Sonntag, 18. März 2012

Wieso will Mensch eine Beziehung leben?

Ganz früher wurden Beziehungen aus strategischen Gründen eingegangen: um Familien zu vereinen, Gelder zu sicher, sonstige finanzielle Geschäfte zu tätigen. Auch später noch waren Beziehungen eher strategisch und gehörten wohl irgendwie auch zum guten Ton. Frauen waren Mütter, Familienfrau, der Mann sorgte für das Auskommen.

Die Frauen wurden im Zuge der Emanzipation immer selbständiger, die Familienmodelle sind längst überholt, denkt man. Ehen sind nur noch Kurzzeitprojekte, Partner werden auf Lebensabschnitte aufgeteilt. Wieso geht man heute überhaupt noch Beziehungen ein? Jeder trägt sich eh alleine. Ohne Mensch an der Seite ist man frei, kann tun und lassen, was man will. Kann flirten, den Stuhl kaufen, der einem gefällt. Die Ferien buchen, die man selber genau möchte. Hat seine Ruhe, wenn man sie will, hat Abwechslung, wenn man sie sucht. Wieso also eine Beziehung heutzutage? Der Ernährer ist überholt, den braucht man nicht mehr als Frau. Der Mann braucht keine Haushälterin mehr. Kinder wachsen eh oft in neumodischen Verhältnissen auf...

Wieso also? Statistisch ist erwiesen, dass Beziehungen öfter scheitern als halten, Ehen halten sich knapp die Waage. Und nicht alle Beziehungen sind glücklich, hört man so rum, hört man viel Geklage, Gejammere, Streitereien. Wieso tut man sich das an? Nur, um nicht alleine zu sein? Um der gesellschaftlichen Norm zu genügen, die den Menschen als Paarwesen sieht? Weil auf Einladungen steht "Partner mitbringen" und man nicht alleine gehen will, weil man dann so aussähe, als ob man keinen abkriegte? Um nicht Mutters Kommentar zu hören "Kind, wieso hast du nie eine Beziehung?"? Um nicht die mitleidigen Blicke der Pärchen zu ertragen und das Mitleidsprogramm geliefert zu kriegen? Um nicht dazustehen am Sonntag, wenn alle Händchen haltend am Ufer des Sees promenieren und man selber alleine lang geht, nicht mal nen Hund zum knutschen dabei hat?

Was, wenn man gerne alleine ist? Was, wenn man eh nicht an Einladungen gehen will? Was, wenn man keinen See hat, an dem man promenieren könnte? Was bliebe noch als Grund? Es muss einen geben, sonst strebten nicht alle nach Beziehungen. Klar sind die Glücksmomente zusammen schön. Klar die Ideale hoch. Die romantischen Filme im TV geben das ihre dazu. Doch schon Tucholski wusste, dass da, wo der Ärger anfängt, die Filme enden...

Also, ihr Leute da draussen, sagt es mir: wieso haben wir Menschen Beziehungen, wieso wollen wir diese haben?

5 Kommentare:

bre hat gesagt…

Es geht nicht nur um Zärtlichkeit, klar alles hat mit Sexualität zu tun. Unser Leben ist ja schliesslich Grund genug.

Aber Geborgenheit durch Vertrauen ist wohl in unserem Rebtilienhirn gespeichert ;-)

Wie soll ich bloss Zärtlichkeit, Sexualität und Vertrauen verbinden wenn da ein wilder Wechsel herrscht?

Auch ein interessantes Thema wenn es um die Nestwärme beim heranwachsenden Kind.

biostratus hat gesagt…

siWas sagt die Biologie? Viel von unserem Verhalten wird von unserem Unterbewusstsein gesteuert, und dies basiert auch auf vielen Jahren der Evolution. Beziehungen (ob jetzt kurz oder lang) sind elementar das wir überhaupt existieren. Experimente zeigten dass Säuglinge ohne Beziehungen sich nicht zu lebensfähigen Kindern entwickeln können. Je mehr in die Entwicklung des eigenen Nachwuchses investiert werden muss - desto intensiver ist das Bedürfnis nach Beziehung (Vergleich von Insekten zu Säugetieren) und sozialem Verhalten.
Wieso aber wünscht sich der Mensch eine stabile und dauerhafte Beziehung - nicht nur wegen der evolutionären Strategie? Aus meiner Sicht gehören Vertrauen und Kooperationsbereitschaft bei der Lösung von Konflikten und Problemen dazu - die Hoffnung dass gemeinsam eben solche Konflikte und Probleme anders zu lösen oder auch nur zu ertragen sind - schwere Last ist einfacher zu tragen auf 2 Schultern.
Die von dir beschriebenen Glücksmomente dürfen sicher nicht weggelassen werden - und sind sicher auch ein Teil unseres Motivationssystemes des Verhaltens.

Gilt jetzt aber der Satz - Zusammen kann mehr erreichen als alleine? Aus meiner Sicht ja - wenn sichergestellt ist das jedes Individuum für sich nicht zu viel aufgeben muss für die gemeinsamen Ziele und Wünsche - die Investition in ein Zusammen für jeden Partner nicht die eigenen Ziele und Wünsche dauerhaft einschränkt, der gemeinsame Lebensraum das Bedürfnis nach individuellem Rückzugsraum nicht verhindert. So besteht aus meiner Sicht die Basis - welche ein Beziehung ermöglicht mit Perspektiven und ungeahnten Möglichkeiten. Eben eine Wunschbeziehung und nicht Zweckbeziehung selbst in der jetzigen Zeit mit immer mehr Individualismus.

Cosima hat gesagt…

Dann erwächst also der Wunsch nach Beziehung quasi aus der Aufzucht als Säugling? Gibt es aber nicht auch Säugetiere, die sehr umsorgt und behütet sind, über Jahre, die den Verband nie verlassen und die trotzdem keine Beziehungen im Sinne wie wir sie führen haben? Die dann eher in Verbänden (was man beim Menschen vielleicht mit einem sozialen Umfeld vergleichen könnte) als in Zweiergruppen leben? Und sind nicht Enten ein Leben lang treu? Oder waren es andere Vögel?

Selbst wenn wir mal die biologische Sicht gelten lassen, sie erklärt es noch nicht ausreichend. Dann kommen wir zum geteilten Leid und den Glücksmomenten: braucht es dazu einen Partner? Reicht ein Freund (oder mehrere Freunde) nicht aus? Sie tragen ja auch mit bei Problemen, sie sind auch da.

Ihr beide nennt Vertrauen: das braucht es auch in Freundschaften, es wird aber bei einem Bruch nicht sooo schwer verletzt wie in einer Zweierbeziehung. Dazu kommt, dass Freundschaften teilweise ein Leben lang halten, viel länger als jede Beziehung.

Um doch nochmals zur Biologie zurückzukommen und zum Kindervergleich: Nestwärme... in wie vielen Beziehungen herrscht die wirklich? Wie viele sind nicht einfach nur über Jahre bestehend, ohne so etwas wie Wärme, Zärtlichkeit, ohne all die romantischen Wünsche und Hoffnungen nur ansatzweise erfüllen zu können? Ist es nicht mehr die Hoffnung und der Idealismus, der uns antreibt denn die wirkliche Erfahrung aus dem eigenen Leben oder aus dem, was wir rundum wirklich sehen? Hängen wir nicht an BIldern, die wir aufgebaut haben aus Sehnsüchten, sehen das bei anderen Paaren, weil die nach aussen oft nur das zeigen, was wir eben auch sehen wollen? Klar ziehen wir unser Kind auf. Geben ihm das Zuhause, die Nestwärme. Aber dafür haben wir uns einmal entschieden, wir machen das drum auch weiter. Wir können nicht plötzlich sagen: so, ich mag nun nicht mehr, es war schön mit dir, Kind, die letzten 5 Jahre, aber nun passt das für mich nicht mehr (ok, sogar das gibt es, aber da sind die Hürden dann doch gross). Bei einem Partner kann man das. Das stellt eine andere Basis dar. Und gerade in Zeiten herausgestrichener Inividualität und Selbstverwirklichungszwang mit der dazu kommenden Selbständigkeit beider Geschlechter wird das zur potentiellen Abschussrampe - ständig... das schürt Unsicherheiten und das lässt auch die Kompromissbereitschaft schwinden. Und das produziert Stress. Wieso sich den also antun?

biostratus hat gesagt…

Ist nicht unsere Fähigkeit Freundschaften zu pflegen eine Voraussetzung für überhaupt eine Partnerschaft eingehen zu können - Wie du schreibst - bereits Freundschaften zeigen ja Eigenschaften wie Sympathie, Vertrauen, und Achtung. Freundschaften können ja auch Bedürfnisse abdecken welche du ja selber beschreibst - aus meiner Sicht aber nicht alle, die eine Partnerschaft ausmachen.
Eine Partnerschaft ist aus meiner Sicht eine höhere Ebene als Freundschaft - mit mehr Inhalten. Das ganze ist komplexer und bedarf mehr Aufwand von jedem einzelnen. Dadurch ist eine Partnerschaft durchaus mehr potentiellen Stress, Unsicherheiten und Verlusten ausgesetzt als eine Freundschaft.
Doch eben die höhere Ebene - die zusätzlichen Inhalte - die machen es aus dass der Stress genommen werden soll - dass mit der Zeit der Stress einer Gewissheit Platz macht - und der bestätigten Liebe und nicht nur der Verliebtheit. Auch wenn es mehrerer Anläufe bräuchte - sie sind es wert.

Cosima hat gesagt…

Entdecke ich da den Romantiker hinter dem Biologen? ;)

Danke für deine Worte - sie sind sehr schön. Ja, es ist eine höhere Ebene, gerade drum ist wohl auch der Fall tiefer, wenn es eben nicht klappt, wenn man eben enttäuscht ist. Und ab und an fehlt die Kraft für den zusätzlichen Stress. Und doch sehnt man sich ja danach - das liegt wohl irgendwo tief drin im Menschen, sonst wäre die Liebe nicht Thema Nummer 1 in Liedern, Büchern, Filmen.

Und wie heisst es so schön - auch in meinem Motto: Ohne Liebe ist alles nichts.