Sonntag, 25. März 2012

Yoga boomt - Yoga bringt Erleuchtung

Yoga erobert die Welt. Es wird als Allheilmittel gesehen, soll eine bessere Welt schaffen, soll vor allem den einzelnen von seinen Leiden (körperlich wie geistig) erlösen. Yoga ist in aller Munde und wer was auf sich hält, der macht Yoga. Wenn man nur alle Positionen gut einnimmt, dann kommt die Erleuchtung von selber. Und so pressen sich alle schwitzend, angestrengt in die verrücktesten Posen, drücken noch ein wenig mehr, wenn es nicht so will, wie man will, mogeln sich vielleicht ein wenig hinein, damit es auch noch ein bisschen besser aussieht - denn nur der, welcher wirklich alle schweren Posen schafft, wird die Erleuchtung finden. Wer ein guter Yogi sein will, der soll auch so aussehen.

Dann gibt es noch die Skeptiker, die meinen, Yoga sei nichts für sie, da sie zu wenig beweglich sind, zu wenig sportlich sind, zu dick, zu alt, zu gestresst, zu unruhig sind. Sie haben keine Zeit, keine Lust, keinen Mut. Sie denken, sie seien als Christen nicht in der Lage, diesem hinduistischen oder buddhistischen System zu folgen, fühlen sich von all den spirituellen Gedanken und esoterisch anmutenden Bräuchen abgestossen und befremdet und wehren sich ganz vehement, es auch nur zu versuchen. Weil: sie sind ganz anders, auf dem Boden, realistisch, westlich.

Nun kann man sagen: jeder ist verschieden, die einen wollen Yoga, die andern nicht. Grundsätzlich ja. Nur: was ist Yoga überhaupt? Sind es wirklich nur verrückte Verknotungen von Armen und Beinen, gesungene Oms und Schweigeminuten? Beihnhaltet Yoga automatisch auch Ganeshas, Buddhastatuen und verschlungene Tücher um den Hals? Schwebt ein Yogi fortan durchs Leben, allem bisher weltlichen den Rücken gedreht, um hier und da im Handstand zu meditieren oder im Spagat rohe Möhren zu knabbern, auf die Weltlichen Sünden (vormals Freuden genannt) herabzuschauen? Wohl kaum.

Beide hier genannten Gruppen von Menschen sind wohl vom Yoga gleich weit entfernt, sie leben diese Distanz nur nach aussen anders aus. Beide kreieren sie ein Selbstbild, dem sie entsprechen wollen. Sie sehen sich als Yogis und quälen sich im Glauben, nur so ein guter Yogi zu sein, in für sie eigentlich ungeeignete Posen hinein, missachten ihren Körper, forcieren ihren Geist, indem sie ständig damit beschäfitgt sind, zu denken, dass es doch noch weiter gehen müsse, dass der andere tiefer sinkt, dass der eigene Hamstring ein Fluch sei, weil zu unflexibel, dass man es diesen starren Beinen schon zeigen werde und nun mit Gewalt tiefer sinke. Und wenn es dann knackt, reisst, schmerzt - dann ist man nie selber schuld, nein, dann sind es die Umstände, dann ist es ein Unglück. Und man vergisst dabei, dass man nicht im Zirkus war, sondern im Yogastudio. Wäre es wirklich das Ziel, möglichst tief im Spagat zu sitzen, um erleuchtet zu sein, dann wäre jeder Kunstturner erleuchtet. Es muss also mehr dahinter sein.

Yoga ist mehr als nur Körper. Yoga ist die Einheit von Körper, Geist, Seele und Herz. Wenn ich nicht mit Liebe (zu mir selber und zu anderen) an etwas herangehe, kann daraus nichts Gutes entstehen. Wenn ich nicht mit meinem Bewusstsein meiner Tat folge, wird sie willkürlich, nicht tief und gewollt sein. Wenn ich im Geist schon irgendwo anders bin, statt bei meinem Tun, dann wird das Tun Nebensache und nie Hauptsache sein. Und ich (und andere) werden in ihrer Seele keine Freude empfinden. Nur wenn ich etwas tue, von ganzem Herzen, mit meinem Bewusstsein achtsein dabei, meinen Körper leite in der Tat, dann wird Freude entstehen - und dann wird der Weg zur Erkenntnis gehbar. Und dann kann ihn jeder gehen, der bereit ist, sich diesem Weg zu öffnen - im Leben und auf der Matte. Dann muss es kein Spagat sein, kein Knoten in den Beinen, keine sportliche Höchstleistung.

Die Asanas (Körperübungen) sind gut und wichtig, denn sie halten den Körper gesund, stark und flexibel - und sie helfen ihm auch, zu gesunden, stark zu werden und flexibel, wenn er es noch nicht ist. Alllerdings nur dann, wenn man sich wirklich mit allem, was das eigene Sein ausmacht, darauf einlässt. Ansonsten ist es kein Yoga, sondern Gymnastik - und durch falschen Ehrgeiz keine gesunde, da doch herausfordernde Gymnastik. Dass der eigene Ehrgeiz einem immer mal in die Quere kommt, ist wohl menschlich, zu lange waren wir auf Leistung, Ziele getrimmt. Kaum ein Yogi, der keine Verletzung auf seinem Weg mitnahm - ich schliesse mich da mit ein. Der Preis für diesen Ehrgeiz ist mitunter hoch. Wenn man daraus lernt, nicht zu hoch.

Yoga findet im Leben und auf der Yogamatte statt, indem wir sowohl die eigenen Grenzen spüren und achten, wie auch die der anderen. Es findet da statt, wo die Liebe für das Leben anfängt und man achtsam damit umgeht. Da, wo man bewusst einen Weg gehen will, der einen an einen Punkt führt, wo Leiden aufhören soll, weil man sich tagtäglich für den anderen Weg entscheidet, den der Freude, den des Bewusstseins und des Herzens im Tun und Sein.

2 Kommentare:

Thomas hat gesagt…

Für die Meisten, liebe Sandra, dürfte Yoga aber genau das sein: Eine alternative, für "gesünder" erachtete Art von Gymnastik.
Das System aussenrum wollen die meisten doch gar nicht leben - und viele können wohl auch nicht.

Natürlich ist es Dein Job, für Yoga als "ganzheitliche" Methode/Weisheitslehre zu werben, denn nur so macht es, wie Du sagst, wohl wirklich Sinn. Doch die Realität, mit der Du wohl tagtäglich konfrontiert wirst (ich vermute hier allerdings nur) sieht wohl anders aus.

Da könnte man auch wieder anfangen zu philosophieren. Über diese Häppchen-Gesellschaft, die sich in der Woche 3 Stunden Zeit für Yoga (oder Schwimmen oder Velofahren oder ...) nimmt, 4 Stunden für die Kinder - im Job kann man das natürlich nicht leben! Wie soll das denn gehen? etc.
Das ist die gleiche Mentalität, die Begriffe wie Qualitätszeit eingeführt hat, um die Mängel im Alltag zu beschönigen

Cosima hat gesagt…

Du hast ganz recht, Thomas, die Realität ist oft anders. Es gibt vereinzelte, die sich ansatzweise für das Drumherum interessieren, der grosse Teil der Menschen wollen ausgepowert sein oder sich was gutes Tun. Sie halten vielleicht sogar die Prinzipien von Ruhe, Kraft, Gelassenheit hoch, denken, das durch Yoga zu erreichen, aber auch da bleiben sie auf einer sehr oberflächlichen Ebene. Das Schöne am Yoga ist aber doch, dass man, wenn man die Übungen wirklich ernsthaft macht, sie mit dem Atem verbindet, die Wirkung spüren wird, ohne viel drüber gelesen zu haben. Wenn man aber alles, was man tut, nach der Stunde wieder mit der Matte einpackt... dann, ja dann... war es Gymnastik. Eine schöne Gymnastik, aber Gymnastik. Ich möchte das nicht werten, auch das ist sicher gut und gesund auch. Es ist einfach nicht Yoga. Mein Yoga findet meistens zu Hause auf meiner eigenen Matte und in meinem eigenen Leben statt. Und im Unterricht freue ich mich, wenn ich den Anwesenden ein paar gute Gefühle mit auf ihren Weg geben kann. Auch das ist etwas sehr wertvolles. Und etwas bleibt immer hängen - bei allen.