Dienstag, 13. April 2010

Weg der Mitte

Oft streben wir nach Extremen. Die heutige Zeit ist geprägt vom Wettkampf, alles muss besser, höher, schneller werden, weniger als das Maximum erscheint als Versagen schon, als nicht mehr erstrebenswert. Diese Haltung durchdringt sämtliche Bereiche unseres Lebens. Beruflich werden Höchstleistungen erwartet, im Privatleben greift es auch schon um sich.

Aristoteles plädierte für das Mittelmass. Wahre Glückseligkeit sah er im Mittelweg zwischen zwei Extremen. Ich denke, er hat das gut erkannt, denn Extreme bringen immer einen hohen Preis mit sich, sie blenden ganz viel links und rechts aus, um eben als Extrem stehen zu bleiben. Grautöne werden eliminiert, Farben gibt es nicht mehr, schwarz oder weiss, gut oder schlecht.

Doch das ist nicht das Leben und im ständigen Streben nach den Extremen werden wir das Leben verpassen. Wir werden gefangen sein in der Suche nach den Extremen, die wir aber doch nie erreichen - zumindest nie dauerhaft und vor allem nicht in allen Bereichen. Dieses Nichterreichen wird uns als Versagen gewertet und wir streben noch mehr, dieses Versagen zu überwinden. Eine Spirale von Unzufriedenheit, die immer grösser wird, immer tiefer geht, wird die Folge sein.

Das Streben nach Perfektion ist eigentlich ein Ausdruck der Verweigerung. Indem ich Perfektion anstrebe, verweigere ich mich dem Leben, verweigere ich mich dem, was das Leben ausmacht. Suche ich nach der perfekten Beziehung, werde ich sie nie finden, denn immer wird sich ein Mangel zeigen, immer wird etwas fehlen. Wenn nur das gut genug ist, was perfekt ist, wird nie etwas genug sein, denn niemand ist perfekt, nicht ich, nicht die anderen. Was wäre zudem perfekt? Ja auch nur ein von Menschen individuell zugeschnittener Massstab, der oft sogar noch momentanen Befindlichkeiten unterliegt.

Vielleicht sollten wir es mit Aristoteles halten und das Mittelmass suchen? Uns zufrieden geben mit dem, was erreichbar ist, uns zufrieden geben mit dem, was uns gut tut, ohne in allen Belangen Höchstleistungen suchen zu müssen, an denen wir nur scheitern werden?

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Für mich ist noch die Frage spannend, was denn ist, wenn man tatsächlich Perfektion erreichen würde. Wäre man glücklich? Wohl kaum. Das Streben ist vorbei, das Ziel erreicht und damit keine Auseinandersetzung mehr notwendig, wahrscheinlich nicht einmal mehr möglich.
Du bringst das Beispiel einer Beziehung. Wenn ich mir die perfekte Frau vorstelle stelle ich mir eine Beziehung nur als ewig andauernde Langeweile vor. Wenn alle meine Wünsche schon erfüllt sind oder sie erfüllt werden gibt es auch keine gemeinsamen Träume, Ziele und auch keine gemeinsame oder individuelle Entwicklung. So gesehen wäre das Paradies langweilig.

Tatsächlich würde ich aber eine Beziehung vorziehen, in der man sich gemeinsam und individuell entwickelt und sich in der liebevollen Auseinandersetzung miteinander immer weiter entwickelt. Das wäre spannend im doppelten Sinn: Es bleibt die Spannung zwischen mir und Partnerin erhalten und der Weg, den man gemeinsam geht bleibt ebenfalls spannend.

Das Risiko eines solchen Wegs ist, dass man sich auseinander entwickelt und die Spannung irgendwann zerreisst. Ich gehe aber davon aus, dass in einem solchen Fall beide Partner mit hoch erhobenem Kopf getrennte Wege gehen könnten und man sich gerne an den Weg erinnert, den man gemeinsam gegangen ist.

Ich glaube aber, für mich wäre das der einzige Weg, dauerhaft eine Beziehung zu führen. Trotz des Risikos.

Ich mag übrigens Dein Bild mit der Farbigkeit des Lebens. Die Extreme würden Schwarz und Weiss symbolisieren. Das Leben ist aber als Regenbogen viel farbenfroher und man sieht viel mehr Facetten. Alles wird menschlicher und detailreicher - vielleicht zu Lasten der Klarheit.

In diesem Sinn hast Du recht, wenn Du sagst, dass Streben nach Perfektion sei Verweigerung des Lebens.
Weisst Du: "Mittelmass" klingt zunächst etwas abwertend - jeder versucht sein Bestes. Das gehört dazu - Ziele, Träume, Wünsche begleiten den Weg, geben den Rahmen für die Farbigkeit des Lebens.
Ich finde halt nicht, dass das Mittelmass ist sondern eigentlich Erkenntnis der wahren Qualität. Nicht, wie bei einem Diamanten, dessen Reinheit erst durch den Schliff entsteht sondern eher der Kristall, der bunt glitzert und je nachdem, von welcher Seite man ihn anschaut völlig anders ausschauen kann und doch das gleiche Objekt ist. Ist nicht das das eigentlich wunderbare an der Welt und dem Leben?

Cosima hat gesagt…

Dass Mittelmass abwertend klingt ist aber eine Konnotation der Zeit und nicht dem Wort inhärent... und genau da liegt der Hase begraben.