Mittwoch, 6. Juni 2012

Abu Jahia al-Libi - Mord oder Notwehr?

Wieder hat mich ein Blog zum Nachdenken gebracht. Die Gedanken sind noch nicht ausgereift, sondern eher spontane Durchzüge durch meine Gehirnwindungen. Aber vielleicht regen sie den einen oder anderen auch zum Nachdenken an und wer weiss, vielleicht kriege ich die eine oder andere Resonanz, die mich wieder anregt? Denken im Austausch führt in meinen Augen weiter als das Denken im stillen Kämmerlein. Das ist eher ein Selbstgespräch und führt - man sah es in Sils Maria - oft in unerwünschte Abgründe der menschlichen Psyche, die auch Krankheit genannt werden.

Abu Jahia al-Libi ist tot. Der Tagesanzeiger berichtete darüber und mein Freund Thomas entsetzte sich in seinem Blog über die Handhabe der Amerikaner, deren Präsident Friedensnobelpreisträger ist und bewilligte, dass ein Mensch ermordet wird. Hat er damit ein Menschenrecht verletzt? War es verwerflich? Ein nicht zu rechtfertigender Übergriff, der das Grundrecht eines anderen auf Leben torpedierte? 

 Es ist ein schwieriges Thema. Ich war mal an einer Wissenschaftlichen Arbeit dran, die untersuchen sollte, ob humanitäre Einsätze in besetzten Staaten nicht die Souveränität des Landes untergraben. Und ob man sie trotzdem rechtfertigen kann. Die erste Frage, die sich dabei stellt: Was ist ein humanitärer Einsatz? Welche Einsätze kann man mit moralischen (so klingenden?) Argumenten hinreichend begründen, dass man die Souveränität eines anderen Landes aushebeln kann?

Der hier Ermordete hat sich mehrfach gegen die USA ausgesprochen. Propagierte Angriffe, die mehrere Tote in den Staaten zur Folge hätten. War es Notwehr? Im weitesten Sinne? Ist es legitim, dass er deswegen auf der Abschussliste stand? Im zivilen Recht wäre es das in der Schweiz nicht, der Abschuss sicher nicht, nicht mal eine Sanktion sonst. Keine Strafe ohne Tat. Und vor allem "Nulla poena sine lege" - keine Strafe ohne Gesetz. Es müsste erst was passieren und das müsste einen rechtlich verankerten Tatbestand erfüllen.

Was aber, wenn die Drohnungen in diesem Falle wahrgemacht worden wären? Ein neuerliches 09/11? Wären die Stimmen nicht laut, es sei angekündigt gewesen, wieso man nichts gemacht hätte?

Wer ist Täter? Wer ist Opfer? Sind die Bösen die, die ihr Land schützen? Sind die Mittel zu grob? Was wären angebrachte Mittel? Was hinreichende? Ist das Opfer der nun Tote? Hätte er das Menschenrecht auf das eigene Lebens gehabt und das hat man bösartig genommen? Hat er im Gegenzug Menschenrechte geachtet? Hat seine Organisation es je getan? Aber gilt deren Haltung als Entschuldigung? Auge um Auge, wie du mir, so ich dir?

Ich denke, es ist ein schwieriges Problem, dem man mit ein wenig Entsetzen und Schuldzuweisungen nicht Herr wird. Thematisieren muss man es aber und nachdenken drüber auch. ICH kenne keine Lösung und keine Antwort. Wer kennt sie wirklich? Ich bin aber sicher, im Diskurs kommt man ihr näher. Und dazu sind solche Gedankenanstösse super.

7 Kommentare:

biostratus hat gesagt…

Die Diskussion darüber ob gerechtfertigt oder nicht hatten wir hier in den USA auch grad... Ist ein heikles Thema. Ist die gezielte Tötung eines Diktators wie Hitler gerechtfertigt? Eines anderen? Wie sieht es aus mit Bomben im Krieg - die sind ja gezielt... Darf nur eine Nation sagen wir haben Krieg? Was war das was die Fanatiker gegen USA gerufen (und auch gezeigt) haben? Eigentlich ja auch Krieg... sogar noch ein heiliger (welch Blödsinn).
Sollten die Amis lieber flächendeckend Bomben in Afghanistan und Pakistan abwerfen - und viele Zivilisten riskieren? Oder schüren solche Aktionen nicht einfach weiter den Konflikt und es kommen wieder Gegenreaktionen?
Schweizerische Tradition sei ja - vermitteln und Kompromisse zu finden. Hier sind wohl beide Seiten (Fanatiker da, keine Nation - Fanatiker auf der anderen Seite, eine grosse Nation) nicht zu Kompromissen bereit. In meinem Haus würde ich beiden sagen - so - ihr seit nicht mehr meine Gäste.
Leider funktioniert dies hier nicht.

headroom hat gesagt…

es gibt diverse friedensnobelpreisträger die eigenhändig menschen vertrieben haben und truppen angeführt haben die menschen erschossen haben. und danach präsidenten israels geworden sind. da hat aber kaum einer im westen ausgerufen. weil die israelis die welt über die shoah in geiselhaft genommen haben.

die usa tut das gleiche. was unternimmt china in tibet und gegen das eigene volk? was passiert in saudi arabien? genozid brasiliens an indigenen völkern. und was alles in afrika alles abgeht, davon weis hier kaum wer etwas. ausser es tangiert unsere rohstoffversorgung.

punktuelles ausrufen und fingerzeigen kann es nicht sein wenn man was verändern möchte. jeder hat die wahl. an der wahlurne wem er seine stimme gibt, oder selber in die politik gehen. doch das ist ebenfalls ein drecksgeschäft in dem man schnell korrumpiert werden kann, wenn man als mensch nicht erwachsen und integer geworden ist.

wenn man sich schon ereifert, dann ganzheitlich. und nicht nur wenn die usa in einem fernen land ihre politik durchboxt. wären sie nicht da wären dort die taliban die kinder, jungs und mädels, jedoch mehr jungs sexuell missbrauchen würden, weil es dort traditionell eher so ist das kleine jungs sexuell ausgebeutet werden. mädchen dürften nicht in die schule und würden wirtschaftlich ausgebeutet. und als ware behandelt. es würde auch keiner danach krähen, wenn sie dann ein mann im suff, oder aus einer miesen laune heraus einfach umbringt und nicht mal dafür eine winzige strafe bekommen würde. aber man würde wohl hier als einer der erregten sagen, das sie halt jetzt so leben wie sie es wollen. auch wenn dem gar nicht so ist. die taliban wurden herangezogen. von den usa. sie wurden so stark unterstützt das sie die militärisch stärkste macht innerhalb einer stammesgesellschaft wurden. und macht korrumpiert. und wenn man nur einseitig die kriegerischen fähigkeiten gefördert hat und die bildung nicht. dann kommt das nicht gut. kam es nie.

man kann es drehen und wenden wie man möchte. wenn man überall genau hinschaut, dann kommt immer was raus was ganz und gar nicht menschlich ist. auch bei uns hier in der schweiz. oder bei thomas in deutschland. aber schaut man zuhause wirklich richtig hin? selten.

ps: nicht gegen gelesen und somit mit fehlern versetzt. ;)

Cosima hat gesagt…

Danke für diese Kommentare.

Bio, du hast schon recht, im Kleinen könnte man einfach die Türen schliessen. Im grossen geht das nicht. Das Mass des Mittels ist die Frage und was die Alternative wäre. Würde man sie kennen, würde man sie einsetzen. Der Tod eines Einzelnen Anführers scheint mir - auf die Schnelle gesagt - das kleinere Übel als die ziellose (wenn auch als gezielt deklarierte) Abwerfung von flächendeckenden Bombem. Es wird ein neuer nachwachsen, aber nicht unendlich lange. Und es ist einer, der führend war, nicht einer, der mit nichts zu tun hatte.

Headroom, auch dir danke. Ich sehe es gleich wie du. Man ist so schnell dabei, theoretische Konstrukte anzuwenden und dann unter ihrem Deckmantel den Finger zu heben. Wie man selber praktisch handeln würde? Steht gar nicht zur Debatte. Das ist auch bei der AUseinandersetzung mit vergangenem Unrecht so, nehmen wir nur die Shoah. Wie schnell ist man dabei, alle Deutschen zu verdammen als Tätervolk. Wer weiss, was man selber getan hätte als Deutscher damals? Wäre man wirklich in den Widerstand? Aus dem zeitfernen Sofa lässt sich das schnell als richtiger Weg aufzeigen, im Kriegsgeschehen selber ist es etwas anders.

Thomas hat gesagt…

Mein Kommentar dazu

Thomas hat gesagt…

headroom:
Ich sehe kein Argument, nur die Aufforderung,
a) generell zu schauen
b) auch bei sich vor der eigenen Haustür
Dem kann ich mich anschliessen.

Bio:
Die Ermordung durch Drohnen tötet ja nicht nur die Zielperson, sondern im Schnitt noch 10 Unbeteiligte dazu.
Dass Abu Jahia al-Libi schuldig war wird einfach unterstellt - üblicherweise ist das Sache von Gerichten und nicht vom FBI.

Cosima hat gesagt…

Thomas: welches Gericht hättest du vorgeschlagen?

Thomas hat gesagt…

Der formell "richtige" Weg ist, dass ein Strafantrag beim US-Amerikanischen Bundesgericht gestellt wird (jedenfalls dem zuständigen für die vorgeworfenen Straftaten) und dieses anschliessend ein Rechtshilfeersuchen an die jemenitische Justiz stellt.

Nach Auslieferung von dem Onkel bekommt er ein reguläres Verfahren vor einem US-Gericht.