Donnerstag, 26. April 2012

Tod und Leben

Kürzlich sassen mein Sohn und ich am Küchentisch und sprachen über den Tod. Wir sprachen darüber, wie es ist, jemanden zu verlieren und ich erzählte ihm die Geschichte meines Wellensittichs, der von Tag zu Tag immer schwächer wurde und an einem Tag, als ich aus der Schule kam, am Käfigboden sass, nicht mehr hochkam. Ich hob ihn auf, nahm ihn in meine Hand. Er schaute mich an - und starb. Beim Erzählen kullerten mir ein paar Tränen übers Gesicht. Mein Sohn stand auf, holte ein Taschentuch und brachte es mir. Das tut er immer. Er ist ein toller Sohn. Mit einem riesengrossen Herzen.

Sohnemann meinte, dass man, wenn man ein Haustier haben möchte, auch bereit sein muss, es loszulassen. Dass man dankbar für die Zeit sein soll, die man mit ihm hatte und dies das Wichtige sei. Dasselbe, so meinte er, sei auch mit Menschen. Beerdigungen sollten nicht traurig sein, sondern voller Freude. Man müsste an all die schönen Momente mit dem Menschen, der starb denken, und nicht nur den Verlust beweinen. Eine schöne Sicht. Ich hoffe, er kann sie sich bewahren.

Wie oft ertappen wir uns auch sonst im Leben dabei, das Negative zu sehen statt das Positive? Statt dankbar zu sein für all das Gute, das uns im Leben passiert ist und gerade passiert, hadern wir mit all dem, was nicht passt, das wir gerne anders hätten, sehnen uns nach den Dingen, die fehlen, statt die zu geniessen, die wir haben. Wie viel froher wäre das Leben, würden wir diese Perspektive ändern? Dabei müsste gar nichts im Aussen ändern, es wäre nur unsere eigene Haltung dazu, die diese Umkehr bewirken würde.

Etwas nicht zu haben, das man gerne hätte, ist immer doof. Je wichtiger das Gewünschte wäre, desto doofer. Aber oft kann man es nicht ändern, zumindest selten sofort. Was also hilft es, dem Mangel noch schlechte Gefühle hinterher zu schicken? Verbessern wird das nie. Würde man stattdessen sich an dem freuen, was schon gut ist, wäre dem Mangel ein viel geringeres Gewicht gegeben. Das Unervänderliche wäre weniger schlimm in seiner Tragweite. Und durch die positive Haltung setzt man vielleicht auch positive Energien frei, die man dazu nutzen kann, dem Mangel entgegen zu wirken. Und ab und an stellt sich heraus, dass das Leben auch ohne das gewünschte Gut schön ist.

Loslassen ist auch da die Devise. Wie man im Leben Menschen loslassen muss, muss man ab und an auch Vorstellungen und Wünsche loslassen. Viel Leid resultiert aus dem festhalten an Menschen, an Gefühlen, an Wünschen, an Situationen. Man will sich gegen das Unausweichliche stellen und hält alles fest, was man haben will. Wenn es geht, leiden wir. Wir leiden, weil wir uns dagegen sträuben, anzunehmen, was ist. Wir leiden, weil wir krampfhaft etwas haben wollen, das nicht ist oder nicht mehr sein wird. Wir leiden, weil wir enttäuscht sind in unseren eigenen Vorstellungen, weil wir nicht das haben, was wir haben wollen, weil etwas von uns geht, das wir nicht gehen lassen wollen. Aber wir können den Gang der Zeit nicht ändern. Vieles ist nicht planbar, nicht steuerbar. Das Festhalten wird das nicht ändern, es wird uns nur Leiden bringen. Drum sollte man geniessen, was man hat, denn irgendwann wird es aufhören und dann wird die Erinnerung an den Genuss bleiben. Und diese wird das Wegfallen übertreffen.

Wer etwas haben will, muss bereit sein, es gehen zu lassen.

2 Kommentare:

Thomas hat gesagt…

Du kennst "mein" Gedicht?
Daran musste ich denken, als ich Deinen Blog las.

Legt in die Hand das Schicksal dir ein Glück,
mußt du ein andres wieder fallen lassen;
Schmerz und Gewinn erhältst du Stück um Stück,
und Tiefersehntes wirst du bitter hassen.

Des Menschen Hand ist eine Kinderhand,
sie greift nur zu, um achtlos zu zerstören;
mit Trümmern überstreuet sie das Land,
und was sie hält, wird ihr doch nie gehören.

Des Menschen Hand ist eine Kinderhand,
sein Herz ein Kinderherz im heft'gen Trachten.
Greif zu und halt! . . . Da liegt der bunte Tand,
und klagen müssen nun, die eben lachten.

Legt in die Hand das Schicksal dir den Kranz,
so mußt die schönste Pracht du selbst zerpflücken;
zerstören wirst du selbst des Lebens Glanz
und weinen über den zerstreuten Stücken.
(Wilhelm Raabe)

Das Problem liegt in uns und unserer Einstellung - das ist richtig. Doch: können wir das so einfach ändern? Hin zur Anspruchslosigkeit? Denn das wäre es, was uns Deiner Meinung nach letzten Endes aus diesem Dilemma befreit.
Ich bin da alles andere als sicher.
Auch Dein Beispiel mit dem Tod sehe ich eher wie Schopenhauer: Den eigenen Verlust zu Betrauern wäre selbstsüchtig. Das ist, was kleine Kinder tun. Dessen sollte man sich als Erwachsener schämen. Um was wir trauern ist das Leben an sich. Ich muss zuhause mal den genauen Wortlaut suchen ... es ist eben auch hier das "sich selbst im anderen erkennen", die Einheit allen Lebens, welche die Trauer begründet.
Ein tröstlicher Gedanke, oder?

Cosima hat gesagt…

Ich denke nicht, dass wir es ändern können. Das ist die östliche Sicht auf das Ganze, die ich aber als nicht tauglich für "normale Westler" sehe. Wir sind anders aufgewachsen, anders geprägt. Man kann sich die Dinge ins Bewusstsein rufen, kann achtsam mit Gefhlen und Regungen umgehen, versuchen, bewusst zu sehen, was vor sich geht, in einem, um einen rum. Und doch wird immer auch die lang eingeprägte Regung bleiben und ein verlust ist nun mal traurig. Und man soll auch trauern dürfen. Ich denke, nicht zu trauern wäre auch nicht gesund, denn es wäre wohl eher ein Verdrängen als eine gute Sache und es würde irgendwo im Körper und Geist sich niedersetzen und wieder aufbrechen.

Wichtig finde ich, dass man neben der Trauer auch versucht, zu sehen, was wirklich ist und was gut ist. Was man eben hatte. Und diesem Guten auch seinen Platz zu lassen.

Den eigenen Tod fürchte ich persönlcih nicht - für mich. Ich fürchte ihn momentan noch meines Kindes wegen, weil ich denke, es wäre für ihn schwer, ohne mich zu sein. Das sagt er auch. Sein eigenes Ende zu betrauern fände ich persönlich sehr narzistisch. Ich habe mein Leben, lebe es, habe das Glück, es gut zu leben, trotz vieler schweren Seiten.Und wenn es fertig ist, ist es vorbei. Und das ist auch gut. So wie es gut ist, dass ich das Leben habe.

Ich denke, wir betreuern doch eher den Tod anderer, weil uns damit etwas aus dem Leben geht, das uns nah war, an dem wir hängen, das uns eventuell auch Halt gab. Und da fällt es dann nicht immer leicht, die Trauer zuzulassen und daneben noch Positives zu sehen.