Samstag, 30. Juni 2012

Wer bin ich?


Wer denkt,
wenn ich  hier denke?
Wer spricht,
wenn ich hier sprech’?
Wer fühlt,
wenn ich was fühle?
Wer sieht,
wenn ich was seh’?

Wen liebst du,
wenn du mich liebst?
Wenn siehst du,
wenn du mich siehst?
Wer bin ich,
wo find’ ich mich?
Wer bin ich,
wo sahst du mich?

Kann ich es glauben,
was du siehst,
wenn ich noch suche,
noch nicht fand?
Kann ich es glauben,
dass du  liebst,
was ich noch suche,
hadre nur?


Wo ist das Licht,
das weist den Weg?
Wann endet Dunkel,
Das verhüllt?
Wo sind die Fragen,
ich will sie finden.
Wird je sein,
was ich doch will?

Wer kann ich sein,
wo will ich hin?
Wo ist der Weg,
wo meine Schuh’?
Wo ist der Mut,
ihn nun zu wagen?
Wo ist die Kraft,
ihn auch zu geh’n?

Ich kann nicht bleiben,
es ist vorbei.
Ich muss nun los,
muss es versuchen.
Zu lange schon
Trat ich im Nichts.
Zu lange schon
Regierte Angst.

Ein erster Schritt,
es ist nicht leicht.
Was grad noch war,
ist nicht mehr da,
was kommen wird,
noch Ahnung bloss.
In mir klafft nur
Ein schwarzes Loch.

Der Mut wird klein,
die Angst wird gross.
Kann ich vertraun,
kann ich es wagen?
Wer will ich sein,
wer kann ich sein?
 Kommt je der Tag,
an dem ich’s weiss?


Freitag, 29. Juni 2012

Schweizer Schlafzimmer in der Statistik

20 Minuten hat sich heute in des Schweizers Schlafzimmer begeben und statistisch dargelegt, wovon Herr und Frau Schweizer träumen und was sie wirklich tun - oder auch nicht. Folgt man dem Blatt, wird der Schweizer durchschnittlich einmal pro Woche aktiv. Beachtet man dabei, dass viele Frauen den Orgasmus nur vortäuschen dabei, fragt man sich, ob man nicht genauso gut den örtlichen Theaterverein besuchen könnte wöchentlich.

Folgt man dem Text weiter, steht, dass man eigentlich mehr möchte, fast schon von Pfadfindermanier ist die Rede (allzeit bereit). Wieso dann fast 30 Prozent auf Eiszeit setzen wird leider nicht weiter erläutert. Immerhin ist man trotzdem damit zufrieden, zeigen sich doch nur 12% der Frauen und 15% der Männer säuerlich, über die Hälfte sei sogar happy. Das Resultat scheint nicht nur mich zu befremden, auch Daniel Regli, Psychotherapeut und Dozent an der Uni Bern sieht in dieser Zufriedenheit eher Wunschdenken als Wahrheit. Das zeigt sich dann auch in der Fortsetzung, wo plötzlich die Dauer, der Aufbau sowie der Akt selber unter Beschuss stehen. Da fragt sich dann doch, wo bleibt da die Zufriedenheit, die gerade noch propagiert wurde? Denkt man dann noch an das Theaterspiel am Anfang zurück, stehen nur noch grosse Fragezeichen vor den Augen.

Locker flockig geht es weiter, Partnerhäufigkeit wie zahlenmässige Zusammensetzung des Liebesspiels sind ebenso Thema wie verschiedene Praktiken und Handarbeit. Und ganz am Schluss liest man sogar, dass nicht nur Frauen spielen, auch Männer täuschen vor.

Nach so vielen Zahlen und statistischen Werten bleibt noch die Frage: Wem bringt das nun etwas, was lernen wir daraus? Sind wir zufriedener, wenn wir uns über dem Schnitt sehen? Sind wir beruhigt, wenn wir uns in der Eiszeit nicht alleine fühlen? Das Leben als Statistik - wirklich erotisierend wirkt das auf alle Fälle nicht.

Donnerstag, 28. Juni 2012

Rassismus akzeptiert?

Ein Schweizer Politiker verbreitet fragwürdige, stark rassistische Sätze über Twitter. Ein kurzer Aufschrei, er wird aus allen Stellen ud Ämtern entlassen. Einen Tag später herrscht Stille. Deutschland spielt gegen Italien, Europameisterschaft. Noch nie las ich so oft das Wort “Neger” und hörte abfällige Bemerkungen über Menschen anderer Hautfarbe. Ist Rassismus in der Schweiz heutzutage Kavaliersdelikt? Ist mit dem Stempel “ich will ja nur Spass” alles erlaubt?

Diese Tendenz ist in meinen Augen bedenklich. Man nimmt es hin, dass Menschen ihrer Religion, ihrer Hautfarbe wegen verspottet oder gar todgewünscht werden. Man schweigt, verschliesst die Augen. Klar droht bei diesen Äusserungen keine Gefahr. Sie sind Ausgeburt unserer unüberlegten Schnellschusskommunikation über Medien wie Facebook und Twitter. Wo werden sie enden? Was säen sie? Die Gegner schweigen, die Befürworter werden sie schlucken, auf den Haufen der eigenen Diffamierungen werfen und irgendwann wird der gross sein. Sie werden sich zusammen scharen. Die Parolen vorbringen. Und dann? Und selbst wenn nicht… Was passiert hier? Wieso interessiert das niemanden?

Dasselbe in einem anderen Land hätte zu tagelangem Entsetzen geführt. Die Medien sämtlicher Länder schreiben mehr über die Kristallnachtaffäre als die Schweizer Presse, die Presse des Landes, in dem der Skandal passierte. Wieso ist das so? Wieso schweigt die Schweiz, wo sie sprechen müsste? SInd wir so liberal, dass uns nichts etwas angeht? Muss die so hochgehaltene Toleranz und Meinungsfreiheit auch hier hinhalten? Wir enthalten uns. Schweigen. Vielleicht stirbt so alles?

Bedenklich. Traurig! Ich hoffe, dass irgendwann eine Generation heranwächst, die den Mund aufmacht. Die nicht mehr toleriert, dass nur schon solche Äusserungen bei einem Fussballmatch stillschweigend hingenommen werden. Von Kristallnachtsmeinungen ganz zu schweigen.

Mittwoch, 27. Juni 2012

Himmel hoch jauchzend - zu Tode betrübt

Es gibt Tage, da könnte ich die ganze Welt umarmen. Ich bin dankbar für das Leben, das ich lebe, für die Möglichkeiten, die ich hatte und habe. Ich sehe mich als Glückspilz und es sprudelt förmlich aus mir raus. In dieser Zeit geht alles leichter von der Hand, mein Umfeld ist zufrieden, wir lachen, lieben uns, der Tag nimmt seinen Lauf mit all den schönen kleinen Dingen am Wegesrand. Schön wäre, wenn nun wie im Märchen der Abspann käme: Und wenn sie nicht gestorben sind, leben sie noch heute in Friede, Freude und essen Eierkuchen, strahlen mit der Sonne um die Wette und halten sich an den Händen, Ringelreihen tanzend. Doch das Leben ist kein Märchen.

Plötzlich dreht der Wind. Wo vorher Sonne schien, ziehen Wolken auf, ab und an ein wahrer Platzregen, Wirbelsturm. Alles düster, alles fies. Die Mundwinkel verziehen sich von fünf vor zwölf (was es wohl auch war) zu fünf vor halb sieben, drei Tage Regenwetter sind ein Dreck dagegen. Und irgendwie klappt nichts mehr. Was vorher noch einfach so flutschte, geht nicht mehr, die zufriedenen Umfeldmenschen werden anstrengend, motzig, am Wegesrand fällt mir nichts mehr auf, da ich mit anderem beschäftigt bin und dass das Leben kein Märchen und schon gar kein Zuckerschlecken ist, scheint offensichtlich.

Der Auslöser für solche Dinge? Keine Ahnung. Ein Wort, eine Nachricht, ein Blick, etwas, das nicht ging, eine enttäuschte Erwartung, unfaires Verhalten anderer. Der ganz normale alltägliche Wahnsinn halt, der mich aus meiner eigenen Welt reisst und mich mit den Tücken des Lebens konfrontiert. Was dagegen hilft? Auch keine Ahnung. Erst grummle ich vor mich hin. Schimpfe auf die Welt, die Menschen, mich selber. Dann igle ich mich ein, wurstle vor mich hin. Dann setzt sich langsam Ruhe. Und irgendwann geht die Sonne wieder an. Und es geht aufwärts. Das kann Stunden dauern, Tage, selten länger. Aber es nervt. Ab und an. Und dann wünschte ich mir ein sonniges Gemüt tagein, tagaus, immer lächelnd, immer nett. Wünschte mir, mir nicht alles ständig so zu Herzen zu nehmen, nicht immer mich selber und das Leben zu hinterfragen, sondern locker flockig durch die Welt zu gehen. Dann frage ich mich, wieso ich bin, wie ich bin. Und höre von rundrum, ich denke zu viel. Tue ich das? Kann man das abstellen? Wo?

Will ich das? Eigentlich nicht. Ich mag mein Denken, mag meine Logik, meinen Verstand und meine Kreativität. Sind die Schwankungen der Preis dafür? Ab und an denke ich es. Ein weiser Mann sagte mir mal, alles hätte seinen Preis. Er hatte wohl recht. Die Frage sei, so der Mann weiter, ob man bereit sei, den Preis zu zahlen. Das zeige, wie viel einem etwas wert sei. Bin ich bereit? Habe ich eine Wahl? Wohl kaum. Ich habe nur die Wahl, wie ich damit umgehen will. Und da bleiben zwei Möglichkeiten:
  • Mich annehmen, wie ich bin
  • Mit mir hadern und schimpfen und anders sein wollen
Beide sind möglich, nur wird die zweite Möglichkeit das Problem nicht lösen, sondern noch eines dazu bringen. Möglichkeit eins sollte nicht absolut stehen. Ich denke, man kann an solchen Schwankungen arbeiten. Allerdings sehe ich, dass eben genau die Grummelphasen auch sehr viel an Energie, kreativer Energie freisetzen. Und genau die möchte ich nicht missen. So bleibt wohl nur: Annehmen, durchstehen, rausnehmen, was fliesst und dran glauben, dass es wieder hoch geht.

Dankbar bin ich für ein Umfeld, das mich nicht so schwierig empfindet, wie ich das ab und an tue. Dankbar bin ich für die, welche mich mögen, lieben, da sind und mir immer das Gefühl geben, ich sei gut, wie ich bin. Vor allem dann, wenn ich ins Hadern verfalle. Und so bleibt am Schluss die Erkenntnis, dass alles immer zwei Seiten hat. Und diese Seiten immer wieder selber zwei Seiten. Und so blättern sich die Seiten auf zu einem ganzen Leben, das bunt und farbig ist und lebendig. Und eigentlich ist das gut so und genau so, wie ich es haben möchte. Ich bin ein Glückskind!

Dienstag, 26. Juni 2012

Klassensystem bei Schweizer Bürgern?

Die SVP hat eine neue Idee: Künftig sollen die Schweizer nach Urschweizern und Eingebürgerten unterschieden werden. Damit das besser geht, soll ein Vermerk in den Pass. Man hätte sich in der Schweiz die Probleme eingebürgert, da Menschen mit Migrationshintergrund mehr Sozialhilfe empfingen, mehr Delikte verüben. Überspitzt gesagt: Alles Schlechte kommt von aussen. Und dem will man nun mit Statistiken auf den Leib rücken. Hätte man die klare Sichtbarkeit über die Herkunft der Menschen, könnte man die prozentuale Beteiligung an den Fällen statistisch darstellen und in der Folge besser fassen.

Die Idee an sich weckt schon schlechte Gefühle. Es klingt nach staatlichem Abstempeln von Menschen, nach Kategorisierung in Menschen erster Klasse und Menschen zweiter Klasse. Wagt man einen Blick in die Geschichte, verstärken sich die Gefühle: Stempel in Pässen... das hatten wir schon einmal. Die Juden im Dritten Reich wurden auch damit bedacht. Jeder als Jude definierte Mensch musste im Pass einen Stempel tragen. Das reichte bald nicht mehr. Das nächste war die Armbinde. Was schwebt der SVP da vor? Binden mit Schwarzen Schafen?

Was aber soll mit den so gebrandmarkten passieren? Dass es nicht bei der Statistik bliebe, liest man fast zwischen den Zeilen, denn eine Papierstatistik alleine hilft noch nichts. Es mag zwar nett sein, Diagramme zu zeichnen, Vergehen und Herkunft miteinander in Verbindung zu setzen und daraus farbige Kuchenstücke zu kreieren. Das alleine wird auf Dauer nicht reichen. Die weitere Folge könnte ein Vorstoss sein, Bürgerrechte wieder zu entziehen. Nur: das könnte man sogar ohne Stempel im Pass. Mit einem Gesetz im Stil von "Wenn ein Eingebürgerter innerhalb einer Frist straffällig wird, verliert er seine Bürgerrechte." Das wäre heikel. Das im Kollektiv zu machen wohl noch mehr. Der Justizdirektor Martin Graf tendiert zu dieser Annahme (laut Tagesanzeiger). Das war auch mein erster Gedanke.

In Anbetracht der staatspolitischen und staatsrechtlichen Überlegungen sehe ich dies allerdings als (so hoffe ich doch) schwer umzusetzen. Ich denke eher, es ginge dann um eine noch viel höhere Schwelle bei der Einbürgerung. Hätte man erst schwarz auf weiss, was man gerne so hätte (und man kriegt fast jedes Resultat statistisch hin, wenn man nur die Fragestellung entsprechend legt und die Auslegung den eigenen Zielen folgend formuliert), wäre wohl der nächste Schritt, die nun als These vorgelegte Behauptung "Wir haben uns die Probleme eingebürgert!" (Zitat von SVP-Parlamentarierin Barbara Steinemann im Zürcher Kantonsrat am 25. Juni 2012) als Begründung dafür zu nutzen, dass Einbürgerungen viel härteren Kriterien ausgesetzt werden müssten. Das ist ja schon lange Ziel der SVP und wird in stark SVP-lastigen Gemeinden schon so ab und an sp praktiziert.

All die Spekulationen über mögliche Folgen ungeachtet, bleibt zu sagen: Eine solche Motion, wie sie die SVP im Zürcher Kantonsrat vorbrachte, ist ein grosser Schritt in eine Ecke, die bedenklich ist. Dies nicht nur wegen der Assoziationen zu einer der schwärzesten Zeiten der europäischen Geschichte, sondern schon aus ethischen Gesichtspunkten. Die Motion führt zur Brandmarkung von Menschen, teilt diese in Klassen ein. Es wäre dann nur ein echter Schweizer, wer als solcher geboren wurde, der anfere ein Schweizer zweiter Klasse quasi. Klar kann die SVP dagegen halten, das hätten sie nie so gesagt und es sei ein Schuft, wer so denke. Die Geschichte der SVP und ihr Gedankengut und ihre Parolen sprechen eine deutliche Sprache, die diesen Schluss durchaus zulässig machen - fast schon nahelegen. Dass eine Partei wie die Grünliberalen sich an diesen Karren anhängen, lässt diese noch junge Partei in einem sehr schlechten Licht erscheinen. Schade drum. Ich hoffe, es finden sich genug Parteien, die vehement dagegen sind. Es wäre bedenklich, mit solchen Zeichen und solchem Verhalten im Ausland gesehen zu werden.

Zur selben Zeit findet man bei Twitter eine Meldung eines SVP-Politikers, der Moscheen und die Kristallnacht innerhalb von 160 Zeilen in Beziehung setzt. Der klare Wortlaut ist Streitsache und liegt bei der Staatsanwaltschaft. So oder so: schaut man auf die Geschichte der letzten Jahre in dieser Partei, so stehen schon grosse Fragezeichen am Firmament. Ist das tragbar? Ist das das, was mit Meinungsfreiheit toleriert werden muss? Kann man ein Recht, das entstand, um eben Randgruppen und Minderheiten zu schützen vor der Unterdrückung der grossen und starken Stimmgruppen, darauf verwenden, genau gegen diese kleinen Gruppen zu schiessen und zwar auf eine Weise, die deren Persönlichkeitsrechte verletzen? Mein Fazit bleibt: bedenklich und beängstigend.

Freitag, 22. Juni 2012

Woran misst sich Wert?

Der Blog von Gesine von Prittwitz hat mich auch heute wieder zum Nachdenken gebracht. Vielleicht bin ich eher am Thema vorbei gerauscht und auf eigene Gedanken gekommen, trotzdem möchte ich Ihren Blog als Stein des Anstosses (absolut positiv) nennen.

Der erste Gedanke zur Aussage "ich hasse kostenlos" war, dass ich das immer gegenteilig erlebe. Wie oft werde ich gefragt, ob ich nicht schnell für jemanden etwas schreiben könnte, etwas durchlesen könnte, etwas korrigieren könnte. Dabei wird natürlich angenommen, ich mache das mal schnell nebenbei, für lau, es läge mir ja quasi. In diesem Zusammenhang hasst niemand kostenlos, im Gegenteil, es wird sogar so erwartet...

Dann las ich weiter und sah, dass es im Blog darum ging, dass das, was einfach kostenlos dargeboten wird, nichts wert sein soll, weil eben nicht gewollt, nicht gezielt und exklusiv. Die Aussage “Ich hasse kostenlos” und die damit verknüpfte Assoziation von Geld und Wert kann ich so nicht stehen lassen. Ist alles nur wertvoll, das Geld kostet oder einbringt? Ist es nicht gerade diese Mentalität, welche vielen Menschen zu schaffen macht bei ihrem Selbstwert sowie bei ihrem Status in der Gesellschaft? Ist ein Verwaltungsrat oder CEO eines Grosskonzerns mit Jahresgehalt von Millionen dementsprechend mehr wert als die Putzfrau des Spitals? Die Krankenschwester leistet weniger für die Gesellschaft, die Menschen an sich als der Bankdirektor?

Und um den Bogen zu schlagen: Ist Kunst, die kostet wertvoller (nicht nur als Geldanlage) als Kunst, die nicht kostet, die im Hinterhof entsteht? Hat nur der Künstler, der profitabel künstlert Kunststatus, der andere ist Hobbyist? Was ist Kunst? Vermarktbare und verwertbare Produktion?

Ich denke, die heutige Gesellschaft driftet sehr in diese Richtung. Sag mir was du verdienst und ich sage dir, was du wert bist – ob du überhaupt wert bist, dass ich mit dir spreche. Fehlt das Geld, fehlt oft das Umfeld bald damit. Billig wird mit Ramsch gleichgesetzt, einfach auch, weil das natürlich von grossen Ladenketten so vorgemacht und in den Köpfen festgesetzt wird. Alles, was nichts taugt (vor allem für den Profit des Unternehmens, weil es zu viel teuren Lagerplatz füllt ohne in warmer Semmel-Manier wegzugehen) wird verramscht. Bücher dabei oft mit Stempel drauf: Mängelexemplar. Abgestempelt. Als Müll gebrandmarkt. Was mal mit Eifer geschrieben wurde, dümpelt auf dem Ramschtisch.

Wie kam man dazu, nun plötzlich die Renner so anzubieten, wie man früher den Ramsch verhökerte? Das hat wohl viele Gründe: Massenproduktion ist günstiger als Einzelanfertigung. Je grösser die Auflage, desto geringer die Kosten pro Exemplar. Des Weiteren gaukelt eine grosse Masse eines Buches mit knalligem Plakat drüber vor, das Buch sei ein Renner, drum hätte man so viele davon, dass es auch ja reiche. Und keiner will der sein, der gerade das Buch nicht gelesen hätte, wenn es denn dann in aller Munde wäre. Spiegelbestseller. Buch des Jahres. Neuerscheinung des Millionenverkäufers. Das muss man gelesen haben. Noch hat es Stapel. Also auf sie mit Gebrüll. Mit Wert hat das wohl wenig zu tun. Aber auch nicht mit Unwert. Es ist eine Zeiterscheinung. Und nicht die positivste in meinen Augen.

Was ist Wert? Was verdient das Prädikat wertvoll? Wem geben wir wieviel Wert und nach welchen Kriterien? Keine einfache Frage. Vor allem nicht allgemein beantwortet. Grundsätzlich würde ich mal auf die Schnelle sagen: Wert für hat ein Mensch oder eine Sache dann, wenn sie mir gut tut. Das ist nicht im Sinne von “Ich kann davon profitieren” gemeint, sondern eher im Sinne von “ein gutes Gefühl vermitteln”. Genauso möchte ich mir selber Wert sein, mich mit solchen Dingen zu umgeben. Und vor allem auch, mich anderen gegenüber so zu verhalten, dass sie eben auch ein gutes Gefühl haben. SO würde wohl vieles in dieser Welt an Wert gewinnen. Und dann könnte sogar ein Buch, das irgendwo gratis abgegeben wird, sehr wertvoll sein, während auch die Platinvergoldete Ausgabe eines für mich unlesbaren Buches noch keinen Wert (für mich) hätte.

Donnerstag, 21. Juni 2012

Neue Intelligenzia

Heute stellte ich bei Facebook (im letzten Post verflucht, nun zitiert) ein Bild rein, das ich bei einer Freundin fand:


 Ich sah es, fand es schön, fand es auf seine Weise wahr und es passte gerade in die Situation, die ich hatte. Ich betitelte es mit "to whom it may concern". Für eine ganz liebe und langjährige Freundin, die mein Leben über Jahre begleitete, meine zwei dunkelsten Momente begleitete. Die ich ab und an begleitete. Der Spruch passte heute irgendwie rein. Sie wusste, sie war gemeint. Und es war gut.

Der Spruch entspringt einer Denkart, die heute populär ist. Es sind kurze Merksätze, die gut klingen, die schön klingen, die auf den ersten Blick wahr kingen. Und wenn man in einer entsprechenden Situation steckt, klingen sie sogar kraftbringend. Ein Freund von mir hat den Spruch dann zum Anlass genommen, ihn zu zerpflücken. Er fand ihn ärgerlich, platt, sinnlos und meinte, der Text rufe nur zum Egozentrismus auf. Er unterstellte, dass Menschen, die solche Sprüche mögen, kleines Selbstbewusstsein haben müssten und dieses damit ausgleichen, andere für sich zu benutzen. Das alles etwas gehobener dargestellt und ausgedrückt. 

Ich las den Blog, dachte zuerst: Ich habe was übersehen. Ich war zu schnell, habe es unbedacht reingestellt. Dann dachte ich zurück an den Kontext des Reinstellens. Und dachte für mich: Nein, es ist ok.

Es ist populär, sich gegen alles zu stellen und alles zu zerpflücken (damit meine ich nicht konkret den Blogschreiber). Die neue Intelligenzia brüstet sich gerne mit ihrer ach so klarsichtigen Scharfzüngigkeit, indem sie Dinge auseinander pflückt und das Zerpflückte in rigoros klingenden Lettern an den Pranger stellt. Was raus kommt, klingt nach Verurteilung, klingt nach messerscharfer Sezierung. Und man denkt im ersten Moment: Oh wow, der hat mehr gesehen als ich. Fiel ich auf die nett klingenden Worte rein, hat der den vollen Durchblick und mich mit meiner Oberflächlichkeit entlarvt.

Das ist wohl auch das, das der messerscharf Analysierende erreichen will. Wissenschaft agiert gerne in dieser Weise. Zerpflücken,was ein anderer tat. Argumente findet man immer, wie man die Argumentationskette stringent aufbauen muss, ist lange eingeübt und professionell indoktriniert. Wenn man dann noch ein paar Fremdworte einflicht, das ganze in gehobene Sprache packt, ist ein grosser Teil schon mundtot und fühlt sich ganz klein.

Was ist gewonnen damit? Ich denke wenig. Vielleicht fühlt man sich nach dem Schreiben eines solchen Textes ganz gut und gross. Denkt, man hätte Amerika neu entdeckt und der Welt die Augen geöffnet, die vorher noch geschlossen waren. Was aber, wenn jemand aus so einem Spruch Kraft schöpfte? Den Anstoss fand in einer schweren Zeit, mal wieder für sich zu schauen, zu sich zu stehen? Wenn sich jemand über Tage, Wochen, Monate nur aufopferte, selber an die Grenzen und drüber ging? Nicht mehr mochte, konnte? Und dann von einem Freund den Text kriegte und merkte: Ich bin auch noch da. Ich DARF mal für mich schauen? Und daraus etwas ganz Gutes und Wertvolles entstand?

Was helfen dann all die wissenschaftlichen Ergüsse? Ich kenne sie auch - man siehe oben. Ich habe, glaube ich, selten je so viele Fremdworte verwendet. Es klingt gut. Ich bin stolz. Es macht Spass. Ich halte wenig davon. Habe das in meiner ganzen wissenschaftlichen Zeit vermieden. Und mache es weiter. Und finde solche Sprüche ab und an heilsam. Sie regen zum Denken an. Sie sollen keine absoluten Wahrheiten sein, dafür greifen sie immer zu kurz. Klar kann man sie zerpflücken. Das klappt mit allem. Erfolgreich. Aber mit der Zerpflückerei geht es niemandem besser. Mit ein wenig Menschlichhkeit schon.

Beziehungsgeschichten

Beziehungen waren seit je her Anlass zu Überlegungen. Was macht sie aus, wie funktionieren sie, wie laufen sie ab? Literaten übten sich daran, sie zu beschreiben und in dem Beschreiben blosszulegen. Philosophen versuchten auf dem normativen Weg zu erläutern, was in Beziehungen gegeben sein muss, dass sie funktionieren, sei es im privaten oder auch im öffentlichen Rahmen. Psychologen gaben Anleitungen und Hilfestellungen, was man tun könnte, wenn sie eben nicht funktionieren, oder was man vermeiden sollte, damit man nie dahin kommt. Pfarrer predigen am sogenannt schönsten Tag, worauf zu achten sei, dass man sich bewusst sein solle, was man eingehe und dieses auch wertschätze. Und hinter allem steckt der Wunsch des Menschen, nicht alleine zu sein, ein Gegenüber zu haben, Liebe zu fühlen - erhaltene wie auch gegebene.

Der Wunsch ist gross, genau so gross wohl auch die Enttäuschung, wenn er eben nicht erfüllt wird oder man in diesem Wunsch eins ums andere Mal auf die Nase fällt. Wenn man sucht und sucht und sucht und  nie findet. Bald an sich zweifelt, bald am Gegenüber. Wenn man denkt, es müsse doch bald mal der kommen, der passt. Er aber nicht kommt. Und Frau verzweifelt nur noch um das eine Thema dreht, schreibend, redend, denkend. Solche Fälle gibt es und ich habe das Gefühl, das Verhalten steigert sich mit der Torschlusspanik des Alters. Orte werden nicht mehr an sich gesehen, sondern nur im Hinblick auf die Möglichkeit, den passenden Mann zu finden.

Doch wenn man ihn gefunden hat, scheint das Problem nicht aufzuhören. Dann fangen die Probleme erst an. Und dank der modernen Medien und sozialen Plattformen schaut die ganze Welt zu. Da werden Herzen ausgetauscht, Essen kritisch beäugt, über Facebook Einrichtungen diskutiert und Gutenachtwünsche platziert. Frau liest die gegenseitigen Kosenamen - fühlt sich an eine Episode im Supermarkt erinnert, als Frau dem Mann mit schriller Stimme LIIIIIIIEEEEEEEBLING hinterherrief und sieht dem eigenen Mann deutlich ins Gesicht geschrieben "hoffentlich macht meine das nie nie nie" - und denkt sich ihren Teil.

Und ab und an kriegt man auch die Leiden und Herzschmerze mit. Und hilft. Hört zu, rät, ist da. Nimmt es ernst. Weil man fühlt. Mitfühlt. Es entsteht ein Band, eine Freundschaft? Man könnte meinen. Dass die eine oder andere Anmerkung drüber hinausgeht, ignoriert man, in der Hoffnung, es sei ein Versehen. Und freut sich, wenn alles wieder im Lot, der Herzschmerz getilgt - mit einem kleinen Fragezeichen im Kopf der Anmerkung wegen. Das grössere Fragezeichen bleibt, weil plötzlich Stille herrscht. Das Band zerschnitten. Wieso? Was blieb von all den Worten? Phrasen nur? Schlechtes Gewissen? So oder so: was wirklich blieb ist das Gefühl, dass vieles leicht daher gesagt ist, man oft zweimal  überlegen sollte, ob man sich wirklich einhängen soll, Hilfe anbieten soll, wie man es im wahren Leben sofort täte. Und was noch viel mehr bleibt: man kriegt verdammt viel mit über andere Menschen. Über deren Beziehungen, deren Probleme, deren Lebenslügen. Und das ist erschreckend, weil man denkt: was kriegen die da draussen von mir mit? Und will ich das? Vor allem, wer kriegt es alles mit? Und wie tief? Und was macht er damit?

Soziale Medien sind sowieso Teufelszeug. Was mein bals 8ojähriger Papa schon lange unkt, scheint ein paar Wahrheiten zu haben. An dieser Stelle ein grosses Sorry zu meinem Papa, den ich immer mit genervtem Schnauben bedachte bei seinen Tiraden über das Internet und dessen Gefahren, über seine Warnungen vor Kinderfressern, Betrügern und Dieben, die da ihr Unwesen trieben. Ganz unrecht mag er nicht haben. Das Internet hat vieles erleichtert. Den Zugang zu Daten, den Zugang zu Menschen, den Zugang zu Herzen - oder wenn nicht Herzen so doch zur Versuchung. Ab und an vielleicht nicht mal bewusst, verstrickt man sich im Spiel mit dem Feuer. Beziehungen gehen in Brüche, weil der eine plötzlich den Mann/die Frau der Träume im Netz findet. Wenn das nur eine Illusion war, schaut man ganz schön doof in die Röhre (heute Flachbildschirm).

So sitzen dann Tag für Tag hunderte und tausende Menschen vor dem Bildschirm, twittern, facebooken vor sich hin, taggen, hooken, machen neue Freunde - und löschen sie wieder. Ganz cool, ganz unverbindlich, einfach mal so. Macht Spass. Der Begriff der Spassgesellschaft aus den 90er Jahren geht in eine neue Epoche. Und man muss wohl lernen, sich anzupassen. Sonst könnte man das noch ernst nehmen. Man könnte denken, Freunde seien Freunde und wollen nicht verletzen um des Spasses willen. Man könnte auch denken, Aussagen sind ernst gemeint. Da würde man wohl meist einer ganz grossen Illusion aufsitzen. Eigentlich schade. Und umso schöner, wenn man die Ausnahmen findet. Drum auch mal ein ganz grosses Dankeschön an die, welche ich über diese Medien kennen lernte und die mich doch teilweise über Jahre begleiten in meinem (realen) Leben.


Mittwoch, 20. Juni 2012

Das nächste Jahr wird besser

Es ist wohl komisch, im Juni ein Silvester-Thema anzuschneiden. Trotzdem kam es mir heute in den Sinn. Ich dachte nach. Das kommt ab und an vor. Bei mir zumindest. Und ich ging in Gedanken Jahre zurück. Ich erinnerte mich an all die Silvester, an denen ich dachte: Das nächste Jahr wird besser. Ich sass da und liess das vergangene Jahr Revue passieren, sah alles, was schwer war, was düster war, was Kraft kostete und war der festen Überzeugung: Das Jahr, das kommt, ist meines. Nun kann es nur noch aufwärts gehen. Und irgendwie... traf das nie ein. Im Gegenteil, es kam fast noch schlimmer. Enttäuschungen, Krankheiten, Todesfälle, schwierige Situationen pflasterten den Weg. Kämpfe an verschiedenen Fronten, ums Überleben, um Gerechtigkeit, um Liebe... und es hörte nie auf.

Man könnte denken, dass man das ein Jahr macht und eines Besseren belehrt wird. Vielleicht ein zweites Mal... aber Jahr für Jahr? Und doch: auch letzten Silvester sass ich wieder da und dachte: Das nächste Jahr wird besser. Es wird mein Jahr. Und das Jahr war wie jedes andere. Hatte schwierige Seiten. Herausforderungen, Rückschläge, Tiefschläge. Nur: es gab auch unendlich viele schöne Dinge. Immer wieder Highlights. Momente des Glücks. Kleine, grosse, wertvolle. Momente, in denen man die ganze Welt umarmen könnte. Einige zerbrachen wieder. Einige blieben. Aber sie waren da. Und gaben Kraft. Weiterzumachen. Weiterzuhoffen.

Und bei all dem kommt mir langsam die Erkenntnis: Das ist das Leben. Niemand sagte, es sei leicht. Niemand versprach das Paradies auf Erden (ausser vielleicht irgendwelche Heil versprechenden Märchenbücher). Das Leben ist ein Wachsen. An uns selber, an äusseren Umständen, an Beziehungen, an einsamen Momenten - am Leben selber. Wohin wir wachsen weiss niemand so genau. In die Erleuchtung? Die wahre Erkenntnis? Eigentlich ist es nicht wichtig. Wichtig ist, zu erkennen, dass wir es nicht ändern können. Wir können nur das in unserer Macht Stehende tun, das Beste draus zu machen.

Die Frage, die sich aufdrängt ist: Was ist das Beste? Ich denke, ein grosser Teil ist schon damit getan, sich einzugestehen, dass das Leben seine eigenen Gesetze hat, denen wir nicht entkommen. Es gibt Dinge, die liegen schlicht nicht in unserer Hand. Und die, welche in unserer Hand liegen, können wir nach bestem Wissen und Gewissen angehen. Im Wissen darum, dass das, was wir tun, das Beste ist, was wir geben können - für uns und andere. Und darum mit gutem Gewissen. Selbst wenn es dann schief geht, das Ergebnis nicht das erhoffte, erwünschte ist: wir haben uns nichts vorzuwerfen.

Mein Sohn sagte mal: "Weisst du Mama, ich kann nicht immer alles geben. Manchmal geht einfach nur ein Teil davon. Und dann gab ich ja nicht das Beste." Ich fand den Gedanken gut. Denn: Was ist das Beste? Es ist nicht das beste überhaupt Mögliche, sondern das, was in einem bestimmten Moment geht. Ab und an fehlt die Kraft, alles zu geben. Woher soll man also alles nehmen, wenn nichts da ist? Wenn man aber denkt, ich geb mal ein wenig, sehe dann, ob es reicht, kann wieder nachreichen, wenn nicht - dann darf man sich gerne an die eigene Nase fassen. Klar kommt man so ab und an durchs Leben, einige Glückspilze sogar sehr lange. Doch irgendwann wird man anstehen. Und merken, es geht nicht weiter. Im Gegenteil. Und dann wird man sehen, dass man nie gelernt hat, an seine Grenzen zu gehen. Einsatz zu zeigen. Man ruhte sich auf halber Strecke aus. Gab sich zufrieden. Es reichte. Und selbst wenn man so ab und an bessere Ergebnisse erreichte als andere: Sie waren nicht höher zu bewerten. Weder nach aussen noch nach innen. Denn im Innern, irgendwo, bleibt die Stimme: Ich habe das nicht verdient. Und sie nagt. Am Anfang unbemerkt, später lauter. Glücklich macht das nicht. Und auch all das Geld, aller Reichtum, alle äussere Achtung nicht. Wirklich zählen tut die innere Achtung. Schlussendlich. Wenn alles andere wegfällt, weil es platt wurde. Und dann steht man da. Nackt. Vor sich. Und fragt sich.

Ja, es kann besser werden. Immer wieder. Anfangen kann man nur in sich selber, bei sich selber. Indem man tut, was man tun kann. Und diese Gewissheit bewahrt: Ich habe mein Bestes gegeben. Und stolz auf sich ist. Sein kann. Denn dann erkennt man auch: Wahre Zufriedenheit kommt nie von aussen. Sie wächst aus einem selber. Und klar ist es schön, wenn äussere Dinge sich ergeben, schön sind, Freude machen. Wenn aber das innere Feuer der Freude und der Zufriedenheit nicht brennt, werden die äusseren in Rauch aufgehen, ohne je Wärme abgegeben zu haben.

Donnerstag, 14. Juni 2012

Wider die Vernunft

Als ich heute die Treppen hochstieg zu meiner Wohnung, sinnierte ich über die Vernunft. Vom Menschen als ihm eigene und ihn über das Tier erhebende Eigenschaft erkannt und gewertet. Wer kennt nicht Sätze wie:

  • Du musst doch vernünftig sein!
  • Ist das wirklich vernünftig?
  • Du verhältst dich absolut unvernünftig. 

Wer hat nicht schon geschwankt zwischen dem, was vernünftig wäre und dem, was er will. Und sich vielleicht dann zum Satz geflüchtet:

Le coeur a ses raisons que la raison ne connaît point.

Was aber ist eigentlich Vernunft? Mir kam auf die Schnelle folgende Definition in den Sinn:

Vernunft ist das, was bleibt, wenn alle Gefühle rationaler Berechnung gewichen sind. 

Und wenn ich dann in mich gehe und mich frage, ob ich das will, schreit alles in mir ganz laut: NEIN. Ich möchte gar nicht vernünftig sein. Ich möchte meinem Herzen folgen und tun, was ich tun möchte. Ich möchte nicht bei allem meine Gefühle wegpacken und die Dafürs und Dawiders gegeneinander stellen, möchte nicht ständig im Widerstreit der gegenteiligen Argumente hin und her geschleudert sein und innerlich denken: Aber ich will doch.

Und doch, bei all dem Wollen und Sehnen und innerlichen Schreien und Freistrampeln von all den ach so vernünftigen und rationalen und so unromantischen Begründungen und Argumentationsketten ist neben der Stimme, die doch eigentlich will, auch oft die Stimme, die sagt: Ich kann doch aber nicht. Die Stimme kommt von tief unten. Zwar ist sie vielleicht nicht so sehnsüchtig, nicht so lustvoll, aber doch sehr präsent. Und eingeübt. Und eingeimpft. Von klein auf. Bei vielen dieser Stimmen hört man noch den Tonfall des sie ursprünglich Aussprechenden und damit Einimpfenden mit.

  • Du kannst nicht einfach schnell barfuss zum Briefkasten laufen, du erkältest dich - Papa drückt durch. 

  • Du kannst das Geschirr nicht stehen lassen, was du heute aufräumst ist morgen nicht mehr da - wieder Papa. 

  • Du kannst nicht einfach laut singen, deine Stimme ist hässlich - Barbara aus der zweiten Klasse (ich sang nachher nie mehr laut, zumindest nicht, wenn jemand zuhörte)

Aber ich will doch! Aber was, wenn ich mich dann erkälte? Was, wenn ich morgen in die Küche komme und mich ärgere, dass der Abwasch noch nicht gemacht ist? Was, wenn alle lachen, weil ich so schrecklich singe und sich fragen, ob ich nicht wisse, dass meine Stimme ganz schrecklich ist?

Du kannst dem nicht einfach sagen, dass du dich verliebt hast. Was, wenn er nur Spass will ("der will doch nur spielen, der bleibt nicht" - Frei nach Hundebesitzer)? Was, wenn ich ihn damit vergraule? Was, wenn ich mich bloss stelle? Lächerlich mache? Ich kriege schon hochrote Ohren, wenn ich daran denke. Ich kann doch wirklich nicht. Und sitze da. Aber ich will doch? Also eigentlich will ich ja nicht, aber ich möchte wissen, was er will und das weiss ich ja nur, wenn ich endlich mal sage, was ich will, denn er sagt ja nichts. Wobei eigentlich könnte auch er etwas sagen, ich meine, er ist ja der Mann. Wobei, es könnte ja auch ein gutes Zeichen sein, dass er nichts sagt, weil das würde ja darauf hinweisen, dass er vielleicht schüchtern ist. Und nicht so geübt. Würde er gleich rauspreschen und mir die Sterne vom Himmel holen, könnte das ja durchaus sehr routiniert aussehen. Aber trotzdem will ich eigentlich, dass er was sagt. Und eigentlich will ich auch selber was sagen. Das ist alles verdammt schwierig.
Vernunft ist irgendwie die sichere Seite, bei der man immer schön ohne Risiko, weil berechnet und damit rational durchs Leben geht. Leider bleibt dabei auch viel auf der Strecke. Und schlussendlich ist all die Berechnung auch nur Wahrscheinlichkeit, da sie immer den eigenen Gedanken entspringt, vielleicht abgestützt auf eigene oder fremde Erfahrungen, die auch wieder nur eine Wahrscheinlichkeit ist, da sie singulär und damit nicht absolut gültig.

Was bleibt? Es lebe die Unvernunft? Herz voran, Herz auf die Zunge und drauf los? Wer nichts wagt, der nichts gewinnt? Vermutlich ist ein Mittelweg das beste (wobei nur schon der Satz wieder sehr vernünftig klingt und damit die Vernunft schon wieder siegreich scheint). Das Herz lenkt, das Herz bestimmt, die Vernunft kann Fallschirm sein. Wenn einen nur eigene Ängste hindern, etwas zu tun, das man gerne tun möchte, die Gefahren nicht wirklich schlimm, sondern vielleicht ein wenig gebrochenes Herz und verletzter Stolz sind, ist das, was man gewinnt, wenn man dem Herzen folgt, um einiges wertvoller, denn man hat sich getraut, zu sich selber zu stehen. Und selbst wenn nicht das dabei rauskam, was man sich erträumt hat, so doch das Gefühl, ganz sich selber gewesen zu sein. Und irgendwann wird man auch merken, dass das das Schönste überhaupt ist. Und witzigerweise auch das, was einen meist weiter bringt. Niemand lacht einen aus, weil man Gefühle zeigt. Selbst wenn sie nicht erwidert werden. Und tut es einer, dann wäre er es sowieso nicht wert gewesen. Menschen, die auf deinen Gefühlen rumtrampeln, sie mit Füssen treten, sich darüber lustig machen oder sie schlicht nicht behutsam behandeln, sind es nicht wert, sich nicht zu trauen, zu ihnen zu stehen. Denn schliesslich und endlich zeigt es nur die Schwäche der anderen, indem sie nämlich sehr wenig gefühlvoll umgehen - und wie sie das mit dir tun, tun sie das mit grösster Wahrscheinlichkeit mit sich selber.



Vielleicht wäre es vernünftiger gewesen, diesen Blogbeitrag zuerst zu gliedern im Kopf, stichwortartig zu Papier zu bringen, den roten Faden zu suchen, statt ihn in wenigen Minuten im Akkord in die Tasten zu hämmern. Aber mir war grad danach. Ich wollte einfach. Und so tat ich. Und immerhin, wer das noch liest, blieb  bis zum Schluss. Danke!

Donnerstag, 7. Juni 2012

Sex sells

Wieder einmal wurde ich durch einen Blog von Gesine zum Nachdenken gebracht. Ist ein Buch sexy? Muss es das sein?

Dass die Gesellschaft immer mehr sexualisiert wird, macht schon lange die Runde. Sex sells - so das alte Wort und es hat viel Wahres. Autos und Motorräder werden mit nackten Frauen aufgewertet, Filme mit Bettszenen gespickt, Fotomodelle haben immer weniger Stoff und immer mehr Haut. Joghurtwerbung zeigt den flachen sexy Bauch und Schokoriegel werden von ultraschlanken Joggerinnnen in knappen Höschen beworben. Die Strategie scheint Erfolg zu haben, sonst wäre sie einer neuen gewichen. Ich denke aber nicht, dass sie überall funktioniert und ich denke zudem, dass irgendwann mal Schluss ist, das Mass voll. Langsam macht sich auch Überdruss breit. Hörte man am Anfang noch die Feministinnen aufschreien und sich über Sexismus beklagen - was wohl das Interesse daran eher steigerte denn minderte -, so sieht man immer mehr gelangweilte Gesichter. Krimis werden nicht spannender, wenn sich der Kommissar die halbe Zeit statt dem Fall der netten Praktikantin zuwendet und auch Actionfilme nicht mitreissender, wenn die Agentin mehr Wert auf den Schlitz im Rock als auf die Verfolgung des ewig Bösen legt.

Wie steht es beim Buch? Das Cover ist sicher ein Kriterium für den Buchkauf. Spricht es an, ist schon mal der erste Blickkontakt hergestellt und der erste Eindruck ist doch immer auch ein prägender. Ob das aber sexy sein muss? Ich wage es zu bezweifeln. Ich denke, gerade bei Büchern ist das Argument eher nicht massgebend. Das Cover und die Aufmachung sollten das widerspiegeln, was drin ist. Wenn ich ein Sachbuch zum Unergang des Dritten Reiches lesen will, wird mich ein Cover mit einem amerikanischen, leicht bekleideten Pinup Girl eher abschrecken, denke ich mal. Da könnte es so sexy sein, wie es wollte. Bei Büchern und ihrem Erscheinungsbild gilt es also, den Inhalt prägnant, eingängig, geschmackvoll und treffend zu präsentieren.

Ist ein Buch an sich sexy? Spontan kam mir das in den Sinn:

Die kühle Seide des Lakens schmiegt sich an den Körper, während das Papier des Buches neben mir ein verlockendes Rascheln von sich gibt. Was verbirgt sich hinter der nächsten Seite? Womit werde ich beglückt? Meine Spannung steigt ins Unermessliche, langsam fahre ich mit der Zunge über die Lippen. Der Buchdeckel liegt warm durch die Berührung in meiner Hand. Er fühlt sich so vertraut an. Ich halte es nicht mehr aus. Ich muss es wissen. Ich blättere um uns stürze mich gierig in die Buchstaben.


Ist ein Gegenstand an sich sexy? Ich denke kaum. Das sind Zuschreibngen, die die Werbeindustrie macht. Sie will damit erreichen, dass etwas mehr Anklang findet und damit gekauft wird. Das habe ich oben schon erläutert. Muss ein Buch sexy sein? Die Frage wäre: wieso? Was bringt mir ein sexy Buch? Denke ich dann beim Lesen, wenn ich nicht mehr weiter mag, weil es ätzend ist, dass es aber sexy ist und lese beschwingt weiter? Klar, man könnte sagen, das Buch ist dann schon gekauft und damit die Rechnung aufgegangen. Langfristig wird das sicher nicht klappen. Bücher sind sicher eher nicht sexy. Ihnen haftet was streberhaftes an, etwas langweiliges, ruhiges. Und heute muss alles schnell, cool, trendig sein. Daher wohl die neue Schiene, auf die man das Buch zwingen will. Man erhofft, einen neuen Markt zu eröffnen. Den der coolen Menschen. Man vergisst dabei, dass das, was man mit dem wenn auch noch so sexy Gegenstand machen kann, immer dasselbe bleibt: lesen. Und das mag man oder mag es nicht. Man greift sicher eher zum Buch im Laden, wenn das Cover anspricht. Aber das tut es auch ohne Sexappeal - ich wiederhole mich.

Bin ich sexy, wenn ich lese? VIelleicht, wenn ich wirklich in kühler Seide mich räkelnd da liege. Aber auch das hat dann eher wenig mit dem Buch zu tun. Was bleibt? Buch bleibt Buch. Und damit wohl eher unsexy. Und das ist in meinen Augen auch gut so, Zwar verstehe ich den verzweifelt anmutenden Kampf um den immer kleiner werdenden Markt durch die immer grösser werdende Konkurrenz, allerdings wird man den in meinen Augen nicht gewinnen, indem man auf Attribute setzt, die mit dem Produkt wenig gemein haben. Sinnvoller wäre es, die Stärken des Produkts hervorzuheben und derer gibt es genug. Auf das von allen anderen Kampagnen schon eher abgenutzte Konstrukt des "Sex sells" zu setzen, kommt eher einer Abwertung des Buches gleich, da man ihm damit die eigenen Vorzüge abspricht und es über andere Wege an den Mann/die Frau zu bringen hofft.

Mittwoch, 6. Juni 2012

Abu Jahia al-Libi - Mord oder Notwehr?

Wieder hat mich ein Blog zum Nachdenken gebracht. Die Gedanken sind noch nicht ausgereift, sondern eher spontane Durchzüge durch meine Gehirnwindungen. Aber vielleicht regen sie den einen oder anderen auch zum Nachdenken an und wer weiss, vielleicht kriege ich die eine oder andere Resonanz, die mich wieder anregt? Denken im Austausch führt in meinen Augen weiter als das Denken im stillen Kämmerlein. Das ist eher ein Selbstgespräch und führt - man sah es in Sils Maria - oft in unerwünschte Abgründe der menschlichen Psyche, die auch Krankheit genannt werden.

Abu Jahia al-Libi ist tot. Der Tagesanzeiger berichtete darüber und mein Freund Thomas entsetzte sich in seinem Blog über die Handhabe der Amerikaner, deren Präsident Friedensnobelpreisträger ist und bewilligte, dass ein Mensch ermordet wird. Hat er damit ein Menschenrecht verletzt? War es verwerflich? Ein nicht zu rechtfertigender Übergriff, der das Grundrecht eines anderen auf Leben torpedierte? 

 Es ist ein schwieriges Thema. Ich war mal an einer Wissenschaftlichen Arbeit dran, die untersuchen sollte, ob humanitäre Einsätze in besetzten Staaten nicht die Souveränität des Landes untergraben. Und ob man sie trotzdem rechtfertigen kann. Die erste Frage, die sich dabei stellt: Was ist ein humanitärer Einsatz? Welche Einsätze kann man mit moralischen (so klingenden?) Argumenten hinreichend begründen, dass man die Souveränität eines anderen Landes aushebeln kann?

Der hier Ermordete hat sich mehrfach gegen die USA ausgesprochen. Propagierte Angriffe, die mehrere Tote in den Staaten zur Folge hätten. War es Notwehr? Im weitesten Sinne? Ist es legitim, dass er deswegen auf der Abschussliste stand? Im zivilen Recht wäre es das in der Schweiz nicht, der Abschuss sicher nicht, nicht mal eine Sanktion sonst. Keine Strafe ohne Tat. Und vor allem "Nulla poena sine lege" - keine Strafe ohne Gesetz. Es müsste erst was passieren und das müsste einen rechtlich verankerten Tatbestand erfüllen.

Was aber, wenn die Drohnungen in diesem Falle wahrgemacht worden wären? Ein neuerliches 09/11? Wären die Stimmen nicht laut, es sei angekündigt gewesen, wieso man nichts gemacht hätte?

Wer ist Täter? Wer ist Opfer? Sind die Bösen die, die ihr Land schützen? Sind die Mittel zu grob? Was wären angebrachte Mittel? Was hinreichende? Ist das Opfer der nun Tote? Hätte er das Menschenrecht auf das eigene Lebens gehabt und das hat man bösartig genommen? Hat er im Gegenzug Menschenrechte geachtet? Hat seine Organisation es je getan? Aber gilt deren Haltung als Entschuldigung? Auge um Auge, wie du mir, so ich dir?

Ich denke, es ist ein schwieriges Problem, dem man mit ein wenig Entsetzen und Schuldzuweisungen nicht Herr wird. Thematisieren muss man es aber und nachdenken drüber auch. ICH kenne keine Lösung und keine Antwort. Wer kennt sie wirklich? Ich bin aber sicher, im Diskurs kommt man ihr näher. Und dazu sind solche Gedankenanstösse super.

Sind Bücher out?

Angeregt durch den Blogeintrag von  Gesine von Prittwitz bei SteglitzMind machte ich mir heute meine Gedanken zum Thema Buch und ob es nicht langsam out wäre. Die Stimmen hallen ja schon lange durch die Regale und Buchläden, die Verlage unken es und fürchten sich. Die neuen Medien scheinen auf dem Vormarsch und dabei das gute alte Buch zu verdrängen. Die einen betrauern die guten alten Zeiten und fürchten, sie seien unwiederbringlich dem Untergang geweiht, die anderen verstehen den Aufruhr nicht und fragen sich, wieso einem simplen Gegenstand wie einem Buch so viel Aufmerksamkeit zukommt.

Wieso wird das Buch so hochgehalten? Wieso hat e einen höheren Status als ein Autoreifen, eine Zahnbürste? Ich denke, die Gründe sind vielfältig.
Wer ist nicht schon mit einem Buch in eine andere Welt entschwebt? Hat genossen, neue Gedanken kennen zu lernen, Abstand vom Alltag zu kriegen? Bücher sind kleine Oasen und als solche haben sie einen hohen Stellenwert.

Bücher sind Kunst. Wie Bilder. Wie Musikstücke. Damit heben sie sich von einer Zahnbürste als blossem Gebrauchsgegenstand ab. Klar könnte man den Inhalt des Buches anders transportieren, auf dem Computer, auf Tablets. Trotzdem behält das Buch seinen Stellenwert neben diesen neuen Wegen der Übermittlung. Ein Teil dieses Wertes ist wohl der Nostalgie geschuldet. Man wuchs (heute noch) damit auf, man ist gewohnt, in Büchern zu blättern. Man weiss noch, wie man als Kind unter der Bettdecke las, geniesst das ganze Drumrum des Buches mit.

Bücher haben Substanz. Die hat ein Tablett auch, aber eine andere. Es ist kälter, ferner. Das Buch liegt warm in den Händen, ich kann reinschreiben, kann die Seiten riechen, die Druckerschwärze riechen. Ich kann von Hand blättern. Es ist unmittlbarer. Beim Tablett steckt viel Technik dahinter. Das ist immer noch fremd. Trotz aller praktischen Seiten wie Hintergrundbeleuchtung, die das Lesen unter der Bettdecke vereinfacht (selber schon probiert). Man fühlt sich damit nicht vertraut und spätestens, wenn die Technik streikt, ist alles aus.

Wieso muss man die beiden überhaupt gegenüberstellen? Sie können ja nebeneinander bestehen bleiben. Das Auftauchen der Fotokameras war auch nicht das Ende der gemalten Kunst, Fernsehen hat das Theater nicht ausgeblendet. Klar, es fanden Verschiebungen statt. Der Markt musste geteilt werden. Aber schlussendlich fanden alle ihren Platz - mit Verschiebungen, mit Veränderungen zu früher, aber sie hatten weiter Bestand.

Noch nie mochten alle Menschen Bücher. Es gibt sehr viele Menschen, denen Bücher egal bis hin zu einer Plage sind. Das war immer so und wird wohl immer so bleiben. Diese Menschen machen sich aber auch kaum Gedanken über das Büchersterben, sie sind nur froh, wenn sie keine lesen müssen. War man früher auf Bücher angewiesen, um ein wenig BIldung zu kriegen,  geht das heute auf anderen Wegen. Das ist durchaus ein Gewinn, da Bildung trotz allem wichtiger ist, als gerne zu lesen. Sage ich als Buch- und Literaturliebhaber. Schon da hat der Wert des Buches abgenommen, man muss keine Bücher mehr haben, um als gebildet zu gelten. Trotzdem vermittelt ein volles Bücherregal im Wohnzimmer diesen Eindruck noch heute. Das sind Bilder in Köpfen, Assoziationen. Die sterben nicht so schnell aus. Und das ist vielleicht auch gut so. Denn sie haben auch ein Stück Wiedererkennungswert und Stabilität in sich.

Es bringt in meinen Augen nichts, in einen Trauergesang um das Büchersterben auszubrechen. Sterben werden sie nicht. Sich neu einordnen in einem immer grösser werdenden Dschungel an Möglichkeiten aber schon. Es findet quasi eine Art Evolution im kulturellen Bereich statt.

Montag, 4. Juni 2012

Teilhaben am Leid anderer oder einfach mal fröhlich sein

Kürzlich am Küchentisch fanden im Hause Cosima wieder einmal die üblichen philosophischen Diskussionen statt. Auslöser war ein ganz profanes Thema: "Mama, was für Filme schaust du gerne im Kino?" Also mein Sohn das nicht wüsste, stossen wir doch zu Hause beim Fernsehprogramm wie auch im Kino immer wieder an unsere Kompromissgrenzen. Er schaut alles gerne, das mit Action, Science Fiction, Agenten, Spannung zu tun haben, ich schaue - das Lied "weil ich ein Mädchen bin" kommt mir grad in den Sinn - gerne Liebeskomödien oder aber Filme über die Shoah, das Dritte Reich, die Zeit des Krieges und der verfolgung. Dieses Interesse fängt nicht bei den Filmen an, das tut es in der Wissenschaft, erstreckt sich über die Literatur bis in den Film hinein. Mein Sohn schaut mich gross an und sagt mit noch grösserem Ernst: "Mama, wieso beschäftigst du dich mit diesen Dingen? Die sind vorbei und so traurig. Wir sollten fröhlich sein heutzutage und fröhliche Dinge schauen." Ich versuchte etwas von historischer Verantwortung und nicht vergessen dürfen zu erklären, die Argumente griffen wenig. Nicht dass mein Sohn nicht interessiert an Geschichte wäre, das ist er sogar sehr, die einzigen Bücher, die mein nicht lesendes Kind liest, sind Geschichtsbücher (vornehmlich über Römer). Trotzdem bleibt er dabei: Es bringt nichts, sich mit traurigen Dingen zu beschäftigen, die nehmen einem die Freude und es ist besser, zu lachen und fröhlich zu sein.

Nun ist es nicht so, dass ich nie lache, im Gegenteil. Aber die Beschäftigung mit diesen doch eher düsterern Themen nehmen einen grossen Platz in meinem Leben ein. Dass ich mich an dieses Gespräch erinnere, kommt nicht von ungefähr, sondern wurde durch den Blog eines lieben Freundes angestossen: http://lautenist.livejournal.com/58000.html?view=138640#t138640 Er stellt sich auch die Frage, ob es Voyeurismus ist, Freude am Leid anderer, wenn man sich damit beschäftigt.

Was packt mich an dem Thema - bei mir dem Thema der Judenverfolgung, der Vernichtung, des Leids von Millionen von Menschen? Es ist nicht ein Gefühl der Freude über ihr Leiden, eher schon Trauer, Wut, Entsetzen. Interesse ist nicht immer positiven Gefühlen geschuldet. Woher aber rührt die Trauer, die Wut? Icih denke, sie lässt sich auf das Unverständnis zurückführen, wie Menschen so sein können. Es ist das wissen Wollen, wie es dazu kommen kann. Was die einzelnen Menschen angestachelt hat. Ich möchte die Mechanismen dahinter erkennen, sie durchschauen - um immer wieder zu sehen: sie sind nicht zu verstehen. Vielleicht ab und an zu erklären. Ab und an zu bechreiben. Aber zu verstehen? Nicht im Herzen. Ganze Regale zu dem Thema habe ich gelesen, jedes neue Buch drängt sich mir wieder auf, jeder neue Film muss gesehen werden. Das Thema hat eine Gewalt. Und in mir den Zwang, dran zu bleiben. Aus einer inneren Pflicht heraus, einer Verantwortung. Als Mensch. Das, was mein Sohn nicht als Argumente gegen die Freude gelten liess, stimmt doch ein Stück weit für mich. Es darf nicht vergessen werden. Es muss weiter gehen. Weiter bedacht werden, dessen muss weiter gedacht werden. Es darf nicht sein, dass so viele Menschen in den Tod befördert wurden, damit man ie nachher noch ganz vergisst. Und damit quasi zum zweiten Mal tötet. Denn was bleibt, ist die Erinnerung. Die Überlebenden spürten die Pflicht, Zeugnis abzulegen, die Erinnerung zu bewahren ganz deutlich. Und wenn diese Überlebenden auch nicht mehr leben, ist es an den nachkommenden Generationen, weiter zu gedenken.

Trotzdem hat mein Sohn natürlich recht. Freude darf und soll sein. Wir tun niemandem einen Gefallen, uns die Freude am Jetzt zu nehmen, nur weil im Gestern Menschen litten - es auch im Heute noch tun. Was wir aber tun können ist, unsere Freude bewusst zu sehen, sie bewusst zu leben und dankbar zu sein, dass wir in der Lage sind. Und dabei nie zu vergessen, dass es nicht selbstverständlich ist, ein Privileg  gar.

Zusammenbleiben

Eine schlaflose Nacht brachte es mit sich, dass ich einen Film schaute, zuerst in der Hoffnung, dabei einschlafen zu können, dann mit immer mehr Gefallen am Gesehenen selber. Ein Kleinunternehmer, gutaussehend, Familienvater von drei Kindern, verheiratet mit einer eigentlich hübschen, ihm aber wohl zur Gewohnheit gewordenen Ehefrau, welche mehr an Alltag denn an Erotik denken liess, verliebte sich (nicht zum ersten Mal in seiner Ehezeit) in eine Frau (die, man hat es erahnt, nicht die seine war). Die Liason dauerte ein paar Monate, die Ehe daneben plätscherte dahin, die Frau fühlte sich allein gelassen, keifte, was sie nicht attraktiver machte für den Mann. Ganz Unschuld von Lande war sie auch nicht, auch ihre Ehekarriere war durchbrochen mit sicher zwei Affairen. Reingeschlittert aus dem Wunsch, begehert zu werden, aus der Vernachlässigung heraus, vielleicht auch aus Frust über den Alltagstrott.

Irgendwann das Unvermeidliche: die Sache kam ans Licht. Vorher zwar erahnt, war nun klar für die Frau: da ist eine andere Frau. Und der Mann stand in der Situation, dass diese andere Frau eine Entscheidung haben wollte. Die Trennung wurde beschlossen, man redete erst emotional, den anderen verletzen wollend, vielleicht um ihm ein wenig von der eigenen Verzweiflung, die in diese Situation geführt hatte, abzutreten, dann sachlich. Trennte sich in derselben Nacht, die Frau noch nüchtern, er eher weniger, was ihm im Auto nicht gut bekam. Er landete in der Ausnüchterungszelle. Da weinte sie nun zu Hause aus Trauer über das, was sie verloren hatte, was doch nicht nur Alltag, Gewohnheit war, sondern auch Erinnerung, Lebensinhalt, eigenes Leben. Er tat das Gleiche in der Zelle, plötzlich bewusst, dass ihn doch mehr mit dieser Frau verbindet als die Kinder und die Zahl der Jahre. Am nächsten Morgen trennt er sich von der Nebenfrau, die ins Schlittern geratenen Geschäfte können dank der Hilfe der Nochfreu aufgefangen werden und am Schluss sieht man die beiden in den lange geplanten und immer verschobenen Urlaub fahren. Im Wissen, dass es nicht nur einfach werden wird und eitel Sonnenschein, aber doch nachdenklich geworden.

Die Filme und Bücher über das Zusammenbleiben scheinen sich zu mehren. Waren früher eher Kennenlerngeschichten aktuell, stolpere ich immer mehr über die, welche die Fortsetzung der Anfangsromantik thematisieren. Zufall? Zeichen der Zeit? Ich weiss es nicht, nutze es aber zu eigenen Gedanken.

Früher war mir eines klar: Ein Seitensprung wäre das unweigerliche Ende. Treue als oberste Maxime, ohne Toleranz. Ich bin älter geworden. Vielleicht ruhiger. Bestimmt ruhiger. Und wohl auch nachdenklicher. Zudem hat die Erfahrung des Lebens einiges mit sich gebracht. Eine Beziehung, welche aus Liebe entsteht, aus Romantik auch, aus vielen Wünschen und Träumen des Miteinanders, des Wachsens, gemeinsam, aneinander ist etwas Wertvolles. Das zu erkennen dürfte noch keine Hexerei sein. Was aber so blumig und schön anfängt, bleibt selten so, das Leben geht weiter, das Leben ist nicht immer einfach, äussere Einflüsse tun das ihre, innere Stimmungen zu erzeugen, nicht immer nur positive. Zwei Menschen sind nie identisch, Wünsche prallen aufeinander, Bedürfnisse, widersprechende, sich ab und an ausschliessende. Kompromisse sind wichtig, nicht immer befriedigend. Ab und an kommt die Sehnsucht nach Unabhängigkeit dazu, nach Neuem, nach Abenteuer. Verlockungen sind nicht selten, wenn gar Möglichkeiten da sind... wird das Schwierige noch schwieriger, der Schlussstrich scheint der einfachere Weg.

Das mag in jungen und umabhängigen Jahren noch zutreffen, doch selbst dann kommt nicht immer etwas Besseres nach. Je älter man wird, je mehr in einer Beziehung auch verbindet, desto weniger trifft es in meinen Augen zu, dass Gehen die bessere Alternative ist. Erstens wird alles erst mal Neue irgendwann alt, zweitens werden mit jedem neuen Menschen auch neue Probleme auftauchen und drittens ist im Alten nie alles nur schlecht, so dass einem irgendwas ganz schrecklich fehlen wird, wenn der Mensch erst mal weg ist. Dazu kommt - und das wiegt viel schwerer: Die Vertrautheit, die man über die Zeit aufgebaut hat, wird in einer neuen Beziehung nie so da sein. Selbst wenn man denkt, den Seelenverwandten getroffen zu haben, der einen blind versteht. Nach dieser anfänglichen Blindheit gehen beiden meist die Augen auf und von dem Verstehen bleibt nicht mehr ganz so viel, Unterschiede tauchen auf.

Es gibt viele Sprüche heute darüber, dass man viel zu schnell aufgibt, nicht mehr kämpft, sich nicht mehr zusammenrauft. Man möchte es als leere Weisheiten abtun, möchte dagegen halten. Das Argument der neuen Möglichkeiten der Frau, die das erst realisierbar machten, ist schnell bei der Hand, auch nicht ganz von derselben zu weisen. Und doch bleibt ein Funken Wahrheit dabei. Ob man heute wirklich glücklicher ist damit? Ich wage es zu bezweifeln.

Was ich aber ganz konkret durch diesen Film überlegte, war: wieso ist der Umstand der sexuellen Treue so relevant, so wichtig? Vieles andere wäre man bereit, zu verzeihen, aber bei dem sagt man: Game over. Ist Sexualität so viel wichtiger in einer Beziehung als Liebe, als Miteinander, als Freundschaft, als Vertrauen. Klar, dieses Vertrauen wurde verletzt durch einen Seitensprung, aber andere Vertrauensbrüche würde man leichter wegstecken. Sie wären schmerzhaft, aber nicht das Ende. Grundsätzlich sind sie aber alle dasselbe. Alle Vertrauensbrüche gehen darauf zurück, dass man etwas tat, von dem man wusste, der andere wäre verletzt, der andere würde leiden. Und man tat es doch. Heimlich. Weil man a) nicht verletzen möchte und b) nicht verlieren, was man hat. Sei es aus Gewohnheit, aus Bequemlichkeit oder doch auch Liebe. Trotz allem. Ich bin durch all das zum Schluss gekommen für mich, dass ich es heute wohl nicht mehr so rigoros sagen könnte. Klar erwarte ich nach wie vor Treue - genauso aber auch Ehrlichkeit auf anderen Ebenen. Ich habe keine Hierarchie mehr in diesem Wunsch. Die sexuelle Ehrlichkeit wiegt dabei nicht höher als jede andere, denn der Verlust an Vertrauen ist bei allen Brüchen derselbe. Wäre diese eine Ebene die alleinausschlaggebende, wäre es ja auch die einzige Ebene, die die Beziehung zusammenhält. Aber da ist so viel mehr. An Austausch, an Halt, an Gefühlen, an Herausforderung - und auch an Gewohnheit.

Gewohnheit hat oft einen langweiligen Touch. Alles muss immer neu sein. Aufregend. Dabei übersieht man, dass Gewohnheit auch ganz viel Sicherheit und Geborgenheit vermittelt. Und damit auch ein Stück Ruhe. Auch das kann wertvoll sein. Aufregend genug ist das Leben meistens selber. Und wenn der geliebte Mensch es auch ab und an ist, weil er es sein will, sich die Mühe gibt, es zu sein, dann ist eigentlich schon viel erreicht. Den Wert der Zeit wird Neues nie aufwiegen können. Beziehungen werden nie tief, wenn der Faktor Zeit fehlt. Und gerade diese Tiefe lässt wachsen - sich und den andern und beide zusammen. Drum sind eigentlich diese neuen Liebesgeschichten die interessanteren. Weil sie mehr über den Menschen an sich aussagen. Und damit auch über einen selber.

Das alles ist blosse Theorie. In diesem Punkt liebe ich die Theorie mehr als den Praxisbezug - wie es sich für eine Philosophin wohl auch gehört. :)

Samstag, 2. Juni 2012

Endlich leben

Das Leben war oft grausam mir,
Hürden, ganze Berge standen.
Als ich begegnete dann dir,
sich alle meine Glieder wanden,
davon zu kommen, schnell und schneller,
da nicht sein konnt', was ich fühlte.
Doch es wurde hell und heller,
wie wenn Flut den Sand wegspülte,
der über mein Leben sich gelegt,
mich immer tief und tiefer drückte,
ihn aber trotzdem noch gehegt,
als ob er mich seit je beglückte.
Es war Zuhause mir, dies düstre Loch,
in das ich kroch tagaus, tagein,
und sehnte mich wehmütig doch,
das konnt nicht all's gewesen sein.
Sachte fing ich an die Mauern
einzubrechen, Stein für Stein,
ab und an auch mit Bedauern,
liess ich nun das Licht herein.
Lernt' es schätzen, lernt' es lieben,
fühlte bald, wie gut es tut,
Sand und Dunkel war'n vertrieben,
in mir regt' sich neuer Mut.
Zwar kehrt die Angst zeitweise wieder,
dass das Dunkel kehrt zurück,
dass sie stimmen, all die Lieder,
die besing'n verlornes Glück.
Doch bleibt nur eins - es heisst, vertrauen,
dass du bleibst, ich werd's erleben,
möchte lieben, auf dich bauen,
denn nur so ist leben Leben.

Hintenrum

Was kümmern mich Menschen, die hiner meinem Rücken über mich sprechen? Die schaue ich eh nur mit dem Hintern an.

Wieso sprechen so viele lieber hinter dem Rücken von andern, statt sich direkt mit dem Menschen auseinanderzusetzen? Wo liegt der Kick? Gibt es eine innere Befriedigung? Oder weiss man selber, dass das, was man sagt, eigentlich falsch ist, man es deswegen nicht vorne rum der entsprechenden Person ins Gesicht sagen kann? Weil man fürchtet, die Antwort könnte einen selber mehr treffen, als man den anderen trifft?

Wenn ich etwas nicht vorne rum sagen kann, müsste ich mich fragen, wieso das so ist. Es gibt verschiedene Gründe:
  •  Ich will mit der Person nichts zu tun haben - dann stellt sich die Frage, wieso sie so wichtig ist, dass ich mich dennoch mit ihr beschäftige und ihr meine Zeit widme, indem ich über sie spreche.
  •  Ich weiss, dass das, was ich sage, nicht richtig ist - wieso will ich es dann erzählen? Was will ich damit erreichen? Rache? Selbstbefriedigung? Aber wird es eine sein, wenn ich wissentlich Lègen erzähle? Wenn ich jemanden mutwillig schlecht mache? 
  • Ich weiss, dass ich den anderen Menschen damit verletzen würde - wieso sage ich es dann hintenrum? Die Gefahr, dass er es über Ecken trotzdem erfährt und dann umso verletzter ist, liegt auf der Hand.
  • Es macht Spass - wo genau liegt der Spass, hinter dem Rücken anderer zu sprechen? Weil man dann ungehemmt lästern kann? Worin muss die Lästerei bestehen, wenn man die Inhalte nicht auch vorne rum loswerden kann und gemeinsam lachen? 
So gesehen gibt es wohl keinen wirklichen Grund, hintenrum zu sprechen. Tut man es doch, liegt das Problem eher bei einem selber als bei dem, über den man redet - meistens schlecht redet. Und vielleicht wäre es sinnvoll, die Zeit, die man für das Gerede aufwendet, sich also mit einem anderen beschäftigt, mal für sich selber einzusetzen und zu schauen, was einen treibt. Was einen antreibt, gegen andere zu schiessen. Man könnte unter Umständen sehr viel mehr über sich selber lernen dabei als man über den andern zu wissen glaubt.

Und sollte je über einen selber hintenrum geredet werden: was kümmert es schon, wer mit unserm Hintern spricht. Schön ist es, wenn vor den Augen die Menschen stehen, die einem wichtig sind.