Samstag, 3. März 2012

Wo bin ich?

Ich bin denn mal weg - gehe mich selber suchen. Doch wo finde ich mich? In mir drin? Wo da? Im Kopf, im Herzen, im Bauch? Überall? Und wie komme ich in mich hinein? Reinhören? Ist es eine Stimme? Reinfühlen? Ein Gefühl? Am einfachsten wäre reinsehen mit Hilfe eines... CT? MRI? Einfach röntgen? Ultraschall? Das klappte ja schon mal...

Alles nicht so einfach, vermutlich suchen viele deswegen so lange und immer wieder. Und verwerfen irgendwann wieder, was sie gefunden haben, um wieder neu zu starten auf der Suche nach dem innersten Ich.

Im Yoga ist die Antwort eigentlich einfach: Ich bin... Ende. Ich bin nichts ausser Sein, Existenz. Da müsste man gar nicht mehr suchen gehen, da wäre man schon da. Quasi angekommen. Aber irgendwie strebt man ja auch im Yoga weiter - nach Erleuchtung. Die dann erreicht ist, wenn das Sein als solches absolut erkannt ist, man einsieht, fühlt, glaubt, denkt, zu sein und dass genau das das eigene Ich ist?! In dem Wissen könnte man dann ja aufhören, doch: wieso suchen dann so viele doch noch weiter? Was suchen sie? Krampfhaft den Punkt, der sie eben doch unterscheidet vom Alleinssein, von der Masse? Streben nach Individualität, koste es, was es wolle? Vielleicht sind wir wirklich alle gleich und es ist wirklich nur unser Geist, der uns von den andern separiert.

Konkret gesprochen sind wir wohl wirklich gleich, ein definierbarer Klumpen von Zellen, der nach meistens gleich aufgebauten Mustern funktioniert. Die Individualität kommt dann durch die Prägung und Eigenarten, die man sich im Laufe eines Lebens so aneignet. Und die möchte man ab und an ergründen, vielleicht, weil man nicht ganz zufrieden ist mit sich und seinem Leben, vielleicht, weil man merkt, dass gewisse Dinge immer wieder ähnlich laufen. Vielleicht auch, weil man sich irgendwie noch mehr erhofft im Leben und denkt, sich zuerst kennen zu müssen, um überhaupt herauszufinden, was es denn sein könnte.

Nur, gesetzt den Fall, ich finde mich: was mach ich dann mit mir? Dann sind wir ja zu zweit und meine Wohnung ist jetzt schon eng genug. Wir sässen dann gemeinsam auf dem Sofa, jeder in ein Buch vertieft. Das gefundene Ich in das, welches mir entspricht, weil ich ja endlich ich bin, ich selber in eines, das ich einfach aus der Unwissenheit gewählt habe. Und überall im Alltag müsste es dann ja so ablaufen: das wahre Ich macht das, was mir ganz entspricht während ich selber meine alten Muster weiter abtrample. Oder: verschwinde ich dann und nur noch das wahre Ich bleibt? Wo geh ich dann hin? Sterbe ich? Oder lebe ich erst richtig? Ist das nun nur existieren, leben kommt dann? Existierst du noch oder lebst du schon? Wobei: IKEA ist out. Ich nehme den Satz zurück. Ich könnte auch mit dem Rotstift durch mein Leben, das alte Ich ausradieren und das neue stünde da (wobei bei Möbelpfister passiert dann immer ein Abschreiber, was hier ja eigentlich umgekehrt wäre...). Und wenn ich weg bin, was machen dann alle die, welche mich so kannten? Haben die nun zwei Freunde oder gar keinen mehr - oder einen neuen?

Diese Suche nach dem Ich scheint eine schwierige Sache zu sein. Erstens ist der Weg dahin nicht ganz einfach und zweitens weiss man auch nicht, was einen wirklich erwartet... und vielleicht... vielleicht bin ich ja ich - genau so, wie ich bin, mit all den Schwächen, Ungereimtheiten, Fehlern, Unsicherheiten, auch Unentdecktheiten (schönes Wort, grad erfunden). Vielleicht bin ich genau so und liege offen da in meiner ganzen Unperfektheit, aber gerade darum gut so? Vielleicht ist der beste Weg zu sich selber, sich eben genau so anzunehmen, wie man ist, heute, jetzt. Und sich lieben zu lernen, mitfühlend, nachgiebig, aber auch kritisch. Sein eigener liebevoller Kritiker. Nicht der böse, der alles verdammt, verurteilt, beschimpft, sondern der, welcher umarmt, hinweist und hilft? Ich glaube, das fühlt sich gut an.

Ich, mir und mich sind zufrieden (wo kommt eigentlich der Dritte her?? Bis hier hin waren wir ja nur zwei...nun: aller guten Dinge sind drei)

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Wenn du dich gefunden hast, werden dich andere finden.
Wenn du dich liebst, werden dich andere lieben.
Wir sind alle ein Teil vom Ganzen :)

Thomas hat gesagt…

Ich halte die Frage „Suche nach dem Ich“ für falsch gestellt. Gemeint sind wohl eher Fragen wie „Was macht mich aus?“, „Was macht mich zu etwas Besonderem?“ oder „ Was ist mir wichtig?“ – diese Antwort auf diese Fragen ist natürgemäss eine Stichtagsbetrachtung, die keine ewige Gültigkeit beanspruchen kann. Voltaires „Candide“ geht diesem Thema (satirisch und sehr ironisch) nach. Er sieht die hochtrabenden Träume sehr skeptisch und meint, schlussendlich sind wir am zufriedensten, wenn wir uns zurücknehmen auf das Erreichbare. Er plädiert für Bescheidenheit.
Das ist in einer Zeit, in der Individualität zu einem Dogma erhoben wird natürlich nicht opportun. Werbung und Erziehung erklären uns seit frühester Kindheit, wir seien etwas Besonderes. Das sind wir auch – wie alle anderen auch. Und somit hebt sich diese Besonderheit wieder auf (Hobbes hat da vollkommen recht). Und wir befinden uns in diesem Konflikt „aller gegen alle“, den Hobbes anspricht. Die Lösung wäre wohl, Grenzen zu setzen. Diese Grenzen können von innen und von aussen gesetzt werden. Wir selbst können uns bescheiden (was Voltaire) anspricht oder wir können uns Regeln setzen, die unser Miteinander regeln (wie Gesetze, aber auch Traditionen, „der Knigge“, religiöse Vorschriften). Ich finde, wir befinden uns in einer Zeit, in der die individuelle Freiheit übermässig betont wird. Gleichzeitig fällt weg, was der Gesellschaft Halt gegeben hatte (Traditionen, Religion etc. zählen im Alltag immer weniger), so dass Konflikte vorprogrammiert sind.
Wie soll man sich als Individuum dazu stellen? Dem Herdentrieb folgen bedeutet heute, jeder Mode nachzurennen, den jeweiligen gesellschaftlich akzeptierten „common sense“ mitzumachen, wie es pubertierende Teenager tun. Das bedeutet allerdings „Beliebigkeit“. Es gibt keine verlässlichen Strukturen. Das siehst Du ja zum Beispiel an den „funktionalen Freundschaften“. Man kann sich auch über alles und jedes Gedanken machen und selbst entscheiden, wie man zu den jeweiligen Problemen steht. Das ist eine Herkules-Aufgabe, an der man verzweifeln muss.
Ergo: Ich denke, derjenige, der sich in unserer Gesellschaft Grenzen setzen muss, ist man selbst. Die oben gestellten Fragen definieren unsere Grenzen, innerhalb derer wir Entscheidungen treffen.

Cosima hat gesagt…

Thomas, wir sind uns (wieder einmal) einig. Ich sehe die grösste Haltlosigkeit auch im "ich kann alles haben und will es auch". Damit gerät man in einen Strudel von Machbarkeitswahn, der einen mitunter auf komische Fährten schickt, bei denen man selten wirklich sich selber findet, sondern eher die entsprechende Philosophie, die hinter dem gerade befolgten Pfad der "Freiheit über alles"-Bewegung steht. Schlussendlich muss das aber auch jeder für sich selber wissen, wie er leben will, was er suchen muss und wann das Leben sich als stimmig anfühlt.