Dienstag, 26. Juni 2012

Klassensystem bei Schweizer Bürgern?

Die SVP hat eine neue Idee: Künftig sollen die Schweizer nach Urschweizern und Eingebürgerten unterschieden werden. Damit das besser geht, soll ein Vermerk in den Pass. Man hätte sich in der Schweiz die Probleme eingebürgert, da Menschen mit Migrationshintergrund mehr Sozialhilfe empfingen, mehr Delikte verüben. Überspitzt gesagt: Alles Schlechte kommt von aussen. Und dem will man nun mit Statistiken auf den Leib rücken. Hätte man die klare Sichtbarkeit über die Herkunft der Menschen, könnte man die prozentuale Beteiligung an den Fällen statistisch darstellen und in der Folge besser fassen.

Die Idee an sich weckt schon schlechte Gefühle. Es klingt nach staatlichem Abstempeln von Menschen, nach Kategorisierung in Menschen erster Klasse und Menschen zweiter Klasse. Wagt man einen Blick in die Geschichte, verstärken sich die Gefühle: Stempel in Pässen... das hatten wir schon einmal. Die Juden im Dritten Reich wurden auch damit bedacht. Jeder als Jude definierte Mensch musste im Pass einen Stempel tragen. Das reichte bald nicht mehr. Das nächste war die Armbinde. Was schwebt der SVP da vor? Binden mit Schwarzen Schafen?

Was aber soll mit den so gebrandmarkten passieren? Dass es nicht bei der Statistik bliebe, liest man fast zwischen den Zeilen, denn eine Papierstatistik alleine hilft noch nichts. Es mag zwar nett sein, Diagramme zu zeichnen, Vergehen und Herkunft miteinander in Verbindung zu setzen und daraus farbige Kuchenstücke zu kreieren. Das alleine wird auf Dauer nicht reichen. Die weitere Folge könnte ein Vorstoss sein, Bürgerrechte wieder zu entziehen. Nur: das könnte man sogar ohne Stempel im Pass. Mit einem Gesetz im Stil von "Wenn ein Eingebürgerter innerhalb einer Frist straffällig wird, verliert er seine Bürgerrechte." Das wäre heikel. Das im Kollektiv zu machen wohl noch mehr. Der Justizdirektor Martin Graf tendiert zu dieser Annahme (laut Tagesanzeiger). Das war auch mein erster Gedanke.

In Anbetracht der staatspolitischen und staatsrechtlichen Überlegungen sehe ich dies allerdings als (so hoffe ich doch) schwer umzusetzen. Ich denke eher, es ginge dann um eine noch viel höhere Schwelle bei der Einbürgerung. Hätte man erst schwarz auf weiss, was man gerne so hätte (und man kriegt fast jedes Resultat statistisch hin, wenn man nur die Fragestellung entsprechend legt und die Auslegung den eigenen Zielen folgend formuliert), wäre wohl der nächste Schritt, die nun als These vorgelegte Behauptung "Wir haben uns die Probleme eingebürgert!" (Zitat von SVP-Parlamentarierin Barbara Steinemann im Zürcher Kantonsrat am 25. Juni 2012) als Begründung dafür zu nutzen, dass Einbürgerungen viel härteren Kriterien ausgesetzt werden müssten. Das ist ja schon lange Ziel der SVP und wird in stark SVP-lastigen Gemeinden schon so ab und an sp praktiziert.

All die Spekulationen über mögliche Folgen ungeachtet, bleibt zu sagen: Eine solche Motion, wie sie die SVP im Zürcher Kantonsrat vorbrachte, ist ein grosser Schritt in eine Ecke, die bedenklich ist. Dies nicht nur wegen der Assoziationen zu einer der schwärzesten Zeiten der europäischen Geschichte, sondern schon aus ethischen Gesichtspunkten. Die Motion führt zur Brandmarkung von Menschen, teilt diese in Klassen ein. Es wäre dann nur ein echter Schweizer, wer als solcher geboren wurde, der anfere ein Schweizer zweiter Klasse quasi. Klar kann die SVP dagegen halten, das hätten sie nie so gesagt und es sei ein Schuft, wer so denke. Die Geschichte der SVP und ihr Gedankengut und ihre Parolen sprechen eine deutliche Sprache, die diesen Schluss durchaus zulässig machen - fast schon nahelegen. Dass eine Partei wie die Grünliberalen sich an diesen Karren anhängen, lässt diese noch junge Partei in einem sehr schlechten Licht erscheinen. Schade drum. Ich hoffe, es finden sich genug Parteien, die vehement dagegen sind. Es wäre bedenklich, mit solchen Zeichen und solchem Verhalten im Ausland gesehen zu werden.

Zur selben Zeit findet man bei Twitter eine Meldung eines SVP-Politikers, der Moscheen und die Kristallnacht innerhalb von 160 Zeilen in Beziehung setzt. Der klare Wortlaut ist Streitsache und liegt bei der Staatsanwaltschaft. So oder so: schaut man auf die Geschichte der letzten Jahre in dieser Partei, so stehen schon grosse Fragezeichen am Firmament. Ist das tragbar? Ist das das, was mit Meinungsfreiheit toleriert werden muss? Kann man ein Recht, das entstand, um eben Randgruppen und Minderheiten zu schützen vor der Unterdrückung der grossen und starken Stimmgruppen, darauf verwenden, genau gegen diese kleinen Gruppen zu schiessen und zwar auf eine Weise, die deren Persönlichkeitsrechte verletzen? Mein Fazit bleibt: bedenklich und beängstigend.

1 Kommentar:

Thomas hat gesagt…

Was erwartest Du von der SVP?
Im Prinzip ist das, was OLAF (satirisch) vorbringt das, was die SVP seit langem fordert. Glücklicherweise ist das dann selbst dem typischen SVP-Wähler zu extrem.