist und überhaupt abgefahren, das nur schon zu fragen? Ist das einfach ein Zeichen der Zeit oder gar der Menschengeschichte und so hinzunehmen? Muss man damit leben, zu denken, dass man ständig und von allen Seiten nur angelogen wird oder zumindest werden könnte? Worauf soll man dann noch bauen?

Dass die absolute Wahrheit und Offenheit auch nicht nur Glück und Freude bringt, weiss man spätestens seit der Traumnovelle - es stellt sich also schon die Frage, wo Offenheit aufhören sollte und wo man besser schweigt. Auf der anderen Seite wird man nur dann wachsen - auch zusammen wachsen, wenn man lernt, Wahrheiten zu ertragen - die eigenen und die der anderen. Auch wenn es vordergründig einfacher und schöner scheint, sich in einer Scheinwelt zu bewegen - für sich und für andere.

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