Sonntag, 4. März 2012

Grenzen und die persönliche Freiheit

Eine 66jährige Frau kriegt Zwillinge. Wenn die 20 sind, ist die Mutter (sofern die Natur es gut mit ihnen meint) 86.Darf sie das? Was treibt sie? Kinderliebe? Nächstenliebe? Geht hin und pflanzet euch fort (die Gute war auch noch Pfarrerin)? Egoismus?

Ist ein Mensch frei, das zu tun, was er will, was ihm im Sinn steht? Hat er nicht auch die Pflicht, die eigene Freiheit dann zu beschränken, wenn das Wohl anderer davon abhängt? Doch: weiss man um das Wohl der anderen wirklich? Kann man das abschätzen oder ist es nur eine spekulative Grösse, die man in die Waagschale wirft beim Abwägen der eigenen Freiheit? Hat diese Grösse dann genug Gewicht, dem Drang und Hang nach Freiheit entgegenzustehen? Geht sie nicht unter, klang und sanglos? Ohne grosses Gewicht, als leiser Einwurf nur?

Wo fängt meine Freiheit an und wo hört sie auf? Ist ein Recht auf alles wirklich ein Recht auf nichts, wie Hobbes schon sagte? Kant stimmte ihm dabei zu. Hobbes sah die so rechtlos gewordene Gemeinschaft als Krieg aller gegen alle, weil keiner sich mehr sicher fühlt, weil jeder die Gefahr der Rechte des andern ist. In der östlichen Philosophie ist der Mensch von Natur gut, in gewissen Philosophien wie dem Tantra gibt es gar nur Gutes, alles ist Gut im Ursprung. Woher kommt dann das Böse? Aus unserer Wahl, wie wir agieren? Wer bestimmt die Verhaltensgrundsätze? Sie sind doch vom Menschen gemacht. Und das meist aus Gründen heraus. Seien sie der Gemeinschaft zu dienen oder aber dem eigenen Wohl - welches immer im Zusammenspiel mit dem Wohl anderer steht. Insofern ist der andere immer die Grenze meiner eigenen Freiheit. Da ich ohne den andern auch nicht glücklich lebe, vor allem, wenn ich denken muss, dass ich eben auch nicht die Grenze seiner Freiheit bin.

Jeder braucht seinen Raum und hat ein Recht darauf. Dieser Raum fängt in einem selber an und dehnt sich aus bis zum Raum des nächsten. Ab und an können sich zwei Räume überschneiden, ohne Probleme, weil beide dasselbe wollen, sich in dem Miteinander im Raum wohl fühlen. Wenn dem nicht so ist, gilt es, die eigenen Grenzen zu respektieren und auch die des nächsten. Dem anderen seine Grenzen aufzuzeigen, wenn er die eigenen durchdringt sowie auf die des andern Rücksicht zu nehmen und sie nicht achtlos zu überschreiten.

Das klingt in sich logisch, ist aber oft nicht so einfach, da mit all den Räumen auch Gefühle einhergehen. Einer möchte näher zum andern, als der das erträgt. Der fühlt sich bedrängt und hat nun drei Möglichkeiten: Die Bedrängnis still auszuhalten, sich in sich selber zurückzuziehen und die Grenzen näher zu nehmen oder aber dem andern die Grenzen aufzuzeigen. Beim letzten hat er Angst, den andern zu verletzen, im wahrsten Sinne des Wortes zurückzustossen, im ersten Fall hat er Angst, sich selber zu verlieren und im mittleren wird es immer enger und enger, bis man ausbrechen will.

Es führt also wohl doch nichts daran vorbei, die eigenen Grenzen zu achten und dazu zu stehen. Sich auch zu fragen, wieso andere verletzt sind, wenn sie auf solche Grenzen hingewiesen werden und woher die Angst vor dem eigenen Feiheitsverlust rührt. Wieso klingt es ab un an bedrohlich, nicht einfach alles zu können und zu erreichen, was man will? Wieso fühlt man sich zurückgestossen, wenn der andere seine eigenen Grenzen nennt und diese eingehalten wissen möchte? Und wieso sind die nicht erreichbaren Freiheiten oft verlockender als all das, was erreichbar ist? Was hängt am Wörtchen Freiheit dran, dass es so verlockend scheint, unbedacht, dass eine Freiheit auf alles eigentlich gar keine Freiheit, sondern Gefahr bedeutet? Der lockende Geruch der grossen weiten Welt. Alles ist möglich und ich kann es haben. Das klingt toll, das klingt gross. Allerdings ist der Klang noch nicht das Leben und die Realität besteht aus mehr als Tönen.

Wenn man lernt, die Grenzen zu achten, tun sich innerhalb dieser Grenzen ungeahnte Freiheiten auf, die geschützt und sicher sind, Glück bringen. Grenzen kann man ausloten, abtasten, ab und an ausweiten, ab und an auch wieder zurück nehmen. Jeden Tag von neuem. Ganz bei sich, ganz mit sich. Und im Respekt zu sich, seinem Umfeld und das Leben.

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