Montag, 19. März 2012

Zufriedenheit

Ich bin zufrieden. Alles ist gut, wie es ist, das Leben ist toll, ist genau das Leben, das ich haben will, womit ich mich wohl fühle. Ich habe den Partner, den ich mir wünsche, habe den Beruf, der mich ausfüllt, habe das Kind, das ich liebe, wohne an einem schönen Ort, es geht mir gut. Ja, ich bin zufrieden. Wie oft denkt man genau das im Leben? Und wie oft denkt man, dass eben alles nicht so ist, wie man es gerne hätte, dass alles besser wäre, hätte man nur einen anderen Beruf, einen anderen Partner, ein braveres Kind, wohnte an einem schöneren Ort und überhaupt. Die andern haben es immer besser als man selber, denkt man dann... und hadert mit dem Leben.

Gerade in Beziehungen findet sich diese Unzufriedenheit oft. Der Partner an der Seite ist nicht der, den man sich wünscht. Oder man hat gar keinen und wünscht sich einen. Oder aber man hat einen und möchte ihn nicht mehr - weil er eben nicht ist, wie er sein soll. Bin ich, wie ich sein soll? Wie soll er denn sein? Perfekt? Bin ich es? Wohl eher nicht. Aber der andere müsste es sein. Müsste all meine Bedürfnisse abdecken, müsste immer verfügbar sein oder eben nicht, wenn ich meine Ruhe möchte. Er müsste gut aussen, sportlich sein, wild sein, zärtlich sein, anhänglich sein, Freiraum geben, meine Interessen teilen, nicht kleben, für andere attraktiv sein, dies aber nicht bemerken - eine Eier legende Wollmilchsau. Und wenn nur eines dabei fehlt, dann sind wir unzufrieden. Und wir sehen das Fehlende ständig, es springt förmlich ins Auge bei jeder Gelegenheit. Dass alles andere gut wäre (oder viel) ist vergessen, das eine Ding fehlt. Und das nagt. Und es wird immer wichtiger, es wird oberste Priorität, egal, wie klein es ist im Vergleich zum Rest. Es treibt uns an und um. Und wir sehen überall um uns nur noch Menschen, die genau das haben, was uns fehlt und springen drauf an, sehen es sehnsüchtig, wünschen uns einen anderen Partner, sehen ihn überall... und übersehen dabei wohl oft, was wir wirklich hätten, würden wir es nur zu schätzen wissen.

Ab und an hilft es, einen Schritt zurück zu treten und zu sehen, was da ist. Wirklich hinzusehen und bewusst wahrzunehmen, welches Glück man eigentlich im Leben hat. Und nicht nur ständig zu sehen, was noch fehlt. Fehlen wird immer etwas. An uns selber, an andern, am Leben selber. Zu warten, dass das Leben komplett wäre, alles genau so wäre, wie man sich das selber in den schönsten und blumigsten Träumen ausmalt könnte zum Warten auf Godot werden. Glücklich macht das nicht. Glücklich würde einen auch das Leben nicht machen, in dem alles da ist, nichts mehr fehlt - denn würden die Träume fehlen, die noch zu erreichenden Ziele fehlen. Man wäre Orientierungslos und übersättigt. Und irgendwie gar nicht mehr lebendig.

Vielleicht sind es genau die kleinen Unperfektheiten, die uns das Leben schätzen lehren? Die uns bewusst machen, auch mal hinzuschauen und zu sehen, was ist, wirklich ist. Und das zu schätzen. Und zu achten. Und dazu Sorge zu tragen.

2 Kommentare:

Thomas hat gesagt…

Das sage ich ja schon immer 
Die kleinen Fehlerchen im Leben und an uns Menschen, sowohl den anderen als auch an uns selbst, sind es, die uns einzigartig machen. Perfektion – das würde letztendlich Langeweile bedeuten, nichts mehr zum Reiben, nichts mehr, an dem man wachsen kann, nichts zum Reden.
Das Schauen, was andere haben und was wir gerne hätten ist da noch etwas Besonderes: das ist der Neid-Faktor. Das ist etwas, was in unserem System extrem gefördert wird. Das soll uns anspornen, noch mehr zu arbeiten, noch mehr zu verdienen, noch mehr zu konsumieren. Dem opfern wir dann allzu oft, was uns wirklich wichtig ist. Und nicht, dass Du denkst, das sei nur auf wirtschaftliche Belange bezogen. Viele Beziehungen – nicht nur partnerschaftliche, sondern auch Freundschaften – entstehen auf diese Weise und werden darum auch beendet – man hat „was Besseres“ gefunden. Eigentlich ärmlich, oder?
Und schliesslich sind die Menschen ja auch nicht glücklich. Der Karrieremensch, der zwar viel Geld, aber keine Zeit für seine Kinder hat zum Beispiel. Der dann teure Auslandsreisen bezahlt, um dem Kind „was zu bieten“. Das nennen die dann gerne euphemistisch „Qualitätszeit“. Dabei verschleiert der Begriff doch nur, dass sie sich zu wenig Zeit nehmen und die wenige Zeit, die sie miteinander haben dann vollstopfen mit Aktivitäten oder Unternehmungen. Mit Qualität hat das meist nichts zu tun.
Dann der Bereich „funktionale Freundschaften“ (so nenne ich es): Freunde werden nach den eigenen Bedürfnissen ausgewählt und fallengelassen. Natürlich tut man das sowieso immer in einem gewissen Mass. Doch mir kommt es so vor, als sei das inzwischen zu dem bestimmenden Selektionskriterium verkommen. Man hat jemanden, mit dem man dies unternimmt, jemand anderes ist zuständig für das … und die Freunde sind nur interessant für diese Bereiche des eigenen Lebens. Aus den anderen hält man sie fern. Und so wundert man sich, warum die universelle vertraute Freundschaft, die man aus Kindheit und Jugend kennt, nicht mehr existiert. Und den meisten fehlt sie bitter.
Aber wie soll man sich dazu stellen, wie sich in diesem Gestrüpp verhalten? Und: Ist das nicht auch nur „Gemotze an den Anderen“?
Ich denke, man kann eigentlich nur versuchen, es selbst besser zu machen. Vorleben, dass es auch anders geht – das ist sicher nicht einfach, aber ich finde, es lohnt sich.

Cosima hat gesagt…

Du sprichst mir aus der Seele, Thomas. Neid, Missgunst und die ewige Suche nach mehr, Besserem sind wohl die Krankheiten der Zeit. Der Mensch wird austauschbar, als Ware im Wettkampf um das Bestmögliche. Zu sehen, dass Qualität etwas anderes ist, dass sie mit Tiefe, mit sich einlassen, auch mal aushalten zu tun hat, gilt es zu sehen und immer wieder zu lernen auch, wenn man selber in die Falle tappt.