Montag, 30. Januar 2012

Wo sind meine Grenzen?

Als ich noch relativ frisch auf meinem Yogaweg war, musste ich feststellen, dass ich trotz einer sehr grossen Beweglichkeit Dinge nicht so hinkriegte, wie ich sie gerne gehabt hätte. Mein Rücken war das grösste Sorgenkind, durch eine leicht verschobene Wirbelsäule und heraustretende Lendenwirbel entsprach er nicht dem Rücken, den ich in den Stellungen gerne gehabt hätte. Während ich schon damals in der Theorie lernte, die Grenzen des Körpers zu achten, sich nicht gewaltsam in Stellungen zu quälen, den Körper zu schonen und gesund zu halten, habe ich in der Praxis alles ignoriert und gedrückt und gepresst, um ja diesen Rücken grad zu kriegen. Das ging auf Kosten des Muskelansatzes des Hinteren Oberschenkelmuskels (Hamstring), der sich entzündete - und nie mehr ganz heilte. Mein Bein ist seit da meine Erinnerung an eine schmerzhafte und nachhaltige Lehre - im Körperbereich. Ich erlebe diesen Ehrgeiz leider oft im Yogaraum, versuche dagegen anzureden. Der Leistungsdruck ist allerdings tief in den Köpfen verankert, es braucht Zeit, durch diese dichten Wolken durchzudringen und ich hoffe stets inständig, dass niemand die schmerzhafte Lehre mitnimmt nach Hause, die ich selber auf mich nehmen musste, um es zu erkennen. (Und erkannt zu haben hilft nicht immer, immun zu sein)

Grenzen gibt es aber nicht nur im Körper, sie sind auch im übrigen Leben allgegenwärtig: man stösst an die Grnezen der Kraft, wenn man sich zu viel auflädt, nicht auch mal nein sagen kann, man stösst an die Grenzen der Nerven, wenn kleine Kinder nie gehorchen wollen, nur herausfordern (tut meiner natürlich nie) und auch sonst igrnoriert man die eigenen Grenzen gerne mal, geht darüber hinweg und kriegt meist auf irgend einer Ebene die Rechnung dafür.

Grenzen sind wichtig. Sie sind Zeichen unseres Körpers und unseres Geistes: Bis hier hin und nicht weiter. Diese Grenzen sind variabel. Was heute geht, kann morgen nicht gehen. Und so wie ich mich heute über die erweiterten Grenzen freuen kann, sollte ich morgen die engeren Grenzen respektieren und mich danach verhalten. Der Mensch ist keine Maschine, die immer höher, schneller, besser sein muss, ungeachtet der Tagesform. Er ist kein Roboter, der auf eine spezielle Leistung gepolt ist, die er dann immer erreichen muss und kann. Komischerweise gelingt es uns leichter, zu akzeptieren, wenn wir mal weitere Grenzen haben als wenn sie enger sind. Wir fühlen uns in unserem Selbstwert besser, wenn wir mehr leisten, als wir schon einmal leisteten. Leistungserhalt ist immerhin noch gut, Abnahme wird bekämpft und nagt am Selbstwert.

Bin ICH wirklich weniger wert, nur weil ich heute eine Stellung schaffe, morgen nicht? Bin ich wirklich mehr wert, wenn ich die Agenda voll habe, verplant bin, mehr schaffe, als eigentlich rein geht? Und wieso habe ich das Gefühl? Wieso identifiziere ich mich so sehr mit dem, was ich erreiche, statt zu sehen, wer ich bin? "Wer" will das erreichen? Wirklich ich? Und wo mangelt es einem, wenn man diese Bestätigung sucht im aussen, sie braucht, um an den eigenen Wert zu glauben? Ich sage damit nicht, dass man keine Ziele haben soll, nicht an seine Grenzen gehen wollen soll. Im Gegenteil: man soll seine Grenzen suchen, ausloten, hinhören, wo sie sind. Man kann mit diesen Grenzen spielen, schauen, was geht, was möglich ist, aber auch eingestehen, wo es nicht möglich ist, wo die Grenze gesetzt ist und so stehen bleiben muss. Weil man heute an der Stelle steht, wo man ist. Und morgen ist ein anderer Tag, wer weiss, vielleicht geht es besser. Dabei ist nie wichtig, wo der Nachbar seine Grenze hat, wie tief er in eine Stellung kommt, wie viel er unternimmt, macht, kann. Wichtig sind wir selber und unsere eigenen Grenzen. Es ist nicht der Nachbar, der nachher leidet, wenn die eigenen Grenzen überschritten sind, das sind wir selber.

Indem wir selber auf uns und unsere Grenzen achten, zeigen wir uns selber, dass wir es wert sind, achtsam behandelt zu werden. Wenn wir ständig unachtsam mit uns umgehen, sprechen wir uns unseren Wert ab. Wie wollen wir von anderen dann erwarten, dass sie uns als wertvoll sehen und behandeln? Unser Wert kommt von uns selber. Nur wir können ihn uns selber zugestehen. Und indem wir uns als liebenswert erachten und liebevoll mit uns umgehen, werden auch die anderen Menschen uns so sehen und behandeln. Sei es dir wert!

Samstag, 28. Januar 2012

Alles ist möglich - Teil 2



In der letzten Zeit bin ich oft dem Satz "Man kann alles erreichen, wenn man es will" begegnet. Ich habe - noch immer - meine Zweifel, selbst wenn ich auch der Meinung bin, dass man mehr erreichen kann, als man sich oft zutraut. Zwischen alles und mehr liegt aber in meinen Augen ein grosser Unterschied und der Faktor Zeit spielt auch noch eine Rolle: Vieles ist möglich, aber nicht zu jeder Zeit. Und oft möchte man etwas jetzt, was jetzt eben gerade nicht möglich ist.

Gehen wir aber davon aus, dass alles - wirklich alles - möglich ist, dann müsste jeder den Spagat können. Zack - runter... Jetzt ist das wohl wenigen möglich. Aber lassen wir die Zeit im Spiel, man darf sich dahin üben. Klar kann man nun sagen, nicht jeder will den Spagat können, legitim, wozu auch. Nur: Grundsätzlich müsste es ja - wenn alle alles erreichen können - möglich sein, ihn zu schaffen.

Ich kann ihn - offensichtlich. Was ich nicht kann und gerne könnte, ist der Handstand... ich werde mit üben beginnen, wenn ich jeden, der mir weismachen will, dass ALLES möglich ist, im Spagat sehe :) Wobei ich beim Handstand glaube, dass ich ihn hinkriegen kann... irgendwie. Beim Spagat sehe ich da grössere Schwierigkeiten, aber ich bin ja eh der Zweifler bei "alles ist möglich".

Freitag, 27. Januar 2012

Alles ist möglich

In letzter Zeit stolpere ich oft über selbsternannte Alleskönner, die eine Welt propagieren, in der alles möglich ist, wenn man sich nur traut. Alle, die nicht alles als möglich erachten, sind nur noch nicht aufgewacht, verstecken sich noch in Scheinargumenten, sind nicht cool, sondern verklemmt, verstockt und überhaupt: im Irrtum.

Ich will die Welt, was kostet sie - das war es früher, heute kostet sie nicht mal mehr, man muss sie nur noch nehmen. Argumente dagegen werden mit hochgezogenen Augen quittiert: Wie kann man nur so begriffsstutzig sein? Trau dich. Nimm alles, was du willst. Jetzt.

Ich bin skeptisch. Und irgendwie ist mir diese Haltung zuwider. Sind das nun meine Widerstände? Will ich nicht glücklich sein? Trau ich mich nicht und suche drum Argumente? Hätte ich die ganz grosse Chance auf Glück und verspiele sie, weil ich eben nicht an das "alles ist möglich, man muss es sich nur nehmen" glaube? Wieso lösen diese ewig strahlenden, ewig positiv schreibenden Menschen so viel Argwohn in mir aus? Weil sie meiner Weltsicht entgegensprechen?

Ich denke auch, dass viel möglich ist. Auch ich denke, dass Energie Energie folgt und wenn ich etwas will und daran glaube, es sicher auch mit guten Energien gesegnet ist. Trotzdem bin ich nicht sicher, ob wirklich alles möglich ist. Bei vielem spielen zu viele Faktoren eine Rolle, als dass es immer auf die Weise enden kann, die man sich gerne wünschen würde. Gäbe es sonst so viele Scheidungen? Niemand glaubt am Anfang, da zu landen, niemand wünscht es sich. Und doch steuern so viele in diese Schiene. Und die meisten dieser Allesmöglichwelt sind sinnigerweise Single. Natürlich aus vollster Überzeugung und unendlich glücklich damit. Das möchte ich nie nie nie in Frage stellen. Nur kommt so ein weig das Gefühl auf, als ob das Allesistmöglich ein Mantel ist dafür, zuzudecken, dass eben nicht alles ganz so toll ist. Aber weil man schon alleine ist, kann man auch gleich die alleinseligmachende Welt für sich propagieren. Das ist doch der Vorteil des Alleineseins: Man kann, wie man will. Man kann, ohne Rücksicht nehmen zu müssen. Einfach ich - und wie ich will - und was ich will - und wann ich will. Wäre da noch wer, wäre vielleicht nicht mehr alles genau so möglich. Man müsste vielleicht auch Rücksicht nehmen. Aber das wäre ja öde. Wo bliebe da die Glücksspirale?

Auf alle Fälle oute ich mich in solchen Kreisen immer als Spassbremse und frage mich langsam: Wieso tue ich mir das überhaupt an? Wieso habe ich das Gefühl, solchen Menschen meine Meinung sagen zu wollen? Weil ich schlecht einfach auf den Mund sitzen kann, wenn sich in mir Widerspruch regt? Aber bringt es was? Das sind wohl die Tücken des Internet - man trifft auf Menschen, mit denen man im realen Leben nie könnte und liest dann Argumente, die man nicht teilt. Aus der realen Welt ist man gewohnt, Stellung zu beziehen, weil der Mensch im Diskurs wächst. Bei so divergierenden Welten ist das allerdings kein Wachsen mehr, sondern nur noch Treten an Ort - für alle Beteiligten. Schön wäre bei allem Allesistmöglich etwas mehr Toleranz für andere Weltsichten. Aber das scheint dann nicht möglich - da die eigene als die richtige Sicht gesehen wird.

Donnerstag, 26. Januar 2012

Egoismus oder wenn Seelen brechen

Cosima fragt sich, wieso Menschen sich selten überlegen, was sie anderen zufügen mit ihrem Verhalten. Sie fragt sich weiter, wieso sich meist jeder selber der nächste ist und ungeachtet der Konsequenzen mit andern Menschen umspringt, grad wie es ihm passt. Menscheseelen sind verletzlich, aber wenn dann eine leidet, ist sie selber schuld, weil zu sensibel für diese Welt. Und die, welche zerbrechen an der Welt, sind die Kranken, auf denen man dann wegen ihres Krankseins rumtrampelt, während die Egoisten munter ihres Weges gehen und weiter Menschenseelen mit Füssen treten.

Ist das die Welt, die wir haben wollen? Oder spricht der Winterblues aus mir? Oder ist der Mensch - wie Hobbes schon sagte - von Natur böse und gemein? Das hätte ja schon Gott in Genesis 6.5 gesehen, als er feststellte, dass die Bosheit des Menschen gross sei. Vielleicht geht im Dezember die Welt nicht ganz unter, sondern eine Flut schwemmt alle weg - um dann mit einer neuen Arche etwas Neues entstehen zu lassen? Ob das dann besser ist? Wie man sieht, kam es nicht besser...

Oder gäbe es einen Ausweg? Wie könnte er aussehen, so dass er realisistisch ist?

Wie einer wird was einer ist

Wie werden wir zu dem, was wir sind? Durch das Leben selber? Man sagt, das Leben sei der beste Lehrer. Wenn man genau hinschaut, sind es meist die negativen Erlebnisse, die, welche weh tun, welche einen hart herausfordern, die einen auch mal auf den Boden werfen, welche einen weiter bringen. Wenn wir nämlich erst mal liegen, sehen wir zurück und schauen, wo wir gefallen sind. Wir schauen, was wir getan haben, um zu fallen, was uns passiert ist, wie wir hätten den Fall vermeiden können und was wir in Zukunft anders machen können. Das heisst nicht, dass wir dann nie mehr fallen, aber wir haben das nächste Mal ein Aha-Erlebnis beim Fallen und vielleicht sogar ein Déja-Vu-Erlebnis. Been there, done that. Let's do it again.

Aus Fehlern soll man lernen, heisst es. Was aber, wenn man ohne einen Fehler zu machen, fiel? Was, wenn man über ein falsches Spiel des andern stolperte, über zu grosses Vertrauen von einem selber oder zu viel Glauben an das Gute im Menschen? Ist das so falsch? In der heutigen Zeit vielleicht schon. Vielleicht zu allen Zeiten. Aber ist es als Menschenart falsch, das Gute im Menschen zu sehen und daran zu glauben, dass Menschen gut und ehrlich sind? Wohl kaum. Und doch fällt man damit bisweilen auf die Nase. Und wenn man dann zurück schaut, merkt man, dass man es insgeheim schon vorher wusste. Man sieht, dass man schon lange durchschaut hatte, was eigentlich ist, doch über dieses innere Gefühl hinweg ging.

Was also hat man aus dem Leben gelernt, wenn man immer in dieselben Fallen tappt? Trotzdem viel über sich selber. Und manche Fallen lernt man mit der Zeit zu umgehen, andere schnappen öfter zu. So oder so ist das Leben ein stetiges Vorwärts, das mit jedem Schritt ein paar Erkenntnisse mehr in den Rucksack packt, so dass sich dieser immer mehr füllt. Und aufgrund dieser Erkenntnisse stellt man Weichen, schlägt man Wege ein, setzt man sich Ziele und geht den Weg, der einem gangbar erscheint. Und immer wieder gibt es Momente, in denen man denkt: so wie ich bin, bin ich gut, das Leben, das ich führe, ist ein gutes Leben. Der Weg dahin war immer genau der Weg, den man ging. Also seien wir dankbar für alle Lehren, die wir zogen, für alles, was wir mitnahmen auf unserem Weg, denn all das führte uns dahin, wo wir heute stehen.

Es wird auf dem weiteren Weg noch manche neue Lehre geben, auf manche würden wir wohl gerne verzichten, hätten den Weg gerne eben und freudig, voller Sonne und Blumen am Wegesrand. Und doch gehören auch Steine auf einen Weg, wird es auch mal Wolken geben, Gewitter gar. Sie alle machen den Weg lebendig, machen ihn zur Herausforderung und lassen uns an einen neuen Punkt gelangen, wo wir wieder sehen: es ist gut, wie es ist und ich bin genau hier, wo ich sein soll. Weil ich den Weg ging, mit allen Facetten, mit allem, was auf einen Weg gehört.

Mittwoch, 25. Januar 2012

Auf der Suche

Zenshos Gedanken für heute: "Du suchst und suchst und weisst nicht, wonach du suchst. Du erkennst nicht, dass das, was du suchst, der eigentliche, allerinnerste Antrieb deines Suchens selbst ist. Es ist dein wahres Selbst, das überlagert ist von der Wahnvorstellung eines Ego mit seiner erlebten Welt. So ist jedes Suchen im Äusseren eine durch dein Nichtwissen bedingte Fehlinterpretation dessen, was du wirklich suchst."

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Wie oft denken wir, dass wir zufrieden sind, wenn wir nur etwas bestimmtes erreichen oder haben. Die Objekte der Zufriedenheit sind vielfältig:
"Wenn ich nur endlich abgenommen habe, werde ich glücklich sein."
"Wenn ich meinen Traummann gefunden habe, bin ich zufrieden."
"Wenn ich endlich einen Job habe, bin ich zufrieden."

Die Liste könnte unendlich erweitert werden. Schaut man aber zu den Menschen, die schlank sind, die einen Job jaben, die einen Traummann haben (oder etwas, das danach aussieht :) ), so sind sie selten einfach nur zufrieden oder glücklich, sie suchen wieder etwas anderes. Angekommen in der Zufriedenheit ist niemand durch diese äusseren Dinge. Sie verschaffen zwar eine kurze Befriedigung, auch ab und an ein Glücksgefühl, wenn man ganz bewusst hinschaut auch ein Gefühl der Dankbarkeit. Anhaltend zufrieden ist man aber nicht durch sie.

Wieso suchen wir also im Aussen nach der Zufriedenheit, wenn wir eigentlich wissen, dass sie da nicht zu finden ist? Die Antwort liegt auf der Hand: da schaffen wir es einfacher, ein wenigstens vorübergehendes Geüfhl davon zu erhaschen, wie es wäre, wenn wir zufrieden sind. Es ist eine Befriedigung, die zwar nicht anhält, aber im Moment des Seins gut tut, schön ist, erstrebenswert ist. Und weil es so schön ist, streben wir immer wieder danach, es zu verwirklichen, indem wir im Aussen weiter suchen, neue Punkte anstreben, die uns dieses Gefühl verschaffen. Und indem wir in diesem Aussen verhaftet sind, vernachlässigen wir das, was der eigentliche Ort der Zufriedenheit wäre, unser Inneres. Da ist alles bereits vorhanden, das wir im Aussen suchen. Nur in uns drin werden wir den Grund für Glück und Zufriedenheit finden, alles ist schon da. Wir müssen es nicht suchen.

Um das zu sehen, müssten wir uns aber ganz auf uns besinnen und in uns selber hineinhören. Das macht manchmal Angst, weil man nicht weiss, was man findet und weil man im Laufe der Zeit so weit von sich selber weggerannt ist. Zudem klingt es auch unvorstellbar und irgendwie komisch: In dir liegt das Glück, es ist schon da. Wieso spüre ich es denn nicht? Wie soll das gehen? Erklären kann man es schlecht, es gibt Ansätze, die eine Ahnung geben, aber gehen muss den Weg jeder selber. Nur ein selber erfahrener Weg ist einer, der etwas zwigt, Buchwissen hilft da nicht. Ein erster Anfang ist geschaffen, wenn man sich bewusst ist, dass man selber alles in sich trägt, man selber in seinem Sein schon alles hat und nichts mehr suchen oder erreichen muss, sondern ganz bei sich bleiben. Das hat nichts mit Egoismus oder Egozentrismus zu tun, sondern mit dem Bewusstsein für das eigene Sein als Teil das allumfassenden grossen Seins. Indem wir uns als Teil wahrnehmen eines Ganzen, werden wir lernen, dass es gar nichts geben KANN, das wir noch haben müssen, um glücklich zu sein, wir sind schon ganz.

Montag, 23. Januar 2012

Frühstück at Cosima's

Mutter Cosima liest beim Frühstückstisch dem Filius aus Zenshos Worten eines Erwachten vor über die geistige Verblendung: "In Wahrheit nimmst du aber nur scheinbar mit den Sinnesorganen etwas Äusseres wahr, denn Raum ist nichts weiter als Projektion des Bewusstseins." - Kindchen hält inne, schaut sein Honigbrot an, sagt: "Das stimmt nicht, das Brot gibt es.", beisst genussvoll rein und schaut mich triumphierend an beim Kauen. :)

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So sehr ich Zenshos Worte teile im Sinn, so wenig konnte ich dem Kind widersprechen. Wenn wir etwas sehen, lässt sich sagen, es kann die Färbung unserer Augen sein. Schon Kant sagte: Wenn du etwas Grünes siehst, weisst du nicht, ob es wirklich grün ist oder dein Auge eine grüne Glasscheibe. Wenn wir etwas hören, könnten wir es auch nur in der Vorstellung hören. Die Schallwellen sind leichter als nur vorgestellt zu denken als etwas, was wir fühlen. Dasselbe gilt bei Reflexen, Sinnesreizen wie Speichel (Pavlov) und ähnlichem. Aber wie steht es beim Berühren? Das erscheint uns irgendwie wirklicher als das Gefühlte, Gehörte, Gesehene. Was die Hände spüren, das ist unumstösslicher wahr als alles andere. Wieso geben wir dem Tastsinn die Oberhand über die anderen Sinne? Wieso ist er wahrer als jeder andere?

Wenn alles Energie ist, alles nur der eine Geist, wir alle eines sind und alles nur Energie ist, die in verschiedener Materialisierung auftritt, sei es als Schallwellen, sei es als Rauch, Flüssigkeit oder noch dichter als Körper - dann ist alles Energie in Bewegung und damit gleich wahr. Die Frage ist aber: wo findet die Materialisierung statt? Nur in unserem Geist/Bewusstsein oder eben doch ausserhalb? Und wenn nur im Bewusst sein, läge dann, dass wir alle dasselbe sehen (oder zu sehen glauben, denn wissen, was der andere sieht, tun wir nich), daran, dass wir alle eins sind und darum dem gleichen Bewusstsein verbunden?

Und so könnte ich nun weiter zerpflücken und tiefer gehen und jedes einzelne Wort erneut auf die Goldwaage legen, um am Schluss am selben Punkt anzulangen: Die Welt ist der Spiegel unseres Bewusstseins. Erklären kann man es nicht, man muss es fühlen.

Niemand sagte, es sei leicht. Ab Morgen lesen Filius und ich die Hatha Yoga Pradipika - und ich bin gespannt auf unsere Gespräche.

Sonntag, 22. Januar 2012

Gespräch der Zwillinge

Kürzlich las ich eine Geschichte, die mich berührte. Hier die freie Nacherzählung der Geschichte von Henry Nouwen:

Ein ungeborenes Zwillingspärchen unterhält sich im Bauch der Mutter.
„Sag’ mal, glaubst Du eigentlich an ein Leben nach der Geburt?“ fragt der eine Zwilling.
„Ja, auf jeden Fall! Hier drinnen wachsen wir und werden für das, was draußen kommen wird, vorbereitet“, antwortet der andere Zwilling.
„Ich glaube, das ist Blödsinn!“ sagt der erste. „Es kann kein Leben nach der Geburt geben – wie sollte das denn bitteschön aussehen?“
„So ganz weiß ich das auch nicht. Aber es wird sicher viel heller als hier sein. Und vielleicht werden wir herumlaufen und mit dem Mund essen?“
„So einen Unsinn habe ich ja noch nie gehört! Mit dem Mund essen, was für eine verrückte Idee. Es gibt doch die Nabelschnur, die uns ernährt. Und wie willst du herumlaufen? Dafür ist die Nabelschnur viel zu kurz.“
„Doch, es geht bestimmt. Es wird eben alles nur ein bisschen anders.“
„Du spinnst! Es ist noch nie einer zurückgekommen nach der Geburt. Mit der Geburt ist das Leben zu Ende, Punktum.“
„Ich gebe ja zu, dass keiner weiß, wie das Leben nach der Geburt aussehen wird. Aber ich weiß, dass wir dann unsere Mutter sehen werden, und sie wird für uns sorgen.“
„Mutter???? Du glaubst doch wohl nicht an eine Mutter? Wo ist sie denn bitte?“
„Na hier – überall um uns herum. Wir sind und leben in ihr und durch sie. Ohne sie könnten wir gar nicht sein!“
„Quatsch! Von einer Mutter habe ich noch nie etwas bemerkt, also gibt es sie auch nicht.“
„Doch, manchmal, wenn wir ganz still sind, kannst du sie singen hören. Oder spüren, wenn sie unsere Welt streichelt.“

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Wenn wir die hergebrachten Vorstellungen loslassen und darauf vertrauen, dass mehr existiert als das, woran wir haften, wird das Leben freier und damit entspannter, glücklicher. Erst wenn wir das Haften am Leben loslassen können, wird es erst lebenswert und kein von Angst geprägtes Dasein, welches in allem, was wir tun, die Angst vor dem Ende in sich trägt. Denn wer weiss: vielleicht ist das Nachher viel wunderbarer? Grösser? Vielleicht sind wir erst in der Vorbereitung auf diese nächste Stufe? Wissen tun wir es nicht, aber der Gedanke, dass wir nur ein Teil eines grosssen Ganzen sind, dass wir selber ewig sind in diesem Ganzen, gibt dem Leben ein Stück Gelassenheit. Und Frieden.

Die Welle fragte den Ozean: "Wer bin ich?" - Der Ozean antwortete: "Du bist ich?" Und genau so sind wir zwar einzelne Wellen, aber als solche Wellen immer Teil des Ganzen. Und fühlen ab und an das sanfte Streicheln und die wärmende Hand.

Kommunikation und moderne Technologie

Wir sind vernetzt. Ständig und überall. Selbst auf dem Klo sind wir erreichbar, Handy sei dank. Sogar Mails können wir da runterladen und beantworten, können an Konferenzschaltungen teilnehmen, doppelte Sitzung quasi. Wo wir gehen und stehen - die ganze Welt ist mit uns, Facebook sei dank. Alle wissen nun, wo wir sind, was wir da machen, wir wissen, wem das alles gefällt. Die Welt wird zum Dorf, wir zu Big Brother und Big Sister. Big Family quasi. Nun wäre es müssig, sich darüber zu unterhalten, ob das nun sinnvoll ist oder überflüssig, jeder hat ein Stück weit selber in der Hand, wie weit er sich darauf einlässt. Gewisse Dinge sind aber fast unausweichlich, da sie von der Gesellschaft immer mehr gefordert werden. Kein Handy - geht nicht. Keine Mailadresse? Ein mitleidiger Blick.

Diese ständige Erreichbarkeit hat durchaus Vorteile: in Notfällen kann man schnell reagieren, man kann verabredungen unkompliziert treffen, man muss keine weiten Distanzen mehr zurücklegen, um andere zu treffen, Kommunikation wird einfacher. Denkt man. Die erleichterte Kommunikation scheint die früher bekannten Anstandsregeln ausser Kraft gesetzt zu haben - oder zumindest in Zweifel gestellt. Während die einen noch immer denken, dass Fragen nach einer Antwort verlangen, die man auch fristgerecht gibt, verlaufen andere Fragen im Nirvana, der Fragende sitzt und wartet und hat keine Ahnung, was denn nun ist, weil die Antwort ausbleibt. Der Umstand, dass man weiss, dass die Frage angekommen ist, gelesen wurde, macht dieses Warten nicht angenehmer, sondern noch fragwürdiger. Wieso kommt keine Antwort? Kein Interesse? Keine Zeit kann es nicht sein, denn ein SMS dauert max. 1 Minute - und wer keine einzige Minute frei hat - der müsste sich dringend mit seinem Zeitmanagement auseinandersetzen.

So oder so lösen diese Verzögerungen schlechte Gefühle auf - Unsicherheiten über den eigenen Stand und den des anderen. Dazu kommt die Unsicherheit, was denn nun eigentlich gefordert wäre in der neuen Kommunikation? Ob die eigenen Ansprüche zu hoch geschraubt sind? Und was man dann den eigenen Kindern noch beibringen soll? "Wenn ich dich was frage? Nein, du brauchst nicht antworten, das kannst du auch morgen noch tun..." ??? Das wäre nicht meine Welt - und sie wird es - Technologie hin oder her - nie sein. Ich mag eine Kommunikation, die gegenseitig ist und die funktioniert. Wenn jedes Mal eine Unsicherheit auftaucht, man ständig auf den anderen wartet, dann passt die Kommunikation nicht. Nicht weil einer richtig, einer falsch ist, sondern weil die beiden Modelle nicht übereinstimmen und so Unstimmigkeiten vorprogrammiert sind. Am Anfang ist es ein inneres Grollen, von dem man ablässt, wenn die Antwort da ist, es wächst weiter, zum Vorwurf: wieso antwortest du mir nie? Geht weiter hin zu: du sprichst nicht mit mir und geht hin zu einem Gefühl von Vernachlässigung, Trauer, Wut. Beim andern kommt erst Druck, das Gefühl, ich mache es nicht richtig, noch mehr Druck und am Ende Ärger, Frustration und auch Trotz. Alle Gefühle sind nicht gesund - weder für den einzelnen Menschen noch für die Beziehung der beiden.

Kommunikation ist wichtig - und dabei auch, dass zwei Menschen die selben Ansichten von derselben haben. Lässt sich kein Weg finden, der für beide passt, wird es schwer - wenn nicht unmöglich.

Mittwoch, 18. Januar 2012

Wenn Träume wahr werden

Träume sind Schäume sagt ein Sprichwort. Verträumte Menschen werden belächelt und fast schon mitleidig als "Träumer" betitelt und überhaupt ist Träumen was für die, welche es nicht besser wissen. Oft wird Träumen als Gegenteil von Achtsamkeit betrachtet, was aber so nicht stimmt. Achtsamkeit ist eine Art, ans Leben heranzugehen mit wachem Geist, bewusst, im Moment verhaftet. Achtsam sein heisst, hinzuschauen, auf sich, auf andere, auf das Leben. Es heisst, nicht die Augen zu verschliessen vor dem, was ist, was mit einem passiert, wie man selber ist, handelt, fühlt. Achtsamkeit ruft auf zum Leben im Moment, ganz bei sich, in Wahrhaftigkeit und Ehrlichkeit sich selber gegenüber und den andern gegenüber. Aber auch in solchem Achtsamsein kann man Träume haben. Wünsche, wie das Leben weiter gehen soll, Ziele, die man gerne erreichen möchte. Man kann achtsam in sich hineinhören, wo die Träume herkommen, ob es wirklich eigene Träume sind oder solche, die man anderen erfüllen will. Man kann achtsam hinhören, ob die Träume einem überhaupt entsprechen, man selber sich sieht im Traum oder aber das, was man denkt, sein zu müssen/sollen in der Gesellschaft, für die Eltern, für den Partner, für die andern.

Und wenn man dann dahin kommt, zu sagen: Das ist mein Traum, da will ich hin, das ist mein Ziel, dann geht es darum, den Traum zu entschäumen, ihm Hand und Fuss zu geben, einen Boden, ein Fundament. Dazu hilft es, in Schritten vorwärts zu gehen, denn auch Rom wurde nicht in einem Tag erbaut:

1. Mach dir eine genaue Vorstellung: Wo will ich hin, was will ich erreichen, wie sieht mein Ziel genau aus. Stelle dir vor, wie es ist, wenn das Ziel erreicht ist, wie sieht es aus, wie fühlt es sich an, was machst du dann mit diesem Ziel. Stelle dir dich vor nach Erreichen des Ziels, male alles farbig aus, stelle es dir plastisch vor.

2. Step back: Nun lauf von dem Ziel zurück zum Heute, um zu sehen, welche Schritte dich zu diesem Ziel führen. Schaue hin, was dir auf dem Weg zurück begegnet und zeichne so einen Weg auf, der zu diesem Ziel hinführt. Dazu hilft es, Zwischenziele zu formulieren.

3. Zeitrahmen: Um nicht ins Uferlose zu fallen, setze Fristen für die Zwischenziele, definiere, wann du was für dich erreicht haben willst, kannst, was realistisch ist beim Erreichen der Zwischenziele und des Endzieles.

4. Fühle deine Ziele: Lies dir deine eigenen Ziele laut vor und höre in dich hinein: Fühlt sich das gut an? Ist das wirklich realistisch? Glaubst du dran? Willst du es?

5. Hole Hilfe: Erzähle Menschen, von denen du weisst, dass sie hinter dir stehen, von deinen Zielen. Hole Hilfe bei Leuten, die helfen können, sei es mit guten Gedanken (positive Energie zieht positive Energie an), sei es mit aktiver Hilfe und Hilfeleistungen.

6. Hinterfragen: Stelle deine Ziele immer wieder in Frage: Stimmen sie noch, sind es noch Ziele oder hast du dich verändert? Ziele müssen nicht in Stein gemeisselt werden. Die fortschreitende Erkenntnis kann auch Verschiebungen mit sich bringen. Das ist der Fluss des Lebens und starres Festhalten wäre hinderlich.

Und dann geh - geh den Weg und schreite vorwärts. Mit Vertrauen in dich und deine Kraft. Mit Zuversicht, das Ziel erreichen zu können und mit Freude, den Weg gehen zu dürfen. Und langsam siehst du die Träume wahr werden, Schritt für Schritt. Und jeder Schritt gibt ein gutes Gefühl und lässt dich wachsen. Lässt dein Vertrauen in dich selber wachsen. Träume sind keine Schäume, sie können dein Leben sein. Lebe deinen Traum.

Dienstag, 17. Januar 2012

Vom Leiden

Ich leide, also bin ich. So könnte man teilweise denken, funktioniert das Leben. Irgendwas lässt uns oft leiden, lässt uns unzufrieden sein mit dem Augenblick, der Situation, in der wir stecken. Wir denken dann, das Leben sei schwierig, wir leiden unter Ängsten, unter Sorgen, Nöten. Wir sind enttäuscht oder sehen unsere Erwartungen nicht erfüllt. Wo kommt dieses Leiden her?
Patanjali nennt in seinen Yoga-Sutras (II,3) fünf leidvolle Zustände: Nichtwissen, Ichgefühl, Begierde, Hass und Lebenstrieb. Diese fünf Zustände teilt er weiter ein in intellektuelle, emotionale und instinktive.

Nichtwissen oder der Mangel an Weisheit (Avidya) gehört zu den intellektuellen Leiden. Dabei handelt sich aber nicht um Buchwissen, welches mangelt, sondern es ist die Erkenntnisfähigkeit an sich, welche nicht da ist, das spirituelle Wissen, welches fehlt. Man wendet sich dabei falschen Göttern zu wie Materiellem, wie Dingen der äusseren Welt, statt sich auf sich und das Sein zu besinnen und der wahren Erkenntnis nachzuforschen.

Ichgefühl oder Egoismus (Asmita) gehört ebenfalls zu den intellektuellen Leiden. Paart sich das mangelnde spirituelle Wissen mit Hochmut, führt das oft zu Selbstüberschätzung und Egoismus. Das Ego bläht sich auf und ignoriert dabei die wahren Werte im Leben, verletzt das mütfühlende Miteinander, sondern sieht sich selbst als Zentrum des Seins, welches nicht das All-Eins ist, sondern ein Sein als agozentrisches Wesen, getrennt von den andern, welche dem eigenen Ego unterlegen scheinen. Das Gefühl für das natürliche Mass geht dabei verloren, das Masslose nimmt überhand.

Raga (Begierde) Und Dvesa (Hass) gehören zu den emotionalen Leiden. Sowohl die masslosen Begierden, welchen man sich ungehemmt hingibt, als auch zügelloser Hass gegen andere lösen Disharmonien zwischen Körper und Geist aus, bringen einen aus dem eigenen Gleichgewicht. Wenn ich jemanden hasse, füge ich also nicht ihm Leid zu, sondern nur mir selber. Ich verletze mich ständig selber durch dieses zerstörerische Gefühl. Auch die bodenlose Gier vermag nichts Gutes, sondern lässt uns nur ständig im Gefühl des Mangels leben. Wir sehen nie genug, streben immer nach mehr, wollen alles haben, was wir sehen und sehen nicht, was wir eigentlich haben. Leid ist die offensichtliche Folge, psychosomatische Störungen sind nicht weit.

Am Schluss der fünf Leidensformen steht die Lebensgier (Abhinivesa). Frei nach dem Motto "Freunde, wollt ihr ewig leben" fürchten wir uns vor dem Tod, malen ihn in den schwärzesten Farben und wollen nichts mehr, als unser Leben verlängern. Wir klammern uns regelrecht ans Leben, weil wir Angst haben vor dem, was danach kommt. Dieses Klammern läst uns argwöhnisch werden, gegen andere, gegen das Leben selber, die Gefahren, die lauern können. Wir werden selbstsüchtig und ichbezogen, weil wir für uns das Leben gepachtet haben, wir es leben wollen und wir die am Leben haben wollen, die um uns sind und für uns wertvoll. Indem wir uns aber so verbissen an das Leben klammern, verstricken wir uns in Todesängsten, welche dem Leben die lebendigkeit nehmen. Wir sind verbissen, verbohrt und ängstlich. Und wir leiden.

Patanjali rät nun dem Sadhaka (dem Übenden), genau hinzusehen, wenn er leidet: woher kommt mein Leiden? Was ist der wirkliche Ursprung meines Leidens? Oft leiden wir vordergründig an etwas, das sich in Ketten auf ein erstes Glied zurückführen lässt - welches dann einer der fünf genannten Leidensformen entspricht. Und wenn wir diese erkannt haben, können wir sie bewusst angehen und daran arbeiten, sie zu überwinden. Wenn man nach den yogischen Prinzipien der Yamas und Niyamas lebt, die Asanas und Pranayama übt, lassen sich die Leiden im Ansatz unterbinden. Aber am Anfang steht das Bewusstsein und die Selbsterkenntnis. Die stehen jedem offen, der sie sehen will.

Sonntag, 15. Januar 2012

Gut ist nicht gut genug

Ich muss perfekt sein. Alles, was nicht perfekt ist, ist nicht gut genug und reicht nicht. Und ich will doch genügen, will doch gut genug sein. Also strenge ich mich an. Ich versuche, Fehler zu vermeiden. Weil: wenn ich Fehler mache, bin ich nicht gut genug, werde kritisiert, werde vielleicht abgelehnt.

Was ist ein Fehler? Ist ein Fehler, mich nich so zu verhalten, wie mein Gegenüber es von mir erwartet? Ist ein Fehler, mich nicht so zu verhalten, wie es für imch stimmt? Was, wenn die beiden auseinander driften? Was ist dann richtig? Was falsch? Und wer entscheidet es?

Setzen wir uns nicht tagtäglich unter Druck, Ansprüche zu erfüllen, die wir als erfüllenswert oder gar als Pflicht sehen, sie zu erfüllen? Wer hat die Ansprüche? Wir selber? Unsere Eltern? Die Gesellschaft? Freunde? Familie? Lehrer? Arbeitgeber? Und wie sehen die Ansprüche aus? Und wer sagt, dass wir sie wirklich erfüllen müssen? Was ist ein gerechtferitgter Anspruch? Und hinterfragen wir die Ansprüche überhaupt, bevor wir uns den Druck machen, sie zu erfüllen? Oder nehmen wir sie als quasi gegeben und strampeln uns ab wie ein Hamster im Rad, uns selber verurteilend, wenn wir aus dem Rad purzeln oder aber das Rad von der Stange fällt?

Was ist Druck? Wie fühlt er sich an? Gut? Eher nicht? Er drückt nieder, im wahrsten Sinne des Wortes. Er belastet, macht klein, macht unfrei, setzt Ängste frei. Die Ängste lassen den Druck nochmals wachsen und bringt neue Ansprüche: was wir alles erfüllen müssen, um die Ängste zu entkräften, sie nicht wahr werden zu lassen. Und so sind wir im ständig wachsenden Druck, bis wir erdrückt sind - uns selber erdrückt haben.

Wo liegt der Ausweg? In der Zeit und im Vertrauen. Im Vertrauen darauf, dass das, was für uns gut ist, kommen wird - wenn wir ihm die Zeit geben. Und dazu müssen wir bei uns bleiben und uns den Raum geben. Den Raum, herauszufinden, was wir erfüllen wollen, nicht was wir denken, dass wir es sollen. Wir müssen uns das Vertrauen schenken, dass wir mit dem, was uns entspricht, was wir als unser Sein erkennen, dahin finden werden, wo wir hin wollen. Das Vertauen und die Zeit werden Energien schaffen, die im Aussen Resonanz finden. Und plötzlich eröffnen sich Perspektiven, Türen gehen auf. Ohne Angst, ohne Druck.

Vertauen läst frei werden. Wenn wir uns die Zeit dazu nehmen und sie uns auch geben. Und dann wird auch niemand anders mehr Ansprüche stellen können, weil wir selber unseren Weg gehen und das angehen, was dahin führt, wo wir hin wollen. Dann können wir mit Goethe sagen: Frei ist, wer mag was er muss. Und müssen tun wir nur das, was wir auch wollen, um unsere Ziele zu erreichen. Und dessen müssen wir uns bewusst sein. Es heisst nicht, dass wir frei von jeglichem Tun sind, nur noch Warten auf Godot betreiben. Arbeiten müssen wir - aber für uns und unsere Ziele. Und das setzt uns frei.

Es wäre nun nicht gut, mit aller Macht Ziele zu verfolgen. Sie angespannt und verbissen erreichen zu wollen. Nur die nötige Gelassenheit wird uns dahin führen. Und dann ist gut gut genug, weil gut genau das ist, was es sein soll. Und das, was ist, wird gut sein.

Freitag, 13. Januar 2012

Das Leben ist hart

Viele Sprüche besagen die Härte des Lebens, das Leben sei "a bitch", es sei unfair, es sei grausam und schrecklich gemein. Wieso ist das so? Ist das wirklich wahr? Was macht das Leben hart? Doch der Umstand, dass es nicht so läuft, wie wir uns das selber ausmalen. Wir haben unsere Wünsche und Vorstellungen und möchten das Leben genau so ablaufen sehen. Leider stellt das ab und an die Weichen anders und alles Gegensteuern hilft nichts. Es kommen Schicksalsschläge, Schwierigkeiten, Hindernisse und wir sehen die Träume wie Wolken am Himmel dahinziehen, uns selber aber langsam in eine andere, nicht gewünschte Richtung driften. Und wir versuchen, die Wolke noch zu erhaschen, in dem verzweifelten Versuch verdammen wir die eigene Richtung immer noch mehr und hadern dann mit der Härte des Lebens, das uns zumutet, das zu erleben, was wir erleben.

Aber ist damit das Leben wirklich hart? Ist es wirklich unfair? Oder sind wir nicht selber die, die es mit unseren Gedanken dazu machen? Lehren wir nicht unsere Kinder, dass man nicht alles haben kann im Leben, dass man auch ab und an unangenehme Dinge bewältigen muss, Frustration aushalten sollte? KLar wäre es schöner, täglich Schokolade zu essen, statt Spinat, klar möchte man lieber draussen spielen, als ständig Hausaufgaben machen zu müssen. Und logischerweise macht Zimmer aufräumen keinen Spass. Wenn das Kind dann aber motzt und tobt und hadert und zürnt, sind wir sehr überzeugt von der Meinung, dass gewisse Dinge eben unabänderlich sind und man sie nun mal hinnehmen muss. Wo bleibt diese Überzeugung, wenn es uns nicht läuft, wie wir gerne möchten? Wo bleibt die Gelassenheit, das anzunehmen und sich drein zu schicken?

Theorie und Praxis sind oft zwei Paar Schuhe. Was man selber erlebt ist meist drückender als das, was man bei andern sieht und theoretisch bewerten kann. Die eigenen Gefühle zum Geschehen sind doch prägender als die Philosophie dahinter. Ab und an hilft es, sich daran zu erinnern, wenn man gerade wieder dabei ist, mit dem Schicksal zu hadern, zu schimpfen und zu zaudern. Das lässt den Frust nicht verschwinden, das lässt auch die Wünsche nicht kleiner werden. Auch muss die Trauer über deren Nichterfüllung nicht schwinden, aber es hilft vielleicht, ein wenig von der Kraft der Enttäuschung wegzunehmen und sie dann dafür zu nutzen, die aktuelle Situation anzunehmen und daraus was Gutes zu machen. Manchmal nicht gleich, aber vielleicht mit der Zeit.

Shit happens - aber es ist immer noch besser als Verstopfung. :)

Donnerstag, 12. Januar 2012

Aussenansicht



Das bin ich. Gewisse Philosophien sagen, ich sei es nicht, es sei nur meine äussere Hülle. Gewisse gehen so weit zu sagen, ich irre, wenn ich mich identifiziere mit dem Körper. Also bin ich das nicht. Wer, wenn nicht ich, ist es dann aber? Und ist das Äussere, das Sichtbare nicht doch auch irgendwie verbunden mit dem Inneren, Unsichtbaren? Die Augen seien das Tor zur Seele. Also wären ja die Augen zumindest eine Ahnung dessen, was ich bin. Und der Rest? Blosses Instrument, dass wir überhaupt auf der Erde wandeln können? Aber wenn eigentlich alles nur Seele wäre, der Körper blosse Materie, eigentlich fast schon tote Materie, da nur beseelt, nach dem körperlichen Tod unbeseelt, auf dass die Seele neue Körperlichkeit annehme: wieso überhaupt braucht es diesen Körper? Und wenn es heisst, dass eine gesunde Seele nur in einem gesunden Körper existieren kann, wieso bedarf die Seele des Körpers, der ja gar nichts mit dem Ich zu tun hat, sondern nur... Körper ist?

Der Körperkult gewisser Menschen ist sicher zuviel des Guten, trotzdem ist der Körper, unsere äussere, materielle Schicht etwas wunderbares. Wir merken das viel zu selten, da er meist einwandfrei funktioniert. Tut er das mal nicht, fällt es umso mehr auf und wir beklagen uns. Tut er es doch, fällt es uns kaum je ein, uns zu bedanken. Danke Beine, habt ihr mich den ganzen Tag getragen. Danke Hals, hast du den Kopf den ganzen Tag gestützt. Tun sie das? Ich nicht. Zumindest viel zu selten. Ab und an überkommt mich eine Dankbarkeit. Die Dankbarkeit, dass mein Körper mich an den Punkt brachte, wo ich bin, dass er alles mitmachte, auch wenn ich mal Raubbau betrieb. Er zürnte zwar, schmerzte, knackste, aber er war weiter da und trug mich durch das Leben.

Er hätte wahrlich mehr verdient als dieses stiefmütterliche Dasein. Gebe ich ihm die Ruhe, die er braucht? Die Nährstoffe, die er verdient? Die Pflege, die ihm guttut? Die Achtung, die ihm gebührt? So oder so gelobe ich Besserung. Ich möchte versuchen, das Bewusstsein zu pflegen, wie es meinem Körper geht und was er braucht. Und danach zu handeln. Bewusst. Mit mir. Denn das ist MEIN Körper. Er ist Teil von mir. Nicht ich, aber doch das, was mich zum Teil ausmacht - neben vielem anderen. Neben allem Sein.

Locker flockig und doch tief

Heute mal ein Lied. Macht gute Laune und doch hat der Text viel Tiefe und Wahrheit.

MC Yogi - Give Love (Giving4Living Mix) from MC Yogi on Vimeo.

Mittwoch, 11. Januar 2012

Macht der Gedanken

Wie oft am Tag sagen wir uns: "Ich kann das nicht.", "Das liegt mir nicht.", "Ich bin halt so (schlecht)." und wundern uns dann, wenn wir die Dinge nicht können, uns schlecht fühlen, uns unwert fühlen. Wo wir gehen, stehen, sind, sehen wir Gefahren, weisen uns selber auf unsere Unzulänglichkeiten hin und sehen die Menschen um uns, die Dinge können, die wir auch gerne könnten, uns aber nicht zutrauen oder uns von Anfang an gleich absprechen.

Wieso sind wir so hart mit uns? Wären wir andern gegenüber auch so unnachgibig, so grausam? Wieso wundern wir uns damit, dass wir wirklich unterliegen? Dinge nicht auf die Reihe kriegen? Und: woher kommen diese Stimmen? Denke ich wirklich von mir, dass ich schlecht bin? Nichts tauge? Ist das MEINE Stimme, die da spricht? Höre ich nicht meinen Vater in mir, wenn ich denke, dass ich halt faul bin, wie er mir sagt, dass ich nur zu faul bin, sonst viel mehr erreichen könnte? Höre ich nicht meinen Lehrer in mir, wenn ich denke, nicht auf den Baum klettern zu können, wie er mich auslachte, als ich die Stange nicht hoch kam? Sind es nicht all die Stimmen von aussen, die sich in mich rein geschlichen haben und nun tagtäglich aus mir sprechen? Wie viel Zeit verbringen wir pro Tag damit, uns negative Gedanken vorzusagen und sie noch zu glauben? Wie viel Zeit verwenden wir darauf, uns Dinge nicht zuzugestehen, weil wir denken, wir wären sie gar nicht wert?

Ich habe ein Bedürfnis, schlucke es runter, weil ich denke, es steht mir nicht zu, das zu äussern. Aber wieso sollte es mir nicht zustehen? Wieso sind die Bedürfnisse anderer wichtiger als meine eigenen? Klar ist es schön, für andere dazusein, aber wieso geben wir uns selber dafür auf? Wer sagt uns, dass wir das tun müssen? All die kleinen Stimmen in uns drin, die da laut und leise durcheinander sprechen uns sagen, was wir alles nicht können, wo wir alle nichts taugen, was wir nicht dürfen, was wir müssen - um geliebt zu werden. Aber wir lieben uns so nicht selber. Im Gegenteil, wir verurteilen uns. Liebt man jemanden, dem man nichts gönnt, den man beschimpft, dem man nichts zutraut? Nein, das tut man nicht. Aber wir wollen geliebt werden. Aber wie sollen uns andere lieben, wenn wir das selber nicht schaffen? Wie wollen wir andern sagen: "He, ich bin liebenswert!", wenn wir uns selber gleichzeitig sagen: "He, du taugst nichts!"

Klar können wir nicht alles. Ich komme wirklich keine Stange hoch. Aber mein Gott, wen kümmert das? Bin ich drum weniger wert? Sicher nicht. Und wenn mich jemand liebt, wird er mir die Stange hochhelfen und nicht unten stehen und mich auslachen. Und alle, die lachen, können wir getrost lachen lassen, denn wir sind nicht auf sie angewiesen. Wir sind nur auf uns selber angewiesen. Darauf, dass wir uns lieben lernen. Sanft mit uns umgehen, uns aufbauen, positiv denken. Wir können Dinge versuchen, statt uns gleich zu sagen, dass wir sie eh nicht können. Und wenn es nicht klappt ist das kein Weltuntergang. Dann haben wir noch einen Versuch. Und sind in unserem Versuchen toll. Weil wir nicht aufgeben. Weil wir an uns und an unseren Fähigkeiten arbeiten. Und auch mal akzeptieren können, dass wir nicht alles können müssen. Aber alles lernen dürfen, wenn wir es wollen. Und schlussendlich ist da immer die eine Botschaft: ich bin gut, genau so, wie ich bin. Ich bin genau so liebenswert. Und die anderen Menschen sind es genau so.

Namaste - finde deinen Weg zu dir selber!

Montag, 9. Januar 2012

Stein

Ich wünscht', ich wär' ein Stein
und könnte ganz gefühllos sein.
Hätte keine Sorgen mehr,
macht' mir nicht das Leben schwer.
Ich läge einfach still nur rum,
fühlte mich so gar nicht dumm,
sondern sähe es als Leben so,
hier zu sein, nicht irgendwo.
Niemand könnte treffen mich,
nichts wär mehr gar ärgerlich;
das Leben zög' vorbei im Fluss,
ohne jeglichen Verdruss.
Keine Höhen, keine Tiefen,
keine Tränen mehr, die liefen,
Ruhe nur und Stille wäre,
nur die körperliche Steinesschwere.
Keine Schmerzen, keine Wunden,
die kaum mehr,gar nie gesunden.
Niemand trät mit Füssen mich,
und wenn doch, verletzt er sich.
Ich läge da nur, still und stumm,
wie ein Stein liegt, einfach rum.

Wenn einer eine Reise tut...

...hat er was zu erzählen. Für einmal keine Worte, sondern Bilder, die sprechen:

Mittwoch, 4. Januar 2012

Nur wer die Sehnsucht kennt...

...weiss, wie ich leide. Was schon Goethe wusste. Um das zu wissen, hätte ich nicht sein Gesamtwerk lesen müssen - und ja, ich habe es getan. Und ich muss gestehen, es war schön. Wenn auch lang. Was hat es mir gebracht? Ich habe Durchhaltewillen gezeigt. Ich habe das umfassende Wissen eines Universalgenies kennen gelernt, habe von Juristerei, Literatur, Farblehre, Naturwissenschaft alles erfahren, was in der Zeit wohl etwa aktuell war - und bis heute teilweise ist. Und bin nun um ein paar Zitate reicher - wobei ich mir die nie merken kann. Aber ich schweife ab.

Sehnsucht - was besagt sie? Eine Sucht, zu sehnen. Etwas fehlt und wir klammern uns wie ein süchtiger daran, denken unentwegt daran, sind zittrig, fahrig, unruhig, weil uns genau das fehlt, was wir gerne hätten. Das Mittel, das Suchtmittel ist nicht da und wir haben nur den einen Gedanken: es ist nicht da, wir brauchen es, wir müssen es haben, dringend. Und oft ist das nicht zu machen. Wir müssen lernen, mit dem Mangel umzugehen - der Mensch, das Mangelwesen. Wir sind das von klein auf gewohnt - irgendwas fehlt immer. Milch, frische Windeln, Zuneigung, Wärme, Abkühlung - perfekt ist es nie. Konnten wir früher einfach drauflos schreien, funktioniert das heute nicht mehr - oder würde zumindest mit hochgezogenen Augenbrauen quittiert. Wir sind nun erwachsen. Wir müssen uns dementsprechend verhalten - wir greifen zum Surrogat - Drogen, Alkohol, Essen, Sport, Selbstbetrug. Es geht uns gut. Niemand kann uns was. Wir sind schon gross. Uns fehlt was? Gar nicht wahr. Wir sind stark. Und so lügen wir uns durchs Leben, mit einem Lächeln auf dem Gesicht, Pokerface lässt grüssen. Wie es in uns aussieht? Interessiert nicht - oft nicht mal uns selber, wir glauben uns unser Schauspiel. Wir sind gut... im Überspielen der eigenen Gefühle. Denken wir. Bis wir merken, in was wir laufen. Dass das Leben kein Leben, sondern nur Spiel ist. Dass wir selber ausgeliefert sind den Überspielmechanismen, die wir ins Leben riefen, um das Leben nicht zu spüren, wenn es schmerzt.

Spätestens dann ist es Zeit, hinzusehen. Bewusst zu realisieren: mir fehlt was. Und das tut weh. Verdammt weh. Und ich will es haben. Und selbst wenn man es nicht haben kann, weil die Situation einfach so ist, dass es nicht erreichbar ist, wird es einem auf lange Sicht mehr bringen, den Schmerz zu ertragen, denn irgendwann muss man durch ihn durch. Alle Surrogate schieben ihn nur raus, aber in einem drin sammelt er sich, kummuliert, wächst, wird gross, übermächtig - und überrollt einen irgendwann.

Der Schmerz gehört zum Leben - wie das Glück auch. Das eine wird es nie geben für den, der das andere nicht leben will. Denn Gefühle haben immer beide Ausprägungen. Und wer die eine verschmäht, wird die andere nie auskosten können. Wer am Glück festgalten will, wird es verlieren, da dieses Festhalten die Angst vor dem Verlust auslösen wird und es damit schon verflossen ist, wenn es noch da wäre, würde man es nicht halten wollen. Es hilft wohl nur, zu akzeptieren, dass man im Leben kaum je alles hat - und alles vergänglich ist. Schön, wenn Dinge bleiben. Man kann sie achten, geniessen, auskosten - aber nie halten.

Nur wer die Sehnsucht kennt - weiss, wie ich leide. Auf dass das Leid ein Ende habe, dem Glück weiche. Einem Glück, das man nie festhalten kann, aber pflegen, kosten, geniessen - und loslassen.

Sonntag, 1. Januar 2012

Zu gut für diese Welt

"Du bist zu gut für mich, darum lasse ich dich gehen", sagte der Prinz und zog von dannen. Zurück blieb Schneewittchen und wollte sich grad von ihren Zwergen trösten lassen, als sie - ja, als sie das Hirn einschaltete. Nun kommen in Märchen relativ wenig Hirnschaltungen vor, sie nehmen wohl der Geschichte den niedlichen Märchencharakter. Aus diesem Grunde verlassen wir die Märchenwelt an diesem Punkt und kommen jäh zurück in die Realität, fragen uns hier: "Was für ein Schmus ist das denn?" Sind Menschen zu gut oder zu schlecht für einander? Und: kann der andere entscheiden, ob man nun zu gut ist für ihn? Ist er grosser Ritter und Held, der auf das Gute verzichtet, weil er sich selber für zu schlecht befindet? Würde man dahin gehen, allen ernstes und sagen: Ich bin so schlecht, ich habe die Frau, den Mann, den Job nicht verdient, ich gebe ihn jemandem, der ihn besser verdient?

Ich meine, Selbstlosigkeit ist eine Tugend, ab einem gewissen Grad dann wohl doch nur noch Doofheit. Wäre es denn wirkliche Selbstlosogkeit und nicht eine andere Eigenschaft als Wolf im Schafpspelz "Selbstlosigkeit" verpackt. Die erste Frage, die sich stellt:

Ist ein Mensch zu gut für den anderen? Oder der andere zu schlecht für einen? Wer stellt diesen Massstab auf? Mit welchem Recht? Nach welchen Kriterien? Grösse des Einkommens? Stand der Ausbildung? Herzensbildung? Wie ist die messbar? Und ist Herz in Skalen einteilbar? Herznummer 1-5 passt nicht zu Herznummer 6-10? Würde sich jemand selber Herz absprechen? Ist ein Handwerker ein schlechterer Mensch als ein Akademiker? Irgendwie abstrus...

Wenn ich jemanden liebe, der mich auch liebt, gebe ich ihn dann frei, weil ich so selbstlos denke, der findet bestimmt noch was Besseres als mich? Und vor allem, mit welchem Recht bestimme ich das für ihn? Vielleicht will der ja just mich? MIt allen Ecken und Kanten und Schlechtigkeiten :) Vielleicht findet der mich ja toll so? Und wenn nicht mit allem, dann doch so toll, dass er mich will? Gehe ich dann dahin und sage: sieh's ein, ich bin gar nicht so gut, ich lass dich gehen - gerade WEIL ich dich so liebe. Abstrus... und vor allem: Kompetenzüberschreitung. Damit stellt man sich über den anderen, spricht dem ab, selber zu entscheiden, was er will, kann, soll und sagt ihm, was er nicht soll - nämlich eben mit einem zusammen zu sein. Keine Tugend, Grenzverletzung. Und vor allem spricht es eine gegenteilige Sprache zum "Ich bin zu schlecht"; es sagt nämlich: ich bin so gut, dass ich weiss, was gut für dich ist. Und ich habe die Macht, es durchzusetzen.

Da sitzt man dann, man guter Mensch, man zu guter Mensch und fragt sich: "Welcher Film läuft hier ab?" Und: "wie kam der ins Kino?"

Man kann aber auch einfach aus dem ganzen ziehen: "Der hat recht! Ich bin gut! Sehr gut! Und verdiene nur das Beste!" Und dann glaubt man dran, dass das Beste für einen (das nicht gut, besser, am besten, sondern einfach für einen gut, für einen das beste, weil das für einen Passende) zu einem findet. Und dieses Gute wird genau so gut sein, dass es sich als gut genug für einen, einen für gut genug für sich und alles für ach so gut und passend sieht, dass es sich nicht in leere Floskeln von Wert und Unwert stürzen muss, sondern leben kann, was lebbar ist.

Go for it, it is the best you can get because you are the best you can be!