Dienstag, 24. April 2012

Menschlichkeit oder Sein und Wollen

Oft hört man den Wunsch nach einer menschlicheren Welt. Die Frage ist: was ist eine menschlichere Welt? Was ist Menschlichkeit? Dem Wortlaut nach wäre es eine Welt nach der Art des Menschen. Doch wie ist ein Mensch? Wäre eine menschlichere Welt eine bessere Welt?

Schaut man im Alltag, kommen mir da Zweifel. Wie oft sieht man Menschen, die ein wenig Macht in die Hände kriegen und diese gleich ausnutzen, sich daran erfreuen? Ist der Mensch nicht immer sich selbst am nächsten und versucht, seine eigenen Interessen möglichst gut durchzubringen? Ganz im Zeichen der Evolution und ihrem Survival of the fittest? Oft ist es auch eine Kompensationshandlung, indem man, endlich ein wenig Macht spürend, bewusst oder unbewusst, diese nützt, um all die machtlosen Situationen, die man in der Vergangenheit erleiden musste, ausbügeln will. Alles, was einem selber an Machlosigkeit zuteil wurde, lebt man nun an einem anderen aus. Der Beamte in einer Amtsstelle weiss genau, dass jeder, der zu ihm kommt, von ihm abhängig ist und der ganze Bürokratiewahn scheint eine Ausgeburt genau dieses Wissens zu sein.

Geht man in der Geschichte zurück, wird das noch viel augenscheinlicher. Wie oft werden die Machenschaften in Kriegen als barbarisch, als grausam bezeichnet, welche Superlative des Bösen wurden gebraucht, die Machenschaften im Zweiten Weltkrieg zu beschreiben. Hannah Arendt setzte dem den Begriff "Banalität des Bösen" gegenüber. Es waren keine Ungeheuer, die am Werk waren, keine Entarteten, es waren Menschen. Familienväter, ehemalige Kaninchenzüchter, Beamte, ganz normale Menschen, welche in die Position kamen, Macht leben zu können - und es taten. Rädchen im Getriebe. Und zusammen ergab das eine unbeschreibbare Ausgeburt an Grauen.

Was also ist Menschlichkeit? Ist das wirklich gut und lieb, sozial und mitfühlend? Oder doch nur ein Kampf jeder gegen jeden - liesse man den Menschen nach seiner Natur handeln? Ich bin überzeugt, der Mensch will gut sein. Er möchte mitfühlend sein, den anderen lieben. Aber wäre er es wirklich von Natur, bräuchte es dann Gebote und ständige Ermahnungen, es auch wirklich zu sein? Wäre er es dann nicht von Natur und bedürfte keiner Aufforderungen dahingehend? Ich habe meine Zweifel. Ich denke, das Soziale ist eine Forderung der Gemeinschaft, weil nur so ein Zusammenleben möglich ist. Damit dieses Zusammenleben funktioniert, braucht es Regeln, braucht es Werte, braucht es Grundsätze. Diese entspringen nicht der Menschlichkeit, sondern der Vernunft. Menschlichkeit an sich wäre animalisch und selbstbezogen. Macht, Kampf und Sieg wären ihre Ziele. Eine solche Welt wäre (und ist es wohl  leider, da trotz Vernunft das Menschliche immer durchdrückt, wenn es die Chance dazu kriegt) nicht die, welche man sich herbei sehnt. Von daher wäre es wohl sinnvoller, eine vernünftige Welt des Miteinanders statt eine menschlichere Welt zu wünschen.

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