Dienstag, 10. Juli 2012

Zuhause oder Glaube an dich

Vor einiger Zeit beschloss ich, umzuziehen. Die Entscheidung hatte Gründe, viele, gute, üerzeugende. Ich suchte also eine Wohnung da, wo ich hinwollte, fand sie auch, obwohl der Wohnungsmarkt nicht einfach ist. War glücklich. Hier könnte man den Vorhang senken, Happy End schreiben.

Irgendwie fängt die Geschichte erst hier an. Ich stellte mir nämlich nun vor, was für Bemerkungen ich für meinen erneuten Umzug ernten würde. Das verursachte mir Magenschmerzen. Dass ich im Leben oft umgezogen bin, steht ausser Frage. Trotzdem mochte ich die ewigen Witzchen und Bemerkungen nicht mehr ertragen. Klar könnte man sie einfach wegstecken. Doch so bin ich nicht. Ich hinterfrage immer - am meisten mich. Und hintersinne mich. Ich beschloss, den Umzug für mich zu behalten. Da und dort sickerte er durch. Am Schluss hielten sich die Bemerkungen im Rahmen, meine ganzen Gedanken waren umsonst. Hätte ich sie mir erspart, wäre es beim oben genannten Happy End geblieben.

Nur: Ich hörte eine abschätzige Bemerkung über meinen neuen Wohnort. Da würde man nie wohnen wollen. Es sei ganz schlimm und hässlich da. "Little Istanbul" wurde es genannt. Als Betonwüste verschrien. Und ich sass da und fragte mich: Haben sie alle recht? Ziehe ich ins Unglück? Ist die Freude, die ich spüre, eine Illusion, die platzen wird, sobald ich dort bin? Ganz leise drang auch durch, dass es eigentlich frech ist, etwas abschätzig als Little Istanbul zu bezeichnen. Dass es abgesehen von mangelndem Taktgefühl hauptsächlich eine eher abschätzige Haltung gegen ausländische Mitbürger offenlegt. Die man trotz gross posaunter Toleranz doch lieber weit weg hat. Natürlich kam bei mir kurz der Gedanke von wegen Schule für das Kind und anderer Probleme auf. Und irgendwie war die Umzugsfreude weggeblasen. Ich hinterfragte. Mich, meine Entscheidung, alles.

Was, wenn sie alle recht haben? Wenn ich nicht umziehen sollte? Wenn der neue Ort schlimm wäre? Ich mich nicht wohl fühlte? Sohnemann sich nicht wohl fühlte. Keinen Anschluss fände, schlechte Schulen hätte? Und dann kam noch dazu: Bin ich weniger wert, wenn ich nach Little Istanbul ziehe als wenn ich im Schickimickiviertel wohne? Sind die Bewohner von Little Istanbul wenig wert? Woran gemessen? Wer setzt den Massstab? Langsam sah ich die Realität wieder klarer und die Freude kam wieder auf.

Dann zog ich um. Chaos pur. Umzugsmänner überfordert, alles dauerte länger, Wohnung schien klein, alles Chaos. Nerven blank. Aber: Der Spaziergang mit dem Hund war toll. Ich lief durch das ganze Quartier und ein wenig weiter. Und ich war begeistert. Es war schön. Es war grün. Es war städtisch. Es war - endlich wieder Zuhause. An diesem Ort wohnte ich, bevor die Schweizer Reise losging... und hierher war ich zurückgekehrt.

Die Kisten schwinden, die Spaziergänge werden mehr. An Bächen entlang, über Wiesen, Felder. Beim Einkaufen plaudere ich mit den Verkäuferinnen, Nachbarn schon kennengelernt. Es ist schön. Es ist, wie ich es kannte. Es ist toll. Wie ich es wünschte. Nur eines nervt: Dass ich mir von anderen die Freude vermiesen liess. Dass ich fremde Stimmen höher wertete als meine eigene. Wieso? Selbst wenn ihre Einschätzung für sie selber stimmte, wieso ging ich davon aus, sie könne auch für mich stimmen? Kennen sie mich wirklich? Stecken sie in meinen Schuhen? Taten sie es je? Klar nein. Und einmal mehr die Lehre:

Es gibt nur einen, der dein Leben leben kann: Du selber. Bau auf dich, vertrau auf dich, gehe deinen Weg.

Klar ist es immer sinnvoll, Argumente von anderen zu berücksichtigen, zu prüfen. Aber nur, wenn es wirklich Argumente sind. Fundierte. Für mich kann ich sagen: Ich bin Zuhause. Endlich wieder. Und es fühlt sich gut an. Für uns alle.

Hier noch ein paar Bilder von der ach so schrecklichen neuen (alten) Heimat:





4 Kommentare:

biostratus hat gesagt…

Das wichtigste hast du aus meiner Sicht bereits geschrieben:
"Es gibt nur einen, der dein Leben leben kann: Du selber. Bau auf dich, vertrau auf dich, gehe deinen Weg."

Nur ist dies leider nicht immer so einfach. Gerade Veränderungen bedeuten doch immer Herausforderungen aller Art, welche die eigene Welt und auch den eigenen Weg betreffen. Da ist es klar dass wir auf Feedback aus unserem Umfeld hoffen und auch warten. Können wir nun gewissem Feedback oder Kommentaren besser trauen als anderem? Können wir wirlklich die Streu vom Weizen trennen?
Oft sind solche Kommentare geprägt von den Vorstellungen und Erfahrungen derjenigen die sie abgeben. Leider können viele da nicht trennen zwischen objektiv und subjektiv und sind getrieben von den selben Faktoren, die auch zu einem unserer Probleme führen, die uns immer wieder einholen: Neid, Missgunst, Unsicherheit führen halt heufig zu Fremdenhass, "Gärtlidenken", ...
Schau es auch von der anderen Seite an - all die kulturellen und geistigen Schätze die Istanbul bietet - da gähn ich ja nur von all dem Tell gequatsche und Hudigägeler ;-) Zum Glück wird ja dann das Schickimickiviertel zur Wüste der Langeweile und Einfaltigkeit (sorry für diesen nicht ganz ernst gemeinten abschätzigen Kommentar, ich nimm mir die Freiheit). Glück hat doch der - der Leben kann wie er will und wo er will - und hoffentlich den Anderen seinen Weg nicht aufzwingt.

Cosima hat gesagt…

Danke für diese Sicht. Und ja, ich bin glücklich da, wo ich bin. Und froh, sind nicht alle hier, sonst wäre es arg voll. :)

Thomas hat gesagt…

Hast Du Dir die Voliere an der Badi schon mal angeschaut?
Ist einer meiner Lieblingsorte dort.
Und der kleine Park zwischen der Tramhaltestelle und dem Neubaugebiet Richtung Flughafen. Gibt's den Bäck noch? Der hat mich jahrelang ernährt *ggg*
Ansonsten: schön, dass Du Dich da wohlfühlst. Gratuliere zum erfolgreich überstandenen Umzug!

Cosima hat gesagt…

Thomas, die Voliere ist toll, da war ich gestern. Die Bäckerei gibt es noch, an der laufe ich täglich vorbei (wenn es die ist, die du meinst). Und auch sonst. Es ist echt wunderschön, sehr grün, was ich doch liebe. Und heute war ich mit ÖV kreuz und quer in der Stadt unterwegs. Das war schon toll, wieder aufs Auto verzichten zu können, einfach drauflos zu gehen. Und ich war innert nützlicher Frist überall. Ja, ich fühle mich sehr wohl. Und bin froh darüber.

Danke für die Worte!