Donnerstag, 21. Juni 2012

Beziehungsgeschichten

Beziehungen waren seit je her Anlass zu Überlegungen. Was macht sie aus, wie funktionieren sie, wie laufen sie ab? Literaten übten sich daran, sie zu beschreiben und in dem Beschreiben blosszulegen. Philosophen versuchten auf dem normativen Weg zu erläutern, was in Beziehungen gegeben sein muss, dass sie funktionieren, sei es im privaten oder auch im öffentlichen Rahmen. Psychologen gaben Anleitungen und Hilfestellungen, was man tun könnte, wenn sie eben nicht funktionieren, oder was man vermeiden sollte, damit man nie dahin kommt. Pfarrer predigen am sogenannt schönsten Tag, worauf zu achten sei, dass man sich bewusst sein solle, was man eingehe und dieses auch wertschätze. Und hinter allem steckt der Wunsch des Menschen, nicht alleine zu sein, ein Gegenüber zu haben, Liebe zu fühlen - erhaltene wie auch gegebene.

Der Wunsch ist gross, genau so gross wohl auch die Enttäuschung, wenn er eben nicht erfüllt wird oder man in diesem Wunsch eins ums andere Mal auf die Nase fällt. Wenn man sucht und sucht und sucht und  nie findet. Bald an sich zweifelt, bald am Gegenüber. Wenn man denkt, es müsse doch bald mal der kommen, der passt. Er aber nicht kommt. Und Frau verzweifelt nur noch um das eine Thema dreht, schreibend, redend, denkend. Solche Fälle gibt es und ich habe das Gefühl, das Verhalten steigert sich mit der Torschlusspanik des Alters. Orte werden nicht mehr an sich gesehen, sondern nur im Hinblick auf die Möglichkeit, den passenden Mann zu finden.

Doch wenn man ihn gefunden hat, scheint das Problem nicht aufzuhören. Dann fangen die Probleme erst an. Und dank der modernen Medien und sozialen Plattformen schaut die ganze Welt zu. Da werden Herzen ausgetauscht, Essen kritisch beäugt, über Facebook Einrichtungen diskutiert und Gutenachtwünsche platziert. Frau liest die gegenseitigen Kosenamen - fühlt sich an eine Episode im Supermarkt erinnert, als Frau dem Mann mit schriller Stimme LIIIIIIIEEEEEEEBLING hinterherrief und sieht dem eigenen Mann deutlich ins Gesicht geschrieben "hoffentlich macht meine das nie nie nie" - und denkt sich ihren Teil.

Und ab und an kriegt man auch die Leiden und Herzschmerze mit. Und hilft. Hört zu, rät, ist da. Nimmt es ernst. Weil man fühlt. Mitfühlt. Es entsteht ein Band, eine Freundschaft? Man könnte meinen. Dass die eine oder andere Anmerkung drüber hinausgeht, ignoriert man, in der Hoffnung, es sei ein Versehen. Und freut sich, wenn alles wieder im Lot, der Herzschmerz getilgt - mit einem kleinen Fragezeichen im Kopf der Anmerkung wegen. Das grössere Fragezeichen bleibt, weil plötzlich Stille herrscht. Das Band zerschnitten. Wieso? Was blieb von all den Worten? Phrasen nur? Schlechtes Gewissen? So oder so: was wirklich blieb ist das Gefühl, dass vieles leicht daher gesagt ist, man oft zweimal  überlegen sollte, ob man sich wirklich einhängen soll, Hilfe anbieten soll, wie man es im wahren Leben sofort täte. Und was noch viel mehr bleibt: man kriegt verdammt viel mit über andere Menschen. Über deren Beziehungen, deren Probleme, deren Lebenslügen. Und das ist erschreckend, weil man denkt: was kriegen die da draussen von mir mit? Und will ich das? Vor allem, wer kriegt es alles mit? Und wie tief? Und was macht er damit?

Soziale Medien sind sowieso Teufelszeug. Was mein bals 8ojähriger Papa schon lange unkt, scheint ein paar Wahrheiten zu haben. An dieser Stelle ein grosses Sorry zu meinem Papa, den ich immer mit genervtem Schnauben bedachte bei seinen Tiraden über das Internet und dessen Gefahren, über seine Warnungen vor Kinderfressern, Betrügern und Dieben, die da ihr Unwesen trieben. Ganz unrecht mag er nicht haben. Das Internet hat vieles erleichtert. Den Zugang zu Daten, den Zugang zu Menschen, den Zugang zu Herzen - oder wenn nicht Herzen so doch zur Versuchung. Ab und an vielleicht nicht mal bewusst, verstrickt man sich im Spiel mit dem Feuer. Beziehungen gehen in Brüche, weil der eine plötzlich den Mann/die Frau der Träume im Netz findet. Wenn das nur eine Illusion war, schaut man ganz schön doof in die Röhre (heute Flachbildschirm).

So sitzen dann Tag für Tag hunderte und tausende Menschen vor dem Bildschirm, twittern, facebooken vor sich hin, taggen, hooken, machen neue Freunde - und löschen sie wieder. Ganz cool, ganz unverbindlich, einfach mal so. Macht Spass. Der Begriff der Spassgesellschaft aus den 90er Jahren geht in eine neue Epoche. Und man muss wohl lernen, sich anzupassen. Sonst könnte man das noch ernst nehmen. Man könnte denken, Freunde seien Freunde und wollen nicht verletzen um des Spasses willen. Man könnte auch denken, Aussagen sind ernst gemeint. Da würde man wohl meist einer ganz grossen Illusion aufsitzen. Eigentlich schade. Und umso schöner, wenn man die Ausnahmen findet. Drum auch mal ein ganz grosses Dankeschön an die, welche ich über diese Medien kennen lernte und die mich doch teilweise über Jahre begleiten in meinem (realen) Leben.


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