Freitag, 20. August 2010

Bürokratie lässt grüssen - oder: Macht der Formalitäten

Da schreibt man über 3 Jahre hinweg an einer Arbeit zur Erlangung der Doktorwürde. Oft zweifelt man, oft hadert man, ist nah am Aufgeben, beisst sich wieder durch und vollendet schliesslich das Werk. Geschafft. Denkt man. Wie naiv! Jetzt geht es erst richtig los. Formulare sind gefordert, welche persönlich aufs Büro gebracht werden sollen. Als Kind der technischen Errungenschaften moderner Zeiten versteht Frau das nicht und ruft auf besagtes Büro an, ob es wirklich notwendig ist, persönlich zu kommen, da a) der Weg weit und b) das Kind schulpflichtig ist, beides nicht mit den kargen Öffnungszeiten zusammen passt. Sie sind unerbittlich, einzige Möglichkeit: jemand anders könne für mich aufs Büro kommen und mich anmelden. Vorbei kommen muss jemand, Post geht nicht. Ob ich den Briefträger schicken könnte? Wohl kaum.

So lese ich also die Öffnungszeiten, packe Formulare und Kind ein und fahre in die Grossstadt meiner Alma Mater. Gemeinsam stapfen wir die Treppen hoch (ok, die Formulare werden nach wie vor getragen) und kommen ausser Atem vor der gewünschten Tür an, wo wir lesen: Wir sind umgezogen. Wir machen uns auf, die vielen gerade erklommenen Treppenstufen wieder hinunter zu steigen, um das Haus zu wechseln, da natürlich wieder in den obersten Stock zu laufen (viiiiele Treppen hinauf), wo wir an der Tür lesen dürfen: Unsere Öffnungszeiten haben geändert. Irgendwie lese ich Donnerstag nicht mehr als offenen Nachmittag - just der aktuelle Tag wurde eliminiert. Meine Laune - eh schon im Keller - hat bald Ölbohrniveau. Innerlich grummelnd, leise fluchend klopfe ich an die Tür, welche sich - Wunder über Wunder - auch öffnet und ein bekannter Kopf - Gott sei Dank - schaut raus. Die alten Öffnungszeiten würden noch bedient, meint die nette Dame, allerdings sei die zuständige Frau in der Mittagspause - mit unbekanntem Rückkehrtermin.

Es zeigt sich dann doch noch jemand, der zuständig ist und diese Frau setzt mich an einen Computer, welcher gerade hängt. Kann es ja mal geben. Ich soll meine Daten, die auf allen mitgebrachten Formularen auch stehen, neu eintippen. Gesagt getan. Der Computer hängt schon wieder, meine Daten sind verschwunden. Wenigstens nicht auf ewig, sie tauchen nach kurzem Zittern und Bangen wieder auf. Doch die nächste Hiobsbotschaft taucht schon auf: es fehlt noch ein Gesuch meines Professors für den 2. Referenten. Kann ja nicht angehen, dass eine Professorin einer anderen Uni einfach so, ohne Gesuch, an der hiesigen Uni referiert. Ich habe nun Gesuch an den Professor gestellt, ob er ein Gesuch stellen könnte.

Es scheint, man muss den Doktor hart verdienen. Formalismus heisst die hohe Hürde. Ich hoffe, ich knacke die auch noch.

Freitag, 6. August 2010

Vergangenheit, die nie vergeht

Alles hat seinen Preis im Leben, man hat nie alles. Die Kunst, glücklich zu sein, bedingt, den Fokus auf das zu richten, was man hat und nicht darauf, was einem fehlt. Man muss schätzen, was gut ist und damit den dafür gezahlten Preis akzeptieren und annehmen.


Wichtig ist vor allem auch zu sehen, was wirklich passiert im Leben, im Jetzt und was wir nur aus Mustern der Vergangenheit heraus interpretieren. Oft sehen wir Dinge, die gar nicht da sind, hören Dinge, die gar nicht so gesagt wurden, weil wir einmal erlebt haben, gesehen haben, gehört haben, was wir sahen und hörten und erlebten. Die Vergangenheit und ihre Erlebnisse haben ihre Spuren tief in unsere Seele gebrannt und wir geraten immer wieder in diese ausgebrannten Spuren. Fast wie Magnete ziehen sie unsere Sinne an und lassen uns reagieren, wie wir es tun.

Vergangenheit lässt Ängste entstehen, die uns im Umgang mit dem Leben und den Menschen vorsichtig machen. Aus diesen Ängsten heraus können wir nicht mehr frei auf andere zugehen, uns nicht mehr ganz auf sie einlassen. Wir bauen Mauern, behalten Abstand, versuchen, uns vor neuen Enttäuschungen zu schützen und produzieren gerade durch diese Distanz die nächste Enttäuschung, weil der andere sich durch unsere Distanz selber verunsichert fühlt und seinerseits auf Distanz geht.

Aber kann man einfach vergessen? Tabula rase und los geht es ohne irgendwelche Prägungen und Muster? Wohl kaum. Der Mensch wurde durch das, was er erlebte zu dem, was er ist. Vergangenheit prägt, Erinnerung bildet Identität. Wichtig ist aber, sich bewusst zu sein, was man tut, wie man reagiert und wieso man das tut. Indem man sich immer wieder fragt, wieso Gefühle aufkommen, wie sie es tun, wieso man reagiert, wie man es tut, werden wir uns unserer selbst und unserer internen Muster bewusst und können vielleicht ab und an Gegensteuer geben, wenn wir nur aus vergangenheitsbezogenen Ängsten heraus dabei sind, jemandem in der Gegenwart unrecht zu tun oder uns gar in unser eigenes Unglück zu stürzen.

Es ist immer wichtig, sich für die Gegenwart zu entscheiden. Die Vergangenheit können wir nicht mehr ändern, die Zukunft liegt nicht in unseren Händen, ist ungewiss, so viel wir auch in ihre potentielle Sicherheit stecken. Das einzige, was jetzt da ist und was wir wirklich in die Hand nehmen können, ist die Gegenwart. Und hier gilt es, uns zu entscheiden und nach diesem Entscheid zu leben. Dabei hat alles seinen Preis. Jeder Entscheid für etwas ist ein Entscheid gegen etwas anderes. Alles hat man nie. Aber was man hat, ist viel - wenn man es nur sieht und schätzt. Oft haben wir aber die Tendenz, dem nachzutrauern, was wir nicht (mehr) haben. Wir vermissen, was wir so gerne hätten und vernachlässigen dabei, was wir wirklich haben. Unser Unglück ist damit hausgemacht.

Glück ist: zu sehen, was man hat.